Viele freuen sich, nur die Lerche nicht
15.03.2024 Region ReusstalBirrfeld: Das Argovia-Beizli-Fäscht findet dort statt, wo so viele Feldlerchen brüten, wie sonst nirgends im Aargau
Am falschen Ort, zur falschen Zeit: Vogelschützer sind entsetzt. Dort, wo im Juni viele Feldlerchen in Nestern auf dem Boden brüten, sollen Partyzelte ...
Birrfeld: Das Argovia-Beizli-Fäscht findet dort statt, wo so viele Feldlerchen brüten, wie sonst nirgends im Aargau
Am falschen Ort, zur falschen Zeit: Vogelschützer sind entsetzt. Dort, wo im Juni viele Feldlerchen in Nestern auf dem Boden brüten, sollen Partyzelte aufgestellt werden. Für die Lerche wird das Argovia-Beizli-Fäscht zur «ökologischen Falle».
Am 22. Juni wird im Birrfeld das Argovia-Beizli-Fäscht steigen. Rund 4000 Besuchende werden abends zwischen 16 und 3 Uhr erwartet. Das sind weniger als 2022, wo Anfang Juni drei Tage lang 40 000 Menschen beim Argovia-Fäscht feierten. 2023 wurde dieses Fest nach Wohlen verlegt. 2024 fällt die grosse Party aus. In der kleinen Variante aber kehrt sie als Argovia-Beizli-Fäscht aufs ursprüngliche Gelände im Birrfeld zurück. «Wir wollen auf die besondere Atmosphäre, mitten in der Natur ein gutes Fest zu feiern, auch 2024 nicht verzichten», heisst es auf den Webseiten von Radio Argovia und Argovia Today. «Ein kleines Partydorf wird für einen Abend entstehen.» – Viele dürften sich freuen.
«Im Juni, mitten in der Brutzeit»
Nur eine nicht: Die Feldlerche im Birrfeld. Sie brütet dort von Mitte April bis Mitte August, liebt das offene Ackerland mit Lücken und «Lerchenfenstern», wo die Bodenbrüterin ihre Eier in kleine Mulden legt. Von einem «Vorzugsgebiet» schreibt der Kanton Aargau auf Tafeln, die am Feldrand stehen, und pflegt zugunsten der gefährdeten Vogelart im Rahmen eines Förderprojektes die Zusammenarbeit mit Landwirtinnen und Landwirten.
Feldlerchenexpertin Judith Zellweger, Artenverantwortliche in der Schweiz, arbeitet bei der Vogelwarte Sempach. Sie wurde vom Kanton im Rahmen des Förderprojekts als Ansprechpartnerin angefragt. Im Frühling 2023 zählte die Ornithologin im Birrfeld 22 Sänger – nur die männlichen Feldlerchen singen. Im besten Fall befinden sich dort ebenso viele Nester. «Im Juni befindet sich die Feldlerche noch mitten in der Brutzeit», sagt die Expertin. «Wäre nicht auch ein anderer Standort für das Fest möglich gewesen?»
Zellweger: «Ökologische Falle»
Gerade im südlichen Teil, auf Gemeindegebiet von Birrhard, seien vergangenes Jahr die meisten Feldlerchen gezählt worden. Problematisch sei der geplante Anlass, weil die Vögel als Bodenbrüter die ganze Brutzeit benötigen: «Die Feldlerche kann nicht ausweichen.» Man spreche unter solchen Umständen von einer «ökologischen Falle». «Die Lerche beginnt zu brüten und dann kommt das Messer.» Sie hätte schon erwartet, sagt Zellweger, dass Veranstalter und Behörden mit ihr Rücksprache genommen hätten, bevor der Anlass bewilligt wird.
«Gebiete im nördlichen Teil des Birrfeldes wären geeigneter gewesen», sagt sie. Ausserdem sollte das Fest später im Jahr stattfinden, weil die Vögel dann besser ausweichen könnten.
Verschieben, nicht verhindern
Birdlife Aargau doppelt in einer Medienmitteilung nach: «Birdlife Aargau erfuhr aus der Zeitung, dass dieses Jahr das Argovia-Beizli-Fäscht wieder im Birrfeld stattfinden soll. Das Birrfeld ist das letzte grössere Brutgebiet der Feldlerche im Aargau.» Die Feldlerchen würden dort seit Jahrzehnten brüten. Gefährdet seien sie im Kulturland als Bodenbrüter und auch wegen der intensiven Landwirtschaft. «Um einen Bestand stabil zu halten, braucht die Lerche zwei Bruten in der Zeit von Mitte April bis Mitte August.» Nach dem Argovia Fäscht 2022, an welchem gesperrte Feldwege begangen und befahren worden seien, Absperrungen umgeworfen oder auf die Seite gestellt, wo private Partys am Feldrand stattgefunden hätten und Getränkedepots in den Feldern dokumentiert wurden, hätten sich alle Beteiligten zusammengesetzt, um eine Lösung zu finden. «Es ging nicht um Verhinderung, sondern um Verschiebung in den Spätsommer oder einen Austragungsort im nördlichen Birrfeld», betont auch Birdlife Aargau. «Darauf wollte CH-Media nicht eingehen.» Weil auch die Gemeinde Lupfig die Bewilligung für 2023 nicht mehr erteilte, wurde das Fest nach Wohlen verlegt.
Nun gab dieses Jahr Birrhard die Einwilligung für das Fest auf seinem Gemeindegebiet, im Strossacher. Das Thema Feldlerche werde hoch gespielt, sagt auf Anfrage Gemeindeammann Daniel Knappe, der vom kantonalen Förderprojekt weiss. Jeder Entscheid sei auch ein Abwägen. Und dieses Stück Land, meint er, werde landwirtschaftlich intensiv genutzt.
Heidi Hess