Als der Teich da war, kam der Eisvogel zu Besuch
28.03.2025 MellingenDas Projekt «Natur findet Stadt» geht weiter. Elisabeth Müller und Ursula Scherrer erzählen, was ihnen die Startberatung bescherte
«Grosses Kino» erleben zwei Mellingerinnen in ihrem Garten, seit sie sich für einheimische Pflanzen, für Steine und ...
Das Projekt «Natur findet Stadt» geht weiter. Elisabeth Müller und Ursula Scherrer erzählen, was ihnen die Startberatung bescherte
«Grosses Kino» erleben zwei Mellingerinnen in ihrem Garten, seit sie sich für einheimische Pflanzen, für Steine und einen Teich entschieden hatten. Den Garten an der Bahnhofstrasse besuchen Insekten, Amphibien und auch der Eisvogel schillerte hier mal in auffälligem Türkis.
Es plätschert, es summt und bald wird es in diesem Garten überall blühen. Auf der einen Seite liegt die Mellinger Bahnhofstrasse. Durchquert man den Wohnraum des Hauses Nummer 15, fällt der Blick in einen Garten, der das Idyll erahnen lässt, in das er sich bald verwandeln wird. Noch vor sechs Jahren sah es hier ganz anders aus. Hier waren Rasen, Forsythien, Schmetterlingsflieder und auch ein Hibiskus – alles Neophyten. Schöner Anblick, aber ohne Mehrwert für die Natur. Zudem fehlte der Teich und auch das monotone Plätschern, das offenbar auch die Nachbarn gerne hören.
Geschaffen haben diese Oase Elisabeth Müller und Ursula Scherrer. Die beiden geniessen ihre Terrasse sobald sich der erste, warme Sonnenstrahl zeigt. Sie beobachten dann die Frösche im Teich und schauen den Libellen nach, die übers Wasser schweben – manchmal werden sie sogar Zeuginnen, wenn ein Frosch eine Libelle verspeist. «Grosses Kino» sei es, was ihnen Insekten, Amphibien und Vögel bieten würden, sagen die beiden. «Seit das Wasser da ist, besuchte uns sogar mal ein Eisvogel.»
Erste Beratung als «Eisbrecher»
Wie aber kam es, dass Schmetterlingsflieder und Forsythie aus diesem Garten verschwanden? Was brachte die Steine ins Rollen? Der Grundstein wurde im Jahr 2019 gelegt. Mellingen war von 2018 bis 2020 Teil des Projekts «Natur findet Stadt». Die Gemeinde setzte einerseits im öffentlichen Raum zahlreiche naturnahe Aufwertungen um und sie unterstützte auch private Gärten: Wer wollte, konnte von einer Gartenberatung profitieren. «Diese erste Beratung», betont heute Elisabeth Müller, «war der Eisbrecher». Sie begannen mit Bäumen und Sträuchern.
Auf Anregung von Gärtner Andreas Jenni, Mitglied der Mellinger Naturund Umweltkommission, die Stadtrat Beat Gomes präsidiert und der auch Thomas Lang und Severin Kamm angehören, rissen die beiden Frauen Neophyten aus. Sie ersetzten sie unter anderem durch die einheimische Kornelkirsche. Dieser sogenannte «Tierlibaum» blüht noch früher als der Neophyt Forsythie – dessen Blüten übrigens weder Nektar noch Pollen liefern. Die Blüten der Kornelkirsche dienen hingegen früh im Jahr als ausgezeichnete Bienennahrung. Müller und Scherrer entfernten auch den Schmetterlingsflieder und den Hibiskus und pflanzten stattdessen ein Apfelbäumchen und einen Weissdorn.
Die Gartenberatung im Rahmen des Projektes «Natur findet Stadt» war ein Anfang. «Ohne diesen Impuls wäre ich nie bereit gewesen, so viel zu leisten und zu investieren», meint Müller.
«Wir wollten etwas verändern»
Ihr Interesse war geweckt. «Wir wollten Neues probieren und etwas verändern», sagt Müller und Scherrer erklärt: «Es gibt zahlreiche Ideen, die leicht umzusetzen sind.»
Die beiden Frauen beauftragten drei Jahre nach der Erstberatung einen Naturgartenbauer und besichtigten mit ihm mehrere Gärten. Er unterbreitete ihnen nicht nur Skizzen, sondern auch einen Kosten-Voranschlag. «Als wir die Offerte sahen, erschraken wir.» Dann aber nahmen sie den Rotstift zur Hand und strichen kostspielige Investitionen. Unter anderem fielen die geplanten Sandsteine als Trittsteine im Garten weg.
Als das Projekt schliesslich ihren Budgetvorstellungen entsprach, blieben immerhin das an die Hausmauer gebaute Holzpodest, auch Brunnen und Teich sowie eine Trockenmauer in einer Gartenecke, die als Bank benutzt wird. – Der Garten war zu diesem Zeitpunkt eine grosse Baustelle, weil gleichzeitig die Ölheizung durch eine Wärmepumpe und Solarzellen ersetzt wurde. Überall waren Erdhaufen und Baugeräte. «Kein schöner Anblick», sagen Müller und Scherrer, betonen aber: «Wir haben keinen einzigen Kubikmeter Erde weggeworfen.» Und als der Gärtner schliesslich hundert verschiedene, einheimische Pflanzen in kleinen Töpfen in den Garten stellte, wurden sie in eben diese Erde, zwischen Kies und Steine gepflanzt. Hauswurz, Muskatellersalbei, Wegwarte, wilder Fenchel und vieles mehr. Elisabeth Müller entdeckt bei einem Rundgang durch den Garten ein weiteres Kleinod zwischen den Steinen. «Die Pulsatilla, die Küchenschelle gedeiht hier auch», freut sie sich. Denn eine Garantie, dass alles wächst, was gepflanzt wurde, gibt es nicht.
«Der Anspruch darf tiefer sein»
Das bestätigt Thomas Lang, Präsident von Birdlife Mellingen. «Dieser Garten ist wunderbares Anschauungsmaterial», sagt er. Elisabeth Müller und Ursula Scherrer erhielten dafür von «Natur findet Stadt» eine Tafel mit der Würdigung «Ohne Fleiss kein Preis». Dennoch wäre Lang mit weniger zufrieden. «Der Anspruch darf weit tiefer sein.» Denn in einer Gemeinde wie Mellingen mit wenig eigenem Land zähle jeder Privatgarten, in dem ein Apfelbaum gepflanzt werde.
Gerade lanciert die Gemeinde Mellingen die «zweite Staffel» von «Natur findet Stadt» und finanziert Privaten eine Startberatung für ihre Gärten.
Heidi Hess
Anmelden für eine Startberatung im Internet unter: naturfindetstadt.ch
Gartenberatungen
Die Gemeinde Mellingen lanciert das Projekt «Natur findet Stadt» erneut und ermuntert Private, Gärten und Balkone ökologisch aufzuwerten und sich für eine Startberatung anzumelden.
Mellingen gehörte 2018 zu den ersten Gemeinden, die sich am Projekt «Natur findet Stadt» beteiligten – lanciert von Kanton und Naturama. Das Projekt will Biodiversität im Siedlungsraum auf öffentlichen Grünflächen und in privaten Gärten fördern und möglichst viele Menschen unterstützen, die Natur in ihrer unmittelbaren Umgebung mit einfachen Mitteln zu fördern.
In Mellingen entstanden so einige Vorzeigeflächen: Bahnhofstrasse 14 (Kleinstrukturen), Bahnhofstrasse 15 (einheimische Sträucher, Weiher – siehe Artikel), Wohlenschwilerweg 47 (Bienenweide), Sonnenweg 26 (Steinmäuerchen, Kräutergarten) Hausmattweg 13 (Sträucher, Apfelbaum), Höhenweg (Gitterkörbe für Eidechsen), Friedhof und Kindergarten Weihermatt (Heckenpflanzung). (hhs)