Nach fast 50 Jahren ist Schluss mit Erdbeeren
01.09.2023 Stetten, Region ReusstalDie Erdbeeren auf dem Feld der Familie Regez werden in der Region jeweils sehnsüchtig erwartet. Ab nächstem Jahr ist damit Schluss
Die süssen roten Beeren der Familie Regez sind in der Region heiss begehrt. Viele pilgern während der Erdbeersaison auf das rund ein Hektar ...
Die Erdbeeren auf dem Feld der Familie Regez werden in der Region jeweils sehnsüchtig erwartet. Ab nächstem Jahr ist damit Schluss
Die süssen roten Beeren der Familie Regez sind in der Region heiss begehrt. Viele pilgern während der Erdbeersaison auf das rund ein Hektar grosse Feld zum Erdbeerenpflücken. Die 49. Saison ist nun auch die letzte.
Erdbeeren werden auch als «Königinnen der Beeren» bezeichnet – und das zu recht. Die aromatischen Früchte gehören neben Äpfeln zu den beliebtesten Obstsorten. Dies liegt zum einen an ihrer angenehmen Süsse, der geringen Kalorienanzahl und einem hohen Vitamin-C-Gehalt. Mit 65 Milligramm pro 100 Gramm Erdbeeren liegt dieser weit über dem von Zitronen und Orangen. Nicht weiter erstaunlich, dass sich das Erdbeerenfeld der Familie Regez in der Region seit fast 50 Jahren grosser Beliebtheit erfreut. Auf einer Hektare können Erdbeeren selbst gepflückt werden. Was die Kundschaft nicht ahnte, 2024 müssen sie darauf verzichten. «Der Entscheid keine Erdbeeren mehr anzupflanzen, fiel uns nicht leicht», sagt David Regez. «Unsere Familie hat lange überlegt, ob wir weitermachen oder nicht. Der Hauptgrund ist, dass sich unser Betrieb in den letzten Jahren stark verändert hat.» So wird nebst dem von Vater Jakob Regez gegründeten Bauernbetrieb, ein Lohnunternehmen für Naturdünger betrieben. Zusätzlich ist David Regez seit 11 Jahren bei der Recycling Energie AG stellvertretender Geschäftsführer und Betriebsleiter. «Mein Vater hat vor allem zur Spezialkultur, den Erdbeeren, geschaut. Seit seiner Pension ist das sein Hobby geblieben.» Aus gesundheitlichen Gründen muss er seit diesem Jahr kürzertreten.
Erdbeersorten für Selbstpflückende
David Regez hatte bereits für 2024 neue Erdbeersetzlinge bestellt. Inzwischen wurden diese storniert. «Es kommt uns komisch vor, dass wir Ende Juli, anfangs August nicht auf dem Feld sind und die 20 000 Erdbeerensetzlinge ins Feld setzen werden», sagt er. Und das sei immer ein Knochenjob gewesen. Regez erinnert sich, dass er als Knabe nach der Schule hinter dem Traktor die vielen Setzlinge auf der Setzmaschine in den Boden hievte. «Bei Selbstpflückfeldern müssen Sorten gewählt werden, die nicht so viele Blätter ausbilden. Ansonsten werden die Beeren übersehen.» Wichtig sei, bis zu drei verschiedene Sorten zu wählen, damit die Saison (ist Wetter abhängig) von etwa Mitte Mai bis Ende Juni dauert. «Wir haben in den fünf Jahrzehnten 25 verschiedene Sorten angebaut», so Regez.
Immer mehr mache sich der Klimawandel auch beim Anbau von Erdbeeren bemerkbar. Die neu gesetzten Erdbeerpflanzen werden in den ersten Wochen und je nach Witterung auch vor und während der Saison bewässert. Zusätzlich machen die steigenden Temperaturen den Beeren zu schaffen. «Erdbeeren bekommen Sonnenbrand. Sie werden dann weiss und matschig», führt Tamara Regez aus. «Als Sonnenschutz versuchten wir es mit Hagelschutznetzen. Das war aber zu umständlich.»
Hagel und Frost sind gefürchtet
Vor 50 Jahren wurden die Erdbeeren bei der Familie Regez noch nicht abgedeckt. Während zwei Jahren kam es zu einem Totalausfall. Bereits ein leichter Hagel kann zu einem 50-prozentigen Ausfall führen. 48 Stunden nach dem Hagel breitet sich auf den Früchten explosionsartig ein Pilz aus. «Die Beeren beginnen zu schnäpseln», führt David Regez aus. Am schlimmsten seien aber die Fröste im Frühjahr. Das habe in den letzten 15 Jahren zugenommen. Die Pflanzen werden deshalb während der Nacht zu- und tagsüber wegen des Bienenflugs abgedeckt.
Langjährige Kundschaft
In den ersten Jahren wurde auf die Erdbeersaison im «Reussbote» und mit einem Plakat an der Strasse aufmerksam gemacht. Inzwischen wird das auch über die sozialen Medien bekannt gegeben. «Von ganz vielen unserer Kunden haben wir E-Mail-Adressen. Darüber wird auch informiert, wenn das Feld geschlossen ist oder die Hauptsaison startet. «Manche Kundinnen und Kunden kamen einmal pro Saison und nahmen gleich zwölf Kilo mit», sagt Tamara Regez. «Andere kamen fast jeden Tag und nahmen dafür kleinere Mengen mit.» Am Sonntag war meist Hochbetrieb. «Wir wurden regelrecht überrannt. Viele holten sich frische Erdbeeren zum Dessert», sagt sie. Dann kam es vor, dass gewartet werden musste, bis eine der 75 Reihen auf dem ein Hektar grossen Feld wieder frei wurde. «Es waren zuweilen bis zu 50 Autos vor Ort. Dann mussten wir einen Parkdienst und auch schon ein Einbahnregime einrichten, um Chaos zu vermeiden. Zu Spitzenzeiten waren bis zu fünf Personen unserer Familie im Einsatz.» Pro Saison wurde von der Kundschaft bis zu 10 000 Kilo Erdbeeren geerntet. Tamara Regez war die letzten 15 Jahren für das Wägen der gesammelten Erdbeeren und für die Kasse verantwortlich. Die drei Töchter Natalie, Raja und Isabel halfen in der Erdbeersaison nach der Schule oder am Wochenende mit. David Regez sagt: «Ich hänge aber sehr am Erdbeerfeld. Ich kenne seit meiner Kindheit nichts anderes. Für mich sind unsere eigenen Erdbeeren die besten.» Damit er nächstes Jahr nicht ganz auf Entzug kommt, will er in diesem Monat noch eine Reihe für sich privat pflanzen. «Ich werde die vielen netten Gespräche und Kontakte mit der Kundschaft vermissen», so Tamara Regez. Zuweilen habe sie auch Kundschaft nach Hause gefahren, wenn das Auto nicht ansprang. Im Matsch steckengebliebene Autos wurden mit dem Traktor herausgezogen. Einmal kam sogar ein Metall-Detektor zum Einsatz, als eine Kundin ihren Ehering vermisste. Gefunden wurde dieser nicht auf dem Feld, sondern im Bad der Kundin. Kommen bei der Familie Regez immer noch Erdbeeren auf den Tisch? «Ich selbst esse Erdbeeren erst, seit ich mit meinem Mann zusammen bin. Er hat mir, zur ersten Verabredung Erdbeeren vom elterlichen Betrieb mitgebracht», erzählt sie. Und das hat gefruchtet. Sie heiratete David Regez vor 20 Jahren und zog vom Bündnerland nach Stetten.
Warum die Erdbeere eine Nuss ist
Sie sieht aus wie eine Beere, schmeckt wie eine Beere. Botanisch gesehen ist sie aber eine Sammelnussfrucht. Die eigentlichen Früchte sind die gelbgrünen winzigen Nüsschen auf der Beere. Bereits in der Jungsteinzeit gab es Walderdbeeren. Bis ins Mittelalter blieben die Früchte klein. Bei der Entdeckung Amerikas fanden französische Siedler dort die Scharlacherdbeere. Diese Beere war grösser als die in Europa heimische Erdbeere. Fançois Amédée machte Anfang des 18. Jahrhunderts in Chile einen sensationellen Fund. Diese Erdbeeren hatten die Grösse von Hühnereiern. Leider setzten die mitgebrachten Pflanzen in Europa kaum Früchte an. Um 1750 gelang es in Holland eine neue Erdbeere – eine Mischung aus der chilenischen Erdbeere und der Scharlacherdbeere – zu züchten. Diese Züchtung bildet bis heute die Stammform unserer Gartenerdbeere.
Debora Gattlen
Erdbeer-Sabayon
(Rezept für 2 Personen)
150 Erdbeeren oder andere Beeren
2 Eigelb
20 g Puderzucker
20 g Zucker
1 1/4 dl Rahm
1. Die Erdbeeren pürieren
2. Eigelbe, Puderzucker und Zucker in eine Schüssel geben. Diese in ein heisses, aber nicht kochendes Wasserbad stellen. Die Zutaten mit einem Schwingbesen kräftig aufschlagen bis eine helle, schaumige Crème entsteht.
3. Den Rahm steif schlagen. Diesen sorgfältig unter die ausgekühlte Crème ziehen. Im Anschluss das Erdbeerpüree darunterheben. Das Sabayon in Coupgläser füllen, mit Minze und/oder in Scheiben geschnittenen Erdbeeren dekorieren.