Nach 27 Jahren tritt Willi Gloor zurück
22.09.2023 Tägerig, FreiamtWilli Gloor, Präsident im Vorstand des Altersheimvereins Tägerig, gibt per sofort seinen Rücktritt bekannt
«Alles ist gut im Tägliger Seniorenzentrum.» So lautete das Fazit am Info-Abend. Dann tritt der Präsident zurück und es öffnet sich ein ...
Willi Gloor, Präsident im Vorstand des Altersheimvereins Tägerig, gibt per sofort seinen Rücktritt bekannt
«Alles ist gut im Tägliger Seniorenzentrum.» So lautete das Fazit am Info-Abend. Dann tritt der Präsident zurück und es öffnet sich ein ganzer Graben an Ungereimtheiten.
Willi Gloor, Präsident des Altersheimvereins Tägerig hat per sofort seinen Rücktritt aus dem Vorstand des Altersheimvereins bekannt gegeben. Vor 27 Jahren war Gloor Initiant und Mitgründer des Vereins. Er erklärt, dass er mit diesem Gedanken schon länger gespielt habe, weil er nächstes Jahr 70 Jahre alt werde. Dennoch überrascht sein Rücktitt zum aktuellen Zeitpunkt.
Erst vor kurzem hatte der Vorstand die Vereinsmitglieder zu einem Informationsabend «Probleme mit dem Seniorenzentrum» eingeladen (der Reussbote berichtete, 15. August). Grund: In den letzten vier Jahren verzeichnete das Heim zahlreiche Leitungswechsel, es kam zu unvollständigen Reorganisationen und der Personalbestand stieg an. Das Heim wirtschaftete in der Folge defizitär. Vor einem Jahr wurde dann Martin Schmidt, Notar in Baden und Geschäftsführer von zwei Kleinheimen in Bergdietikon und in Veltheim, in den Vorstand geholt. Schmidt erhielt vom Vorstand den Auftrag, sich als Coach in der Betriebsleitung operativ einzubringen. Das Konzept wurde angepasst, Arbeitsverträge neu verhandelt. Es kam zu zahlreichen Kündigungen und im Sommer zu einem akuten Personalmangel, der schliesslich im Aufruf an die Vereinsmitglieder gipfelte, nach Personal oder Helfenden zu suchen. – Rückmeldungen auf diesen Aufruf erhielt der Vorstand keine.
«Alle wollen das Heim im Dorf»
Das veranlasste den Präsidenten Willig Gloor am Informationsabend am 23. August unter anderem zur Frage, ob die Mitglieder überhaupt ein Heim im Dorf wollten. Unter den 33 Anwesenden – der Verein zählt an die 140 Einzel- und Familienmitglieder – soll zunächst eine «gedrückte Stimmung» geherrscht haben. Die anwesenden, meist älteren Vereinsmitglieder erklärten, dass sie nicht in der Lage seien, in der Pflege mitzuhelfen. «Aber das Heim im Dorf wollen sie alle behalten», so Gloor.
Martin Schmidt, der seit einiger Zeit im Seniorenzentrum Tägerig als Coach tätig ist, erklärte an diesem Abend im Anschluss, dass in Tägerig zu viel Personal beschäftigt gewesen sei. Aus diesem Grund seien Kündigungen ausgesprochen worden. Nun habe man eine neue Institutionsleiterin und weiteres Personal angestellt. Aktuell sei das Heim «personell absolut gut aufgestellt und könne auch wieder neue Bewohner aufnehmen». In seiner Rücktrittsmitteilung hält Gloor fest, dass er auf keinen Fall einen «Scherbenhaufen» weitergeben wollte. Nun hätten die Vereinsmitglieder am Informationsabend von Martin Schmidt erfahren, dass es dem Heim wieder gut gehe. Und dem Vorstand bleibe somit genügend Zeit bis zur Generalsversammlung eine Nachfolge zu suchen, schreibt der abtretende Präsident Willi Gloor.
Vorwürfe an ein Vorstandsmitglied
Ein Vereinsmitglied, das nicht namentlich genannt werden will, meldet allerdings Vorbehalte und zählt zahlreiche Ungereimtheiten auf. Die Vorwürfe betreffen primär Martin Schmidt. Schmidt überschreite seine Kompetenzen als Coach, übernehme heute die Aufgaben der Heimleitung und handle als Geschäftsführer. Die Vereinsstatuten hingegen besagen: «Mitglieder der Heimleitung können nicht in den Vorstand gewählt werden.» Im Umkehrschluss kann ein Vorstandsmitglied nicht die Heimleitung übernehmen.
Auf der Webseite des Seniorenzentrums wird heute Mirjam Ellenberger als Institutionsleiterin aufgeführt – im Haus tätig ist sie allerdings bereits seit einiger Zeit nicht mehr. Ihr wurde gekündigt, weil sie Arbeitspläne in Frage stellte. Auf Ellenberger folgte Rosmarie Jenny, die ebenfalls nur sehr kurz Heimleiterin war. Im Juli erlebte das Haus generell eine grosse Kündigungswelle: Drei ehemalige Mitarbeitende klagen inzwischen vor Arbeitsgericht.
Schmidt, der selbst zwei Kleinheime betreibt, vermittelt sein eigenes Personal von einem Heim ins andere. Dieses Vorgehen wurde zunächst zwar als Unterstützung erlebt. Nun wächst auch die Skepsis. Will Martin Schmidt das Tägliger Pflegezentrum übernehmen? Schmidt habe ein solches Anliegen an Sitzungen und Versammlungen jeweils vehement abgestritten, heisst es.
Frage nach ausserordentlicher GV?
Das bestätigt auf Anfrage Daniela Kramer, Vizepräsidentin im Vorstand des Altersheimvereins und Gemeinderätin. Gemäss Statuten sei das ohnehin unmöglich, meint sie. Kramer vertraut der Arbeit von Martin Schmidt. Er sei vom Vorstand als Coach operativ bevollmächtigt worden. Hinter diesem Auftrag stehe der aktuelle Vorstand auch weiterhin. Willi Gloor habe dem Vorstand an einer der letzten Vorstandssitzungen seinen Rücktritt bekannt gegeben. Auf die Frage, ob es wegen des Rücktritts im Präsidium zu einer ausserordentlichen Generalversammlung mit Neuwahl komme, antwortet Kramer zunächst, das sei noch unklar.
Für eine ausserordentliche Versammlung wollten einige Vereinsmitglieder Unterschriften sammeln. Ob die Sammlung zustande kommt, ist ungewiss: Schmidt wolle genau wissen, so wird verbreitet, wer unterschreibe. Manche überlegen es sich zweimal, ihren Namen unter das durchaus legitime Anliegen zu setzen.
Der Vorstand nimmt Stellung
Zu den Vorwürfen wurde Vorstandsmitglied Martin Schmidt schriftlich um eine Stellungnahme angefragt. An seiner Stelle antwortete nach einer kurzfristig einberufenen Vorstandssitzung im Namen des Vorstandes, Vizepräsidentin Daniela Kramer: «Aufgrund der personellen Situation im Sommer, sah sich der Vorstand veranlasst, teilweise operativ tätig zu werden. So konnte der Heimbetrieb und somit das Wohlergehen der Bewohnenden gewährleistet werden. Mehrere Vorstandsmitglieder waren in der herausfordernden Phase, während der Sommermonate, entsprechend ihren Kompetenzen im Seniorenzentrum engagiert.»
Daniela Kramer fährt fort: «Ab Oktober 2023 haben wir eine neue Institutionsleitung, womit der Vorstand wieder von dieser operativen Tätigkeit entlastet wird. Dank den guten Kontakten eines Vorstandmitglieds konnte der personelle Engpass überbrückt werden. Momentan arbeiten noch zwei Mitarbeiter aus anderen Institutionen, niederprozentig im Seniorenzentrum in Tägerig.
Grundsätzlich hält der Vorstand fest, dass die «Vorwürfe» nicht stimmen. «Darüber hinaus äussern wir uns nicht über betriebs- und vorstandsinterne Angelegenheiten.»
Erwähnt wird schliesslich die Terminierung einer ausserordentlichen Genervalsammlung. Vizepräsidentin Kramer hält fest, dass der Verein, vertreten durch den Vorstand, von Willi Gloor bis heute kein offizielles Rücktrittsschreiben erhalten habe. Sobald ein solches Rücktrittsschreiben des Präsidenten beim Vorstand eingegangen sei, werde vom Vorstand eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen, um den Vorstand wieder zu komplettieren. «Der Vorstand des Altersheimvereins verschliesst sich keinesfalls einem legitimen und demokratischen Prozess, wie einer ausserordentlichen Generalversammlung», betont die Vizepräsidentin. Um eine ausserordentliche Generalversammlung einzuberufen, sei der Vorstand allerdings verpflichtet, zu prüfen, ob die eingegangenen Unterschriften von Vereinsmitgliedern stammen.
Heidi Hess