Hirsche zurück – Wald gerät unter Druck
26.03.2024 Birrhard, Region ReusstalIm Forstbetrieb Birretholz ist der Hirsch zurück. Die Rückkehr hat ihre Schattenseiten
Der König der Wälder ist zurück. Nicht alle sind über die majestätische Erscheinung erfreut. Der unter Schutz stehende Hirsch verursacht Schäden an Wald und ...
Im Forstbetrieb Birretholz ist der Hirsch zurück. Die Rückkehr hat ihre Schattenseiten
Der König der Wälder ist zurück. Nicht alle sind über die majestätische Erscheinung erfreut. Der unter Schutz stehende Hirsch verursacht Schäden an Wald und Ackerkulturen. Was fehlt, ist der natürliche Feind: der Wolf.
Der Rothirsch galt während fast 150 Jahren im Mittelland als ausgerottet. Lange Zeit war er nur noch in abgelegenen Gebieten der Alpen anzutreffen. Doch seit einigen Jahren drängen Hirsche immer stärker ins dicht besiedelte Flachland vor – inklusive Anpassung an den Menschen. Seit 2015 ist er auch wieder im Forstbetrieb Birretholz beheimatet. Das hat auch Schattenseiten – die Verjüngung des Waldes kann nicht mehr im erforderlichen Umfang sichergestellt werden. Der König des Waldes macht sich über frisch aufgeforstete Bäume und die Naturverjüngung her. Auch bauliche Massnahmen halten ihn nicht ab.
Hirsch frisst Förderungsgeld auf
Der Forstbetrieb Birretholz liegt mitten in einem Wildtierkorridor, welcher von nationaler Bedeutung ist. Um den Wald für künftige Generationen und Waldtiere zu erhalten, wird nicht nur auf Naturverjüngung des Waldes gesetzt. In Zeiten des Klimawandels werden gezielt Baumarten gefördert. Eichen und Douglasien eigenen sich besonders gut. Damit die jungen Bäume vor Wildfrass geschützt sind, wurden sie bis anhin mit einer 1,20 Meter hohen Manschette für Rehe versehen. Doch mit der Rückkehr des Hirsches sind diese nicht mehr wirksam. Da der Hirschstier stolze zwei Meter aufweist, müssen diese neu 1,80 Meter hoch sein. Doch auch die Ummantelung der Bäume mit höherem Wildtierschutz, kann der schlaue Waldbewohner mit seinem Gewicht aushebeln. Er knickt die kleinen Bäume kurzerhand um und frisst dann die Rinde an der Krone ab. «Bei uns im Revier kommen verschiedene Schutzmassnahmen zum Einsatz und werden zusammen mit dem Kanton erforscht», führt Markus Lüthy, Betriebsleiter Forstbetrieb Birretholz, aus.
Das Forstteam erstellte auch Umzäunungen aus Dachlatten. Mit 200 kg Lebendgewicht stellen diese Einzäunungen für einen Hirsch ebenfalls kein Hindernis dar. «Leider beschädigt der Hirsch vor allem Jungbäume wie Eichen, Linden und Douglasien», sagt Markus Lüthy. «Dadurch wird auch das Förderungsprojekt vom Kanton zunichte gemacht.» Auf einer Lichtung ist das Ausmass bereits zu sehen. Fast jeder frisch gepflanzte Baum ist durch Hirschfrass beschädigt, sie werden komplett absterben. Der Hirsch ist ein Gourmet. Ihm schmecken Baumarten, welche mit dem Klimawandel gut zurechtkommen, am besten. Fichten und Buchen meidet er häufig.
Hirschrudel im Staatswald gesichtet
«Es sind bis zu drei Tiere mit der Wildtierkamera gesichtet worden», so Lüthy. Im Staatswald in Mellingen wurde gar ein Rudel mit 16 Tieren gesichtet. Die Schäden, die die Hirsche verursachen, sind an vielen Orten im Forstbetrieb zu sehen. «Da natürliche Feinde wie der Wolf und der Luchs bei uns fehlen, braucht es eine gezielte Bejagung einzelner Tiere», so Lüthy.
Da im Birretholz im Gegensatz zu Melligen, Wohlenschwil und Mägenwil die zuständigen Jagdreviere aber nicht zu einem übergreifenden Jagdverbund (Hegering) zusammengeschlossen sind, fehlt bis anhin die Grundlage für einen Abschuss. «Eine gezielte Bejagung fördert die natürliche Zirkulation zwischen Revieren. Auf diese Weise könnte sich der Wald wieder erholen», so Lüthy. Ohne Bejagung würden sie aber an einem Ort bleiben. «Ohne natürlichen Feind und ohne Bejagung leidet die Artenvielfalt im Wald», sagt er. «Teilweise werden seltene Baumarten verschwinden.»
Im Forstrevier wird zurzeit die Artenvermehrung des Waldes mit und ohne Beäsung von Wild erforscht. Eingezäunte Versuchsfelder wurden angelegt. Die Erkenntnisse sollen Daten liefern, wie in der Zukunft der Wald nachhaltig und trotzdem mit wenig zusätzlichem Aufwand gegen Wildverbiss geschützt werden kann.
Debora Gattlen