Geschichten von Mooren und Menschen
31.07.2024 Niederrohrdorf, Region RohrdorferbergDie Ortsbürger luden am Sonntag zu einer weiteren Wanderung entlang der Gemeindegrenzen ein. Das Interesse war gross
Der diesjährige Teil der Grenzwanderung führte von Holzrüti nach Vogelrüti. Dabei ging es weite Strecken durch den Wald und vorbei an den ...
Die Ortsbürger luden am Sonntag zu einer weiteren Wanderung entlang der Gemeindegrenzen ein. Das Interesse war gross
Der diesjährige Teil der Grenzwanderung führte von Holzrüti nach Vogelrüti. Dabei ging es weite Strecken durch den Wald und vorbei an den Naturschutzgebieten «Taumoos» und «Torfmoos».
Gefühlt kam das halbe Dorf zur Grenzwanderung. 70 Anmeldungen gab es im Voraus – fast doppelt soviel, wie im letzen Jahr, als die Wanderung von Niederrohrdorf nach Holzrüti und entlang des Mühlibachs führte. Aber nicht nur Alteingesessene kamen. Auch einige Neuzuzügler wie Erna und Livio Ravicini, die erst seit einem halben Jahr in Niederrohrdorf wohnen, waren mit von der Partie: «Wir finden das eine gute Idee», freuten sich die beiden. Für sie war es eine gute Gelegenheit, Dorf und Menschen kennenzulernen. Wegen der zahlreichen Anmeldungen wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine führte Kastor Vogler, die andere Alois Huser.
Nach kurzer Begrüssung durch Gemeinderat Justin Vogler, der gleichzeitig Präsident der Ortsbürgerkommission ist, übernahm Roman Notter den ersten Part der Führung. Er blickte zurück auf die Geschichte von Holzrüti, die eng mit der Geschichte seiner Familie verbunden ist. So tragen die beiden Wegkreuze von 1667 und 1808 das Familienwappen. 1837 erhielt ein Johann Georg Notter ausserdem die Erlaubis für eine erste Pintenwirtschaft. «Das alles ist früher bewaldet gewesen», erzählt Notter über den Ort, der im 13. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde. Nach den Rodungen der Vergangenheit sei man heute aber wieder soweit, Bäume zu setzen: «Die Geschichte wiederholt sich», sagte Notter, bevor es hinauf in den Wald ging.
Versteckte Spuren im Wald
Mitten im Wald stolpert man buchstäblich immer wieder über den Grenzverlauf zu Stetten: «Die Grenze ist früher im Wald besonders wichtig gewesen», erklärt Alois Huser. Wer genau hinschaue, erkenne noch heute den Grenzverlauf. Dieser wurde früher durch Grenzgräben oder sogar einen Grenzwall gekennzeichnet. Letzterer ist mit geschultem Auge noch im Waldboden zu erkennen: «Wir gehen jetzt ins Ausland nach Stetten», lacht Huser und macht einen grossen Schritt über eine Wurzel auf dem Weg. Anschliessend geht es zu den Moorgebieten – oder ins «Maas», wie die Einheimischen sagen. Es ist das Spezialgebiet von Albert Wickart, der in Stetten wohnt, sich aber als ehemaliger Präsident des Natur- und Vogelschutzvereins Niederrohrdorf seit Jahrzehnten für den Erhalt der Feuchtgebiete «Taumoos» und «Torfmoos» einsetzt.
Erbe des Reusstalgletschers
«In den letzten 150 Jahren sind 90 Prozent aller Moore verlorengegangen», erzählt er. Da sind Gebiete wie das «Taumoos», eines der letzten beiden Hochmoore im Kanton, ein besonderer Schatz. Das Taumoos sei vor 10 000 bis 15 000 Jahren entstanden als sich der Gletscher zurückzog und einen grossen See hinterliess. Was über Jahrtausende gewachsen ist, hätte der Mensch beinahe in wenigen Jahrzehnten zerstört, berichtet Wickart. Zwischen 1855 und 1920 wurde hier Torf gestochen, der zum Heizen gebraucht wurde. Eine Sünde, so Wickart, denn der Torf sei ein riesiger «CO2-Schlucker». Positive Auswirkungen hatte der menschliche Eingriff beim «Torfmoos», heute ein wichtiges Amphibienlaichgebiet, wie Alois Huser erläutert. Das Flachmoor ist durch den Abbau von Torf sowie Ried und Schilf entstanden. Letzteres benutzte man einst als Tierfutter oder Baumaterial. Ohne die Pflege durch den Menschen – und Kollege Biber – würde das Gebiet heute ganz anders aussehen.
Die letzte Station führt nach Vogelrüti. Dort hat Claudine Eichert jede Menge Anekdoten parat, die sie bei älteren Dorfbewohnern gesammelt hat. Lustiges, wie die beiden Nachbarn die sich das erste Radio im Dorf teilten, in dem der Besitzer es extra laut stellte. Oder Spannendes, wie das Fluchtauto der «Alfa-Bande», das ausgebrannt im Wald gefunden wurde. Aber auch Skurriles, wie die Überlieferung, dass man früher schon mal einen Dachs auf den Grill legte. Das ist heute zum Glück nicht mehr der Fall. Und so konnten sich die Teilnehmenden am Ende bei der Festwirtschaft auf dem Hof von Niklaus Peterhans bedenkenlos stärken.
Michael Lux