Warum sie «Ja» sagen zum Ende der Modellstadt
01.03.2024 Region ReusstalDas 2020 gestartete Projekt Modellstadt wird beendet. Was bedeutet das für die Gemeinden Birmenstorf, Fislisbach und Mellingen?
Im Bezirk Baden wurde das Projekt Modellstadt beendet. Das bedauert Peter Huber, weil das Fernziel eigentlich Fusion lauten sollte. Auf Kooperation werden die ...
Das 2020 gestartete Projekt Modellstadt wird beendet. Was bedeutet das für die Gemeinden Birmenstorf, Fislisbach und Mellingen?
Im Bezirk Baden wurde das Projekt Modellstadt beendet. Das bedauert Peter Huber, weil das Fernziel eigentlich Fusion lauten sollte. Auf Kooperation werden die Gemeinden aber auch in Zukunft setzen.
Das Projekt Modellstadt wurde beendet», so der Titel einer Medienmitteilung, die vergangene Woche veröffentlicht wurde. Betroffen sind im Einzugsgebiet des «Reussbote» Birmenstorf, Fislisbach und Mellingen. Sie zählen zu den neun Gemeinden, die sich bis zuletzt am Projekt Modellstadt beteiligten. 13 von 26 Gemeinden im Bezirk Baden waren es beim Projektstart im Jahr 2020 – damals auch noch mit Mägenwil und Oberrohrdorf, die aber früher ausgestiegen sind.
«Modellstadt Baden» zählte mit allen beteiligten Gemeinden 95 000 Einwohnerinnen und Einwohner. «Ein grosses Volumen, viel Power in einer wirtschaftsstarken Region», bringt es der Fislisbacher Gemeindeammann Peter Huber auf den Punkt. Aus seiner Sicht hätte es sich gelohnt, in diesem Umfeld viel intensiver über Fusion zu diskutieren – mindestens als Fernziel, betont er. Diesen Begriff aber habe man gescheut, bedauert Huber. Das Projekt Modellstadt bezweckte gemeindeübergreifend die Erarbeitung in Themenbereichen wie «Behörden, Verwaltung und Organisation», «Finanzen», «Gesundheit, Gesellschaft, Soziales» oder «Siedlungsentwicklung, Raumplanung und Mobilität». Teilprojekte wurden erfolgreich umgesetzt. Dazu zählt etwa die gemeinsame Flüchtlingsbetreuung mit einer regionalen Lösung für die Betreuung der Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Sie wurde parallel zu den wachsenden Flüchtlingsströmen aufgrund des Ukraine-Kriegs eingeführt. Dazu gehört auch das Projekt Talent-Pool, das Synergien im Personalwesen erleichtert: Während der Lehre profitieren beispielsweise Lernende vom Austausch zwischen Gemeinden und dem Netzwerk der Bildungsverantwortlichen. Laut Mitteilung wurde der Entscheid zur Auflösung einstimmig gefällt: «Die Modellstadt hat vorderhand ihr Ziel erreicht».
«Der Ansatz war eigentlich gut»
Der «Reussbote» fragte Peter Huber, Györgyi Schaeffer und Marianne Stänz, alle drei als Gemeindeammann ins Projekt involviert, nach ihrer Bilanz aus dieser Zusammenarbeit.
◆ Bedauern Sie das Ende der Zusammenarbeit im Projekt Modellstadt?
Györgyi Schaeffer: Nein. Das war sinnvoll. Wir erlebten stets gute und konstruktive Sitzungen. Es wurden verschiedenste Themen angegangen wie etwa die Finanzen, Schule, IT, Flüchtlingsbetreuung, Steueramt oder auch der Fachkräftemangel. Generell fand ich den Austausch sehr wertvoll: das gemeinsame Brainstorming und die gegenseitige Unterstützung. Aktuell braucht es diese Art der Zusammenarbeit aber nicht.
Marianne Stänz: Es ist nicht meine Art, bedauernd rückwärts zu schauen. Die regelmässigen Treffen unter Gemeindeammännern haben in den letzten Jahren eine grosse Vertrauensbasis geschaffen. Modellstadt war für mich aber immer ein Projekt; und Projekte sind irgendwann beendet. Insofern ist es richtig, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen.
Peter Huber: Grundsätzlich ja, weil es sich um ein zukunftsgerichtetes Projekt handelte – der Ansatz Projekt Modellstadt war eigentlich gut. Ich gehe auch davon aus, dass wir diese Idee irgendwann wieder aufnehmen. Es bringt jedoch nichts, ein solches Projekt weiter zu verfolgen, wenn das Fernziel nicht «Fusion» lautet. Wir arbeiteten eigentlich immer an Projekten, nie an der Entwicklung einer Modellstadt. Unter diesen Umständen erachte ich die Auflösung als folgerichtig.
◆ Wie hat Ihre Gemeinde von der Zusammenarbeit profitiert?
Stänz: Wir arbeiteten aktiv bei allen Themen mit und ich lernte sehr viel. Konkret waren wir an der Erarbeitung der neuen regionalen Flüchtlingsbetreuung beteiligt. Ich bin unendlich froh, dass diese Betreuung im Frühjahr 2022 rechtzeitig bereit war, um die grosse Anzahl der Ukraine-Flüchtlinge zu betreuen.
Schaeffer: Mellingen profitierte von der Vernetzung der Gemeindeammänner in der Region. Dies ist aus meiner Sicht sehr wichtig, weil wir in vielen Bereichen «im gleichen Boot» sitzen. Die intensiven Diskussionen und gemeinsame Denkprozesse haben uns alle weitergebracht. Mittel- bis längerfristig werden wir zum Beispiel vom Talent-Pool profitieren, wenn es gelingt, gute Lernende nach dem Lehrabschluss für die Arbeit auf einer Gemeindeverwaltung zu gewinnen.
Huber: Auf der Ebene Gemeindepräsidium profitierten wir alle vom Austausch untereinander. Die Zusammenarbeit war stets grossartig. Sehr gute Resultate erzielten wir mit dem Aufbau der regionalen Flüchtlingsbetreuung – das geschah innert kurzer Zeit, in gerade mal sechs Monaten. Auch den Talent-Pool werte ich als Erfolg.
◆ Wie können Sie die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden künftig pflegen und fördern?
Huber: Seit langem und auch weiterhin arbeitet Fislisbach im Sozialwesen mit Niederrohrdorf sowie auch mit Remetschwil und Wohlenschwil sehr gut zusammen. Keine dieser Gemeinden war hingegen beim Projekt Modellstadt dabei. Zudem existiert mit dem Schulverband Mellingen-Wohlenschwil eine gut funktionierende Zusammenarbeit.
Stänz: Wir arbeiten in über einem Dutzend Themen mit anderen Gemeinden zusammen. Es ist ständige Aufgabe des Gemeinderats, regelmässig zu prüfen, ob gewisse Aufgaben der Gemeinde selbst gemacht oder ausgelagert werden. Sollte es Bedarf an Zusammenarbeit geben, werden wir sehr schnell mit den umliegenden Gemeinden eine Lösung suchen und finden. Wir wissen jetzt, wie das geht.
Schaeffer: Zusammenarbeit findet auch ausserhalb von Modellstadt statt. Wir führen verschiedene Verbände mit anderen Gemeinden wie etwa die ARA, den Schulverband oder den Planungsverband Baden Regio. Das Projekt Wasser 2035 ist ein gemeindeübergreifendes Vorhaben. Unser Zivilstandsamt, Steueramt und Betreibungsamt bedienen ebenfalls mehrere Gemeinden. – Vereinbart haben wir, dass die Modellstadt bei Bedarf aktiviert werden kann. Auch wenn sie formell nicht mehr besteht, wird sie eine Plattform für die Entwicklung allfälliger Kooperationen bleiben.
Heidi Hess