Toni, der Theaterliebhaber
Am Tag nach dem Norwegen-Spiel unserer EM-Frauen traf ich Sportsfreund Toni auf ein Bier. Niemals würde er ein Frauen-Fussballspiel schauen, hatte er noch vor ein paar Tagen behauptet. «Und», fragte ich ihn, «hast du von ...
Toni, der Theaterliebhaber
Am Tag nach dem Norwegen-Spiel unserer EM-Frauen traf ich Sportsfreund Toni auf ein Bier. Niemals würde er ein Frauen-Fussballspiel schauen, hatte er noch vor ein paar Tagen behauptet. «Und», fragte ich ihn, «hast du von der guten ersten Halbzeit der Schweizerinnen gehört?» Naja, er habe eine sehr kurze Zusammenfassung gesehen. «Die erste Hälfte ging ja noch, aber die zweite war der blanke Horror!» Da sehe man den Unterschied, die Männer hätten diesen Vorsprung locker über die Runden gebracht. Aber die Frauen seien einfach zu lieb und zu brav. «Sie sollten halt hie und da zeigen, wo Bartli den Most holt. Also mal mit einem zünftigen Foul oder mit Zeitspiel den Rhythmus des Gegners brechen. Eine Möglichkeit wäre auch, sich am Boden zu wälzen und zu simulieren!» Ich antwortete: «Um gute Schauspielkunst zu bewundern, gehe ich ins Theater oder ins Kino.»
Im Spiel gegen Island zeigten die Schweizerinnen, dass sie keine unfairen Mätzchen nötig haben, sondern mit Köpfchen, Kampfgeist und Qualität zum Erfolg kommen können. Als Zuschauer fieberte ich mit und verschwendete keine Sekunde mit der Frage, ob nun Männer oder Frauen auf dem Spielfeld herumrannten. Emotionen sind ja bekanntlich nicht geschlechtsspezifisch. Die Fussballfrauen begeisterten mich. In meinem Leben sah ich schon Hunderte von langweiligen Fussballmatchs. Spiele, bei denen die Akteure männlich waren.
Das alles werde ich mit Toni besprechen, wenn ich ihn nächstens wieder treffe. Mit oder ohne Bier.
Jean