Mit Argovia gibt es im Aargau viel zu entdecken
07.07.2023 Region ReusstalRegion: Auf das grosse Nachschlagewerk «Zeitgeschichte Aargau, 1950 bis 2000» folgt das Geschichtsmagazin «Aargau, eine Reise durch die Zeit»
Das neue Geschichtsmagazin ist eine Einladung zu einer Reise durch die Zeit, zu Legionären und zu Falknern, in Bäder ...
Region: Auf das grosse Nachschlagewerk «Zeitgeschichte Aargau, 1950 bis 2000» folgt das Geschichtsmagazin «Aargau, eine Reise durch die Zeit»
Das neue Geschichtsmagazin ist eine Einladung zu einer Reise durch die Zeit, zu Legionären und zu Falknern, in Bäder und ins Strohmuseum.
Für die letzten Meilen des Projekts Zeitgeschichte Aargau hat das Team um Fabian Furter und Patrick Zehnder noch einmal eine lange Reise unternommen. Es ist eine Tour, die viel weiter durch Raum und Zeit begleitet, als das 2021 erschienene Grundlagenwerk zur Kantonsgeschichte, das voluminös fünf Jahrzehnte von 1950 bis 2000 erforscht. Jetzt geht es «mitten durch Fabrikanlagen und immer weiter zurück auf die Habsburg, ins Legionslager nach Vindonissa und zu den Pfahlbauten im Hallwilersee». Es ist eine Zeitreise mit Stopps an Orten, wo sich im Aargau über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg Besonderes ereignet hat.
Als «illustrierte Kurzfassung der Kantonsgeschichte von den Gletschern bis heute», bezeichneten Fabian Furter und Patrick Zehnder, Co-Projektleiter von Zeitgeschichte Aargau, ihre Projektidee und gelangten damit im Frühjahr 2021 zu Jan Bollmann, Herausgeber des Reisemagazins «Transhelvetica». Bollmann war begeistert: «Das würden wir wahnsinnig gerne machen». Sie würden die Aargauer Geschichte zudem gerne erlebbar machen: «Etwa mit konkreten Ausflugstipps durch Zeit und Raum.»
Das war durchaus im Sinne der Projektleitung. «Wir wollen die Geschichte des Aargau über unseren Kanton hinaus bekannt machen, mit diesem Geschichtsheft auch ein breiteres Publikum erreichen», meint der Birmenstorfer Historiker Patrick Zehnder.
Eine fantastische Reisebegleiterin
Nun liegt die Aargauer Zeitreise als Geschichtsmagazin vor. Und es ist ganz offensichtlich: Sie passt perfekt in die Sommerferien, die im Aargau soeben beginnen. «Aargau, eine Reise durch die Zeit» ist ein Heft, leicht und unterhaltsam zu lesen – prima geeignet für die Lektüre am Strand. Sogar an eine Reisebegleitung haben die Macherinnen und Macher des Magazins gedacht. Mit von der Partie ist Argovia, ein fantastisches Wesen, ausgestattet mit Flügeln und Fernrohr, im zeitgemässen T-Shirt und mit traditionellem Rock. Sie richtet ihren Blick in die Vergangenheit, fährt mit den Lesenden in der Spanisch-Brötli-Bahn und begleitet sie auf einen Spaziergang in die jüdischen Dörfer Endingen und Lengnau. Argovia durchwandert Jahrhunderte und pflanzt schliesslich im Jahr 1150 auf einem Hügel als Wegmarke eine Linde. – Der mächtige Baum kann am Dorfrand von Linn noch heute bestaunt werden.
Stroh flechten in Tägerig
Auf ihrer Zeitreise legt Argovia Pausen ein. Und während sie rastet, werden Geschichten und Geschichte erzählt. «Wir suchten bei der Themenauswahl nach Besonderheiten, nach Geschichten, die für den Aargau typisch sind», sagt Zehnder. Etwa jene der Strohhüte aus «Chly Paris», wie Wohlen genannt wurde, als hier die Strohbarone zu Reichtum gelangten. Fabian Furter beschreibt in «Blauer Dunst und Stroh zu Gold» nicht nur die Geschichte der Tabakindustrie im Wynental, sondern auch jene der Hutgeflechtindustrie im Freiamt – zwei typische Beispiele der Aargauer Industrie. In Heimarbeit wurden seit den 1830er-Jahren im Freiamt Hüte für den globalen Modemarkt geflochten. «Auch in Tägerig oder Hägglingen entstanden Strohgeflechte in Heimarbeit», erklärt Historiker Zehnder. In Hägglingen findet man übrigens noch heute die Hutwerkstatt Risa. Und einer von mehreren Ausflugstipps führt in diesem Kapitel ins Strohmuseum nach Wohlen.
Kyburgerstädtchen Mellingen
Weitere Kapitel widmen sich dem «Beton-Kanton». Man erfährt vom holprigen Belag auf dem Aargauer Autobahnabschnitt, der erst mit einer Belagssanierung in den Nuller-Jahren verschwindet. Natürlich erhält die BBC in Baden, heute ABB, ein eigenes Kapitel. Die Arbeiter kommen auch aus dem Reusstal, viele leben am Rohrdorferberg. In den 1960er-Jahren baut die BBC in Birr eine riesige Werkhalle und in nächster Nähe eine Grosssiedlung mit Wohnungen für 1500 Menschen – Birrs Bevölkerung vervierfacht sich auf einen Schlag.
Die Geschichte der Jüdinnen und Juden im Surbtal kann anhand von Patrick Zehnders Notizen erwandert werden. Zu Fuss geht es von der Synagoge in Lengnau vorbei an Häusern mit Doppeltüren und dem Jüdischen Friedhof bis zur Endinger Synagoge. Ein ganzes Kapitel gehört dem Mittelalter: Es geht um Klöster und Kirchen, auch um Falken, um die Habsburger oder die Kyburger. Das Städtchen Mellingen taucht in einer Grafik auf, weil es neben Aarau, Bremgarten oder Zofingen eines von 13 mittelalterlichen Städten im Aargau ist. Von der Bäderstadt und vom Baden erzählt das Kapitel «Quell der Freude».
Eintauchen in die Epochen
Das Geschichtsmagazin ist sehr schön gestaltet und bebildert, Textpassagen werden mit Fotos, Grafiken und Illustrationen aufgelockert. Zu finden sind viele Ausflugstipps, noch mehr Tipps für Ferienlektüre und sogar ein Rezept aus dem Jahre 1903 für eine «Gelbrüeblitorte» – ob sie auch schmeckt? Die Lesenden tauchen in die unterschiedlichsten Epochen ein und ganz am Schluss sogar in den Hallwilersee. Patrick Zehnder begleitet nämlich im letzten Kapitel Unterwasserarchäologen, die im Oktober 2021 nach Überresten von Pfahlbauten tauchten. In einen Tauchanzug, der sogar beheizt wird, weil die Taucher lange im kalten Wasser ausharren, zwängte sich Zehnder nicht. Er blieb im Boot.
Heidi Hess
Ab morgen Samstag, 7. Juli, ist «Aargau, eine Reise durch die Zeit» (180 Seiten) bei Transhelvetica.ch oder im Buchhandel erhältlich.






