Beeler-Käse geht rund um den Globus
06.06.2025 MellingenSeit beinahe 50 Jahren arbeitet Rolf Beeler an der Vollkommenheit von Hartkäse aus unpasteurisierter Rohmilch
Alles Käse? Bei Rolf Beeler ist das so. Das Universum des inoffiziellen «Käsepapstes» der Schweiz dreht sich unablässig um Käse. Um Hart- und ...
Seit beinahe 50 Jahren arbeitet Rolf Beeler an der Vollkommenheit von Hartkäse aus unpasteurisierter Rohmilch
Alles Käse? Bei Rolf Beeler ist das so. Das Universum des inoffiziellen «Käsepapstes» der Schweiz dreht sich unablässig um Käse. Um Hart- und Weichkäse aus nicht pasteurisierter Rohmilch, um präzis zu sein. «Nur in diesem Käse», so sagt Beeler, «schmeckt man, was die Kuh gefressen hat». Beelers Käse geht längst rund um die Welt. Wie es dazu kam? Das ist eine reichlich ungewöhnliche Geschichte.
Bevor wir hier mit der Geschichte von Rolf Beeler beginnen, schneide ich zuerst einmal ein gutes Stück vom Gruyère aus der «Séléction Beeler» ab, die rund 150 Käsesorten umfasst. Ich führe das 18 Monate lang gereifte Stück zum Mund – und lasse es auf der Zunge zergehen. Wie bei einem guten Wein, dauert es etwas, bis das volle Aroma seine Wirkung entfaltet, gemäss Rolf Beelers Worten. «Gut gereifter Hartkäse aus unpasteurisierter Rohmilch, verrät die Wiese, auf der die Kuh, von der die Milch für diesen Käse kam, gefressen hat.» Tatsächlich: Dieser Gruyère weckt Fantasien. Ein kulinarischer Genuss. Würzig, nicht zu salzig. Während der Käse langsam im Mund zergeht, kitzeln verschiedene Aromen den Gaumen, die an grüne Wiesen mit saftigen Kräutern erinnern. Wiesen aus dem Neuenburger Jura etwa. Von dort kommt nämlich der Gruyère, der gerade auf meiner Zunge schmilzt. Beeler hat nicht zu viel versprochen. Er macht keine Kompromisse, wenn es um seinen Käse geht. Und das seit bald 50 Jahren. Rolf Beeler bedient sich einer offenen Sprache.
Das Manifest des «Käse-Papstes»
Geradeaus sagt er, was Sache ist. Seine Sache. Das kommt in seinem Manifest klar zum Ausdruck. In der hochdeutschen Fassung liest sich das so: «Rohmilchkäse ist keine leblose Gummischeisse; darin kann man immer noch schmecken, was die Kuh gegessen hat.» Während diese Zeilen entstehen, wirkt das Aroma des würzigen Gruyères nach und im Kopfkino entstehen Bilder einer malerischen Alp, die schon beinahe kitschig daherkommen. Diese Bilder gibt es aber tatsächlich, auch in der Wirklichkeit. Es sind Bilder, die Beeler zu Geschichten formt. Der Maître fromager weiss um die Wirkung solcher Geschichten. Der 2003 im Alter von 73 Jahren verstorbene Gastrokritiker und Herausgeber des Gault Millau, Silvio Ritzi, erhob Beeler, nicht zuletzt wegen seiner grandiosen Geschichten um gut gereiften Hartkäse aus unpasteurisierter Milch, zum «Käse-Papst» der Schweiz. Eine dieser typischen Geschichten ist jene vom Käse von der «Alp Dräckloch». Die Ingredienzen zu dieser Geschichte haben Beeler geradezu elektrisiert. Die «Alp Dräckloch» liegt im Muotathal auf 1700 Meter über Meer. Die Alp wird von der Familie Föhn bewirtschaftet. Die 60 Kühe haben jeweils beim Alpaufzug im Frühjahr einen Fussmarsch von zehn Stunden in den «Scheichen». Echte Schweizer Älpler-Romantik. Ruedi Föhn stellt mit seiner sechsköpfigen Familie einen besonderen Alpkäse her. «Im Kupferkessel auf offenem Holzfeuer», sagt Rolf Beeler. «Das gibt dem Käse das besondere Raucharoma. Und man schmeckt förmlich die feinen Kräuter, die von den Kühen gefressen wurden.» Aber erst, als Beeler aus diesen Zutaten eine Geschichte zu erzählen begann, wurde aus dem Alpkäse vom «Dräckloch» ein kulinarischer Bestseller.
Leidenschaft treibt ihn an
Auf der Website des weltberühmten Feinkost Käfer aus München heisst es geradezu überschwänglich: «Der Schweizer Affineur Rolf Beeler hat die Käsewelt auf den Kopf gestellt. Seine Kreationen werden weit über die Grenzen der Schweiz hinaus geschätzt und geliebt. Seine Leidenschaft für Perfektion treibt ihn an und lässt einzigartige Käse entstehen.» Allerdings stimmt nicht, was Feinkost Käfer, wie so viele andere über Beeler geschrieben haben: Beeler ist kein Käser. Er ist ein Affineur de Fromage, ein Käseveredler.
Beruflich kommt der in Wettingen aufgewachsene Unternehmer aus einer völlig anderen Ecke. Sein Vater war Kaufmann und KV-Lehrer. Daneben schrieb er gerne Meinungsbeiträge für Zeitungen. «Von ihm habe ich wohl das Kommunikative geerbt.» Mutter Olga schaute zu Hause auf die vier Kinder. Sie machte Führungen im Kloster Wettingen bis sie 90-jährig war. Rolf Beeler hat das Lehrerseminar in Wettingen absolviert. Während des Studiums half er im Laden eines Kollegen Schallplatten zu verkaufen. Als der den Laden «Chäs & Brot» seines Vaters übernahm, begann Beeler Käse zu verkaufen. Die dabei verdiente Provision half, das Sackgeld aufzubessern. Mit dem Lehrerberuf wusste Beeler nicht viel anzufangen. Zu jener Zeit, so erzählt er, habe im Kanton Zürich noch das Konkubinatsverbot gegolten. Aber auch im Aargau sei es nicht viel besser gewesen. «Es wurde erwartet, dass man seine Freundin heiratet und als Dorflehrer auch gleich noch den Kirchenchor leitet.» Das war nichts für den Freigeist, als der sich Beeler versteht. Er sieht sich aber nicht als Revolutionär. Er ist einer, der lieber etwas macht bei dem er selbstständig handeln kann.
In eine Zwangsjacke wollte er sich jedenfalls nicht stecken lassen. Er, der damals für Radio 24 demonstrieren ging und als DJ in Klubs Musik auflegte, und einst in Wettingen die Streikzeitung «WUT» verteilte, die 1977 von den streikenden Journalisten der Migroszeitung «Die TAT» herausgegeben wurde, wollte sein eigenes Ding machen.
Marktfahrer statt Lehrer
Anstatt vor eine Schulklasse, stellte er sich auf Märkten vor die Leute und verkaufte Käse auf eigene Rechnung. Und er eröffnete zwei Käseläden, die er mit «Speis & Trank» überschrieb.
Ein schwerer Schicksalsschlag zwang Beeler seinen Weg im Schnellzugtempo zu überdenken. Sein zweijähriges Söhnchen ertrank 1988 in einem Bach. Beeler, der mit seiner Partnerin drei Kinder hat: «Das hat mein Leben komplett gekehrt. Ich verkaufte meine Läden und fiel erst mal in ein tiefes Loch.»
Der Kampf gegen Käse wie Gummi
Schon Anfang der 1980er-Jahre begann Beeler, zusammen mit einem Kollegen, Emmentalerkäse nach alten Rezepten zu waschen. Damals herrschte die «Käseunion» über die Schweizer Käseproduktion. Ihre Aufgabe war die Förderung des Absatzes der drei Schweizer Hartkäsesorten Greyerzer, Emmentaler und Sbrinz. Zu diesem Zweck kaufte die Käseunion die gesamte Produktion auf und vertrieb diese zu vom Schweizer Bundesrat festgesetzten Preisen. Die Käseunion war de facto ein amtlich genehmigtes Wirtschaftskartell. Dadurch wurde die Innovationsbereitschaft der Käser eingeengt, um nicht zu sagen, abgewürgt. Beeler erinnert sich: «Der Emmentaler kam wie Gummi daher. Das war nicht das, was ich mir unter gutem Käse vorstellte.» So begann er im eigenen Keller Käse nachzubehandeln und reifen zu lassen.
Aus einfachen Anfängen
Durch das sorgfältige Waschen des Emmentalers wird die Rinde braun. Beeler zückt sein Handy und zeigt Fotos von gut gereiften Emmentalern aus seiner Séléction. Es sieht aus als würde der Käse aus den Löchern schwitzen. «Die Perlen, das sind die Freudentränen des gut gelagerten Emmentalers», sagt Beeler mit der ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit. Um sogleich anzufügen: «Ich habe da einen Käse von der Alp Greina, der eine extreme Safrannote hat.» Das Geheimnis dahinter. Die Greina-Hochebene auf Bündner und Tessiner Boden ist ein Naturschutzgebiet mit einer prächtigen Fauna. Ein Tessiner Bauer darf dort seine Kühe weiden lassen und fertigt den Sommer hindurch etwa 300 Laibe Alpkäse. Man spürt beim Greina die Aromen der verschiedenen Blumen, Gräser und wilden Kräuter heraus. Dort wachsen auch Krokusse, die von den Kühen gefressen werden. «Die Krokusblütenfäden ergeben die besondere Safrannote», erklärt Beeler, der nur so sprudelt vor Geschichten. So hat er den «Appenzeller» 20 Jahre gemieden. Ganz einfach, weil Beeler keinen Käse von entrahmter Milch nimmt. Und jetzt verkauft er den «Schwellbrunner Bergkäse» aus der Käserei Säntisblick von Tim Länzlinger in Schwellbrunn AR. Ein Bergkä- se aus Appenzeller Milch von Kühen mit Hörnern, von dem Rolf Beeler in den höchsten Tönen spricht und ihn in sein Sortiment aufgenommen hat. «Appenzeller at its best!» So könnten wir hier 150 unterschiedliche Geschichten erzählen. Auch jene von der «Chäsi» in Künten, die vom legendären Sepp Brülisauer begründet wurde und heute von Fabian Spielhofer fortgeführt wird. Natürlich gehört der nussige Chünter längst zu Beelers Séléction. In Sachen Feinkostkäse gehört Rolf Beeler mit seiner längst internationalen Séléction heute zu den Topadressen weltweit. Der «Maître fromager affineur» aus Mellingen beliefert rund um den Globus Delikatessenläden und Spitzenköche in den besten Gourmet-Tempeln mit Hart- und Weichkäse, die alle ihre eigene Geschichte haben.
Beeler-Käse geht um die Welt
Die Kundenliste liest sich wie das «Who is who» der Spitzengastronomie auf allen Kontinenten. Spitzenköche setzen auf Käse von, und auf die Ausbildung ihres Personals durch Rolf Beeler. «Beeler-Käse» ist in der Spitzengastronomie ein «must» und Rolf Beeler zählt heute viele der höchst dekorierten Küchenchefs zu seinen Kunden. So etwa den Aargauer Sternekoch Daniel Humm, der im «Eleven Madison Park in New York den Kochlöffel schwingt oder Heiko Nieder, den 19-Punkte-Chef vom «Dolder Grand» in Zürich. Mit vielen dieser Starköche ist Beeler befreundet. Käse schafft Freundschaften. Wer hätte das gedacht? Zum Beispiel mit Robert Mondavi (1913 – 2008), den Begründer des gleichnamigen Weingutes im Napa Valley (Kalifornien). Mondavis zweite Frau Margrit, gebürtige Kellenberger, stammte aus der Schweiz. Und sie mochte guten Käse. Den von Beeler ganz besonders. So wurde Rolf Beeler von Mondavi auf ihr Weingut in Oakville eingeladen. Berühmter Wein und Käse fanden so zusammen. Und noch eine Geschichte:
«Ich war grad drüben in Kalifornien, als mich einer meiner Kunden anrief und sagte: ‹Rolf, hör mal, da kauft doch tatsächlich der Sanchez bei mir grad einen Mocken Emmentaler.› «Sanchez? Ich kenne keinen Sanchez.» Worauf der Kunde sagte: «Äh, nein, nicht Sanchez, er heisst Santana.» Gemeint war Carlos Santana, der US-amerikanische Gitarrist mit mexikanischen Wurzeln, der die Rockmusik um den Latin Rock erweitert hat. Beelers Käse und Santanas Rockmusik. Das passt (siehe Foto links Mitte).
Laden in Mellingen
Bis vor wenigen Jahren hatte Beeler seinen Käsekeller in Nesselnbach, ehe er 2015 nach Mellingen zog, wo er in der Breiti 16 neue Räumlichkeiten bezog. Der Laden in der Breiti wird von Käse-Connaisseurs von nah und fern frequentiert. Er ist geöffnet von Montag bis Mittwoch von 8 bis 12 Uhr und von 13.30 bis 16.30 Uhr. Am Donnerstag von 8 bis 12 Uhr und von 13.30 bis 16.00 Uhr.
Tochter Muriel kommt nach
In Zukunft will Beeler, der mit seinem Team noch immer an den Märkten in Aarau, Lenzburg, Luzern, Wettingen und Zürich präsent ist, etwas kürzertreten. «Meine Tochter Muriel ist mit viel Begeisterung und Engagement ins Geschäft eingestiegen. Sie bringt frischen Wind und neue Energie ins Geschäft», sagt Beeler, der selbst weiterhin Seminare, Degustationen und kulinarische Reisen organisieren und durchführen will – und natürlich will er seine weltweiten Freundschaften weiter pflegen. Ganz auf Käse, von dem er jeden Tag isst, kann einer wie Beeler natürlich nicht gänzlich verzichten.
Beat Gomes