Sie kommuniziert mit Babys dank Babyzeichen
27.10.2023 Oberrohrdorf-Staretschwil, Region RohrdorferbergAls ihren kleinen Kindern die Worte fehlten, begann Stephanie Jost mit Zeichen und Gebärden mit ihnen zu kommunizieren
Stephanie Jost war kritisch, neugierig und schliesslich fasziniert. Sie zeigte ihren Kindern die Babyzeichen für «Milch», «mehr» oder ...
Als ihren kleinen Kindern die Worte fehlten, begann Stephanie Jost mit Zeichen und Gebärden mit ihnen zu kommunizieren
Stephanie Jost war kritisch, neugierig und schliesslich fasziniert. Sie zeigte ihren Kindern die Babyzeichen für «Milch», «mehr» oder «wo». Heute leitet sie dazu Kurse.
Inzwischen können alle drei Kinder von Stephanie Jost sprechen. Die 8-Jährige ohnehin, auch die 4-Jährige und selbst der 2-Jährige verfügen über einen grossen Wortschatz. Kommunizieren konnten die Kinder mit ihren Eltern aber schon, als sie nur wenige Laute kannten. Mit Handzeichen zeigten sie, was sie wollten, was sie bedrückte oder was ihnen fehlte. Mal war es Milch, mal Schokolade; sie hatten Angst oder sie fragten nach ihrem Teddy. Früh sei es ihnen auf diese Weise gelungen, die nonverbale Phase zu überbrücken und sich verständlich zu machen, meint die Mutter. «Wir wussten, was unsere Kinder brauchten.» Mittels Gebärden hätten sie miteinander kommunizieren können.
«Das braucht es doch nicht?»
Wie aber kamen ihre Kinder zu den Zeichen? Und warum bemühten sich Stephanie Jost und ihr Mann darum, sie ihnen beizubringen? Jost erzählt, dass sie nach der Geburt ihrer ältesten Tochter über eine «Facebook-Gruppe» von der Babyzeichensprache erfahren habe. Reflexartig habe sie zunächst gedacht: «Das braucht es doch nicht?» Die Neugier aber war grösser. Sie habe schliesslich, gemeinsam mit ihrem Mann, an einem Workshop teilgenommen. Josts älteste Tochter war damals gerade mal sechs Monate alt. In diesem Workshop lernten die Eltern die Babyzeichensprache. Dabei handelt es sich um einfache Zeichen, angelehnt an die deutsche Gebärdensprache. Dem Betrachtenden erschliessen sich manche intuitiv: Etwa die Gebärden für «essen», «schlafen», «lieb haben, kuscheln» oder für «Ende, fertig». Andere sind abstrakter, müssen in konkreten Situationen immer wieder erlebt und bestätigt werden: Zum Beispiel das Zeichen für «mehr, nochmals». Diese Zeichen können einem Baby, wenn es etwa sechs Monate alt ist, parallel zum gesprochenen Wort gezeigt werden.
Es sei wichtig, betont Stephanie Jost, die Inhalte – zum Beispiel «Licht» – sowohl auszusprechen als auch zu zeigen, also die Sinne Hören und Sehen gleichzeitig anzusprechen: «Weil sich die Babyzeichensprache in erster Linie an Hörende richtet.»
Mit gut neun Monaten konnte Josts Tochter zeigen, dass sie beispielsweise «Milch» oder «mehr» wollte, auch das Zeichen für «Licht» war ihr geläufig. Unverständliches Quengeln wurde dank des zusätzlichen Kommunikationskanals in vielen Fällen vermieden. Das Mädchen konnte sich ausdrücken und verständlich machen. Die Eltern wiederum erlebten es als Bereicherung, dass sich ihr Kind mitteilen und auf einfache Art auch von Erlebnissen erzählen konnte. «Das Kind», sagt Jost, «wird in seinem Bedürfnis wahrgenommen und bestätigt.»
Babyzeichen sollen Spass machen
Beim Erlernen der Sprache sei die nonverbale Phase der Zeichensprache lediglich eine sehr kurze Phase, sagt Stephanie Jost. Die Architektin, die bis zur Geburt der zweiten Tochter auf ihrem Beruf arbeitete, hat dadurch aber zur Logopädie gefunden. Nach den positiven Erfahrungen mit ihren eigenen Kindern, gab sie zunächst Kurse in Babyzeichensprache, leitete auch Workshops und studiert inzwischen seit einem Jahr Logopädie. Für Stephanie Jost stellt die Babyzeichensprache ganz klar ein Kommunikationsmittel zur Überbrückung der nonverbalen Phase dar. «Wenn sich ein Kind nicht ausdrücken, nicht kommunizieren kann, berührt mich das noch heute», sagt sie. Es tue ihr fast weh. Sie sagt aber auch: «Diese Art von Kommunikation ist kein Müssen. Eltern sollen die Babyzeichensprache nur anwenden, wenn sie ihnen Spass macht.»
Tatsächlich sind Babys und Kleinkinder fähig, Gebärden und Gesten zu verwenden, bevor sie sich verbal äussern können: Die Hand-Augen-Koordination entwickelt sich wesentlich früher als die Mundmotorik. Ziel sei aber nicht, ergänzt Jost, dass die Kinder früher sprechen können. Vielmehr sollen sie einen positiven Zugang zur Kommunikation erhalten und schon früh einen aktiven Part übernehmen.
Heidi Hess