Urs Heinz Aerni, aufgewachsen in Fislisbach, ist Journalist, Literatur- agent und Kulturvermittler. Oft ist er in der Natur – auch im Reusstal – anzu- treffen, wenn er als Feldornithologe für Vereine, Firmen und andere Gruppen mit allerhand Geschichten aus der ...
Urs Heinz Aerni, aufgewachsen in Fislisbach, ist Journalist, Literatur- agent und Kulturvermittler. Oft ist er in der Natur – auch im Reusstal – anzu- treffen, wenn er als Feldornithologe für Vereine, Firmen und andere Gruppen mit allerhand Geschichten aus der Vogelwelt unterwegs ist.
Nützlich?
Ein Journalist stellte einem Forscherpaar, das sich für die Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen engagiert, die Frage: «Sind die Bartgeier überhaupt nützlich?» Jetzt mal ehrlich, gibt es Tiere oder Pflanzen, die in der Natur eine überflüssige Rolle einnehmen? Der in alter Zeit als Lämmergeier verschriene Vogel wurde durch bildungsferne Alpenvölker ausgerottet, da dieser nebst jungen Schafen auch Kinder verschleppt haben soll. Heute wurde er nicht nur wieder erfolgreich angesiedelt, sondern man weiss auch mehr über ihn. Wie alle Geier hat auch er es ausschliesslich auf Aas abgesehen. Nicht nur auf Fleischreste ist er scharf, sondern er vertilgt blanke Knochen restlos. Diese machen 70 Prozent seiner Nahrung aus, verdaut und zersetzt von einem unempfindlichen Magen samt seinen Säuren.
Ohne innere Verletzung schluckt der Bartgeier bis 20 cm lange Knochen und sollten sie doch zu gross sein, dann lässt er sie auf Felsen fallen, bis sie splittern. Falls das Angebot den Bedarf nicht decken sollte, kann er mit seiner Flugkunst Tiere zum Absturz bringen, gegen Frischfleisch hat er nämlich nichts; allerdings sind solche Beobachtungen so sehr selten, dass sich die Wissenschaft darüber noch streitet. Der Bartgeier reguliert also das Steinwild und räumt erst noch bis zum letzten Knochen auf.
Und was gaben die Geier-Experten zur von dem obengenannten Journalisten als Antwort? «Vielleicht hat er nur einen Nutzen in sich selbst.» Und die Kollegin meint, dass die Bartgeier als «Flagships» benutzt werden, weil sie «viele Sympathien» genössen. Aha, wegen Sympathien schützen wir heute diesen Vogel, weil er in früheren Zeiten mal unsympathisch war?
Der Zeitgeist und die Aufklärung führen übrigens immer wieder zu Namensänderungen wie eben vom «Lämmergeier» zum «Bartgeier». Der «Ziegenmelker» heisst jetzt offiziell «Nachtschwalbe», da der Vogel die Ziegen nicht melkt. Und neu ist vom «Beutejäger» die Rede und nicht mehr vom «Raubvogel», da es sich hier beim Fressen von anderen Tieren nicht um einen Strafbestand handelt.
Kommen wir nochmals zurück auf die eingangs erwähnte Frage nach der «Nützlichkeit» von Tierarten. Stellen Sie sich vor, wenn die Natur plötzlich beginnen würde über die Nützlichkeit des Menschen nachzudenken!
Tipp: Der Naturschutzverein Tägerig lädt zur Abendexkursion mit Urs Heinz Aerni ein. Treffpunkt am 4. April um 18.30 Uhr beim Parkplatz der Mehrzweckhalle.