Edith Nielsen wuchs auf am Zürichsee, arbeitete im Buchhandel in Neuchâtel, London, Zürich und Davos, ferner als Sekretärin von Zirkus Knie, bei BBC und Sterk-Kinos, und war tätig für Terre des Hommes und Helvetas. Sie wohnt beim Hexenturm in ...
Edith Nielsen wuchs auf am Zürichsee, arbeitete im Buchhandel in Neuchâtel, London, Zürich und Davos, ferner als Sekretärin von Zirkus Knie, bei BBC und Sterk-Kinos, und war tätig für Terre des Hommes und Helvetas. Sie wohnt beim Hexenturm in Mellingen.
Nur ein Batzen
Im kürzlich erhaltenen Wechselgeld fiel mir ein Zehner auf, der extrem abgegriffen wirkte, dunkler, dünner und alt. Nanu! Die Prägung zeigte: 1929. Was dieser kleine Zehner alles erlebt haben mag? Auf jeden Fall das Ende der Goldenen Zwanzigerjahre, wobei er wohl weniger im ausgelassenen Nachtleben aufgetaucht sein mochte, bescheiden wie er war, als eher in engen, dunklen Gassen. Und natürlich erlebte er dann den darauffolgenden Börsencrash und die Wirtschaftskrise. Vielleicht wurde er umklammert von der Faust eines verzweifelten Vaters auf erfolgloser Arbeitssuche? Oder einem Kriegsverletzten in den Hut geworfen? Oder er ist im Beutel eines italienischen Gastarbeiters kurz vor Weihnachten bis ins Bahnhofbuffet von Chiasso gereist, hat dann im Tessin zirkuliert, um Ende Sommer mit den Betuchten, die aus Rimini zurückkehrten (noch war Thailand oder Ägypten kein Thema), wieder den Weg nach Norden zu finden.
Oder wer weiss, kam mein Zehner in ein entlegenes Bergdorf und wurde dort sorgsam zum Ersparten in die Blechbüchse gelegt? Als dann die nächste Generation sich endlich etwas leisten wollte und zu irgendeiner Gauklervorstellung ins Tal hinuntergestiegen war, dort später – um doch auch einmal dazu zu gehören – sich unter dem Stadtvolk noch ein Bierchen gönnte, wurde der Zehner zum Trinkgeld. Am meisten ins Rollen kam er wohl 1945, als der Weltkrieg zu Ende war. Dann blieb er lange bei einem Trödler liegen, wurde später bei einem Coiffeur gesichtet, kam in Kinderhände, die ihn im Schulhof für Kaugummi tauschten … Ja, so mag mein kleiner Zehner weit herumgekommen sein. Aber er hatte den Moment verpasst, als die Schweiz Ende der Sechziger neues Geld prägen liess und man noch bis Ende Jahr die alten Münzen bei der Bank umtauschte.
Ein «Batzen» war übrigens eine Silbermünze, die erstmals 1492 in Bern geprägt worden war, und den damaligen Wert von vier Kreuzern hatte. Lange später bekam dann der heutige Zehner diesen Namen. Interessant dabei: Die ältesten heute noch gültigen Münzen sind unsere Zehnräppler aus dem Jahr 1879. Und unter allen kursierenden Münzen sind sie weltweit (ausgezeichnet im «Guinness Buch der Rekorde») mit Abstand die ältesten, die heute noch mit gleichem Motiv und gleicher Prägung hergestellt werden.
Und ja, es gibt sie noch immer, die feinen «Zehnerstückli». Ich hole mir jetzt eins, auch wenn sie inzwischen bis zu 4 Franken 50 kosten.