Wenn ich zurückblicke, erinnere ich mich an erstaunlich viele Anfänge: den ersten Schultag im Dorf, den ersten Tag als Grenadier in Isone oder die erste Nacht, als ich von zu Hause ausgezogen bin. Anfänge sind bedeutsam und tragen Überraschungen in sich. Intuitiv spürte ...
Wenn ich zurückblicke, erinnere ich mich an erstaunlich viele Anfänge: den ersten Schultag im Dorf, den ersten Tag als Grenadier in Isone oder die erste Nacht, als ich von zu Hause ausgezogen bin. Anfänge sind bedeutsam und tragen Überraschungen in sich. Intuitiv spürte ich, dass sich etwas Zukunftsweisendes anbahnte. Doch während wir unsere ersten Male feiern, vergessen wir fast immer die letzten Male. Sie schleichen sich still davon, ohne Hinweis, ohne Abschiedsgruss. Manchmal merken wir erst Jahre später, dass das berühmte «letzte Mal» schon längst geschehen ist.
Können Sie sich noch erinnern, wann Sie Ihr Kind zum letzten Mal auf dem Arm getragen haben? Meine Kinder sind mittlerweile so gross, dass ich sie nicht mehr tragen kann – oder darf. Doch ein bewusstes letztes Mal habe ich nicht in Erinnerung. Und wissen Sie noch, wann Sie zuletzt mit einem alten Freund telefoniert haben, bevor sich Ihre Wege trennten? Oder wann Sie das letzte Mal eine DVD in den Player geschoben haben?
Unsere letzten Male sind selten dramatisch. Sie passieren unbemerkt und gehen im Alltag unter. Oft würden wir die Folgen erst erkennen, wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen könnten, doch genau das bleibt uns verwehrt. Vielleicht würde es uns sogar überfordern, wenn wir jeden kleinen Abschiedsmoment zelebrieren müssten. Neues beginnt oft ebenso still, wie das Alte endet. Ich bin überzeugt, dass sich der Sinn des Lebens eher auf den Neuanfang richtet als auf das Ende eines Kapitels. Stellen Sie sich vor, unser Tagesablauf würde zu 50 Prozent aus Abschiednehmen bestehen. Mir gefällt dieser Gedanke nicht. Dementsprechend stelle ich mir nicht die Frage, wann etwas zum letzten Mal geschieht, sondern vielmehr, wie bewusst ich das nächste Mal erleben will.
Am Ende liegt der Schlüssel in einem achtsamen Leben. Geniessen wir den Moment und bedauern wir weniger die abgeschlossenen Phasen unseres Daseins. Aktuell erfreue ich mich über das Schreiben dieser Kolumne, in vollem Bewusstsein, dass es meine letzte ist. Nach nunmehr vier Jahren beende ich meine Zeit als Gastkolumnist im «Reussbote». Die Arbeit als Hobbytexter hat mich bereichert und ich freue mich nun darauf, selbst wieder nur Leser zu sein. Ich blicke dankbar auf diese Jahre zurück. Jede Kolumne war für mich eine Gelegenheit, Alltagserkenntnisse zu sammeln und aufzuschreiben. So schliesst sich ein Kapitel und ein neues wird bestimmt bald beginnen.