Nur aus guten Früchten wird perfekter Schnaps
01.09.2023 Stetten, Region ReusstalDie Traditions-Brennerei Humbel ist spezialisiert auf klassische und innovative Obstbrände. Die Früchte stammen teils aus eigenem Anbau
Bei Humbel in Stetten wird schon in der 4. Generation gebrannt. Die Früchte für die feinen Obstbrände stammen von ...
Die Traditions-Brennerei Humbel ist spezialisiert auf klassische und innovative Obstbrände. Die Früchte stammen teils aus eigenem Anbau
Bei Humbel in Stetten wird schon in der 4. Generation gebrannt. Die Früchte für die feinen Obstbrände stammen von ausgewählten Schweizer Betrieben – und aus dem Anbau von Beat Humbel, dessen Obstwiesen gleich hinter der Brennerei liegen.
Auf dem Brennereigelände herrscht reges Treiben. Gerade werden die Williams-Birnen angeliefert, die erst heute Morgen frisch geerntet wurden. Weit hatten sie es nicht: Die Obstwiese liegt keine 50 Meter entfernt, gleich hinter der Brennerei. Der Obstgarten gehört zur Landwirtschaft von Beat Humbel, dem Cousin von Brennerei-Chef Lorenz Humbel. Dessen Sohn Luis ist wiederum der aktuelle Brennmeister: «Wenn wir beim Schnaps eine gute Qualität haben möchten, muss man gute Früchte haben und sofort einmaischen können», erklärt Luis Humbel, den ich im Verkaufsraum der Brennerei treffe. Beat Humbel, der wenig später zu uns stösst, war selbst jahrzehntelang Brennmeister im Familienbetrieb. Er drückt es in Zahlen aus: «Bei einem guten Schnaps sind 80 Prozent die Frucht, zehn Prozent das Einmaischen und zehn Prozent der Brennvorgang selbst», sagt er. Rund fünf Prozent der Früchte für die bei Humbel gebrannten Destillate stammen aus seinem 4,5 Hektar grossen Obst- und Rebanbau. Dort kultiviert er roten Gravensteiner, gelbe und rote Williams-Birnen, Quitten, Löhrpflaumen, Holunder und Muskat bleu-Trauben.
Symbiose der beiden Betriebe
Die Zusammenarbeit zwischen Lorenz und Beat Humbel ist im wahrsten Sinne des Wortes fruchtbar. Weil die Brennerei der Hauptabnehmer ist, richtet sich der Obstanbau nicht selten nach deren Bedürfnissen: «Die Impulse sind vielfach von der Brennerei gekommen», erzählt Beat Humbel: «Ich hatte vor 32 Jahren fünf Reihen gelbe Williams angepflanzt. Nach zehn Jahren ist Lorenz gekommen und hat gesagt: mach doch noch zwei Reihen rote Williams». Auch dass er 2012 auf Bioanbau umgestellt habe, sei auf Anraten der Brennerei zustande gekommen. Denn die Kundschaft wünscht es heutzutage so: «Bio ist die Zukunft. Es geht um Nachhaltigkeit», bestätigt Luis Humbel. Nachhaltig ist die Zusammenarbeit der beiden Betriebe ausserdem noch in anderer Hinsicht. So kann Beat Humbel die sogenannte «Schlempe», die nach dem Brennvorgang übrigbleibt, im Anschluss als Dünger auf seinen Feldern verwenden. Auch bei den anderen Schweizer Zulieferern, die überwiegend aus der Westschweiz und dem Wallis stammen, achte man auf besondere Qualität, ergänzt Luis Humbel: «Es müssen gesunde Früchte sein, gut ausgereift und ohne Blätter oder Stiele», fasst er zusammen. Denn im Gegensatz zum Obst, das im Laden verkauft wird und noch längere Zeit lagerungsfähig sein muss, dürfen die für den Brand bestimmten Früchte länger reifen: «Wir lassen die Früchte länger hängen, damit wir mehr Aroma bekommen. Sie sind schön ausgereift, damit wir eine grosse Menge Zucker haben», erklärt Beat Humbel. Andererseits dürften die Früchte jedoch nicht zu lange am Baum bleiben, da sie sonst teigig würden. Der richtige Erntezeitpunkt sei das A und O – und gleichzeitig auch eine Herausforderung, für die es das richtige Bauchgefühl brauche. Denn jede Frucht hat eine andere Erntezeit: «Wir fangen mit der Ernte Mitte August an und es geht bis Ende Oktober. Die Quitten sind die letzten, die geernet werden», berichtet der Landwirt. Doch nicht jede Frucht am Baum ist auch zur selben Zeit reif. Daher müssten die Arbeiter teilweise mehrmals durch die Reihen gehen. Ein grosser Aufwand, zumal das Kernobst komplett von Hand gepflückt wird: «Wir lesen nichts vom Boden auf», betont Humbel. Das Steinobst werde zwar nicht gepflückt, sondern vom Baum geschüttelt, lande aber ebenfalls nicht auf dem Boden, sondern werde in speziellen Netzen aufgefangen. Natürlich herrschen in der Natur nicht in jedem Jahr gleich gute Bedingungen für die Pflanzen und die Ernte. Alternanz heisst das im Fachjargon. «Dieses Jahr war ein schwieriges Jahr im Obstbau: Im Frühling ist es nasskalt gewesen und die Bienen sind nicht geflogen während der Blütezeit», erklärt Beat Humbel. Auch für das Endprodukt, also den Schnaps, gibt es unterschiedlich gute Wetterverhältnisse: «Besonders gut für das Aroma ist es, wenn die Nächte im Herbst kalt sind und die Tage warm», so der pensionierte Brennmeister.
Kurze Wege sind optimal
Selbst wenn eine gute Frucht der entscheidende Faktor für die Qualität ist: Bis zum fertigen Schnaps ist es nach der Ernte noch ein langer Weg. Zunächst muss es aber schnell gehen: «Das Steinobst wird noch am gleichen Tag eingemaischt. Die kurzen Wege sind da optimal», sagt Luis Humbel. Und auch das Obst, welches von anderen Schweizer Produzenten zur Brennerei gelangt, wird innerhalb weniger Tage verarbeitet: «Bei den Kirschen haben wir eigene Sammelstellen. Die gehen wir jeden zweiten Tag abholen. So können wir garantieren, dass alles frisch zu uns kommt», so Humbel. Beim Einmaischen des – je nach Sorte – gequetschten oder gehäckselten Obstes werden Säure und Hefe zugegeben: «Durch die Säure wird der PH-Wert gesenkt. So hemmen wir die Bakterienvermehrung, sonst können sich Essigsäure oder Schimmel bilden», erklärt der Brennmeister. Die Hefe verwandle den Fruchtzucker schliesslich in Alkohol. Drei bis vier Wochen dauert der Gärungsprozess in den Fässern und Tanks, in denen jährlich durchschnittlich 500 Tonnen Früchte verarbeitet werden. Bis zu 35 000 Liter reiner Alkohol würden in der Brennerei jährlich produziert, rechnet Luis Humbel vor. Wobei der fertige Schnaps natürlich deutlich weniger Prozentvolumen hat: «Zwischen 40 und 43 Prozent schmeckt man das Aroma am besten», weiss Humbel. Man dürfe daher nicht zu scharf brennen, denn je höher der Alkoholanteil, umso neutraler sei der Geschmack des Schnapses, der aus Ethanol, Aroma und Wasser besteht. Die benötigte Menge an Früchten, die für einen Liter Obstbrand benötigt wird, ist bei den Sorten übrigens sehr unterschiedlich. «Für einen Liter Kirsch braucht es 6,6 Kilogramm Kirschen», sagt Beat Humbel. Beim Williams seien es 13 und beim Holunderschnaps gar 20 Kilogramm. Verwendet werden die Früchte aus eigenem Anbau vorwiegend für die besonders hochwertigen sortenreinen Brände, die bei Humbel vor 25 Jahren eingeführt wurden und traditionell an den durchnumerierten Etiketten erkennbar sind. Aber auch in der modernen Obstbrand-Barlinie «xTra» steckt delikater Williams oder die liebliche Muscatbleu-Traube. Wie sagt Luis Humbel mit Blick auf das umfangreiche Sortiment: «Da ist für jeden etwas dabei.»
Michael Lux




