Der Zusammenhalt macht Innovationen möglich
05.12.2025 MellingenDie Eigentümer des Mehrfamilienhauses Weihermattstrasse 8 gehen punkto Nachhaltigkeit voran und investieren in Solarenergie
Solarthermie an der Fassade, Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, Lademöglichkeiten für E-Autos – und seit Neuestem ein zusätzlicher ...
Die Eigentümer des Mehrfamilienhauses Weihermattstrasse 8 gehen punkto Nachhaltigkeit voran und investieren in Solarenergie
Solarthermie an der Fassade, Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, Lademöglichkeiten für E-Autos – und seit Neuestem ein zusätzlicher Energiespeicher: Die Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in Mellingen möchten Solarenergie möglichst effektiv nutzen. Sie schlossen sich zu einer Eigenverbrauchsgemeinschaft zusammen.
Insgesamt 18 Parteien gehören der Eigentümergemeinschaft des 1971 erbauten Mehrfamilienhauses an. Im nächsten Jahr feiere man das 55-Jahre-Jubiläum mit einem Fest, erzählt Rolf Hirsiger, Sprecher der Stockwerkeigentümer. Überhaupt sei der Zusammenhalt unter den Bewohnern der Liegenschaft sehr gut – man helfe und unterstütze sich bei Bedarf auch gegenseitig im Alltag. Der Altersdurchschnitt der Eigentümer liegt bei rund 75 Jahren. Dennoch sind sie alles andere als rückwärtsgewandt. Im Gegenteil: Sie investieren in die Zukunft ihrer Liegenschaft, um deren Wert zu erhalten. Doch der Reihe nach: «Anfang 2017 haben wir festgestellt, dass die Heizung in die Jahre gekommen ist», erzählt Rolf Hirsiger. Man wollte jedoch nicht abwarten, bis die alte Ölheizung den Geist aufgeben würde, sondern stattdessen rechtzeitig investieren. In der Folge wurden verschiedene Abklärungen getätigt, etwa ob eine Luft/Wasser-Wärmepumpe oder eine Erdsonden-Wärmepumpe die geeignete Lösung sei. Schliesslich entschied man sich für eine Gasheizung in Kombination mit einer sogenannten Solarthermie-Anlage. Bei der Solarthermie wird Sonnenenergie zur Warmwasser-Produktion genutzt. Das Wasser wird auf 75 bis 80 Grad erhitzt und in einem grossen Warmwasserboiler im Keller gespeichert. «Damit können wir zehn Prozent der Gesamtenergiemenge einsparen», rechnet Hirsiger vor. Im Sommer brauche man sogar fast überhaupt kein Gas. Die Besonderheit: Die Anlage wird von Solarpanels mit einer Fläche von insgesamt 35 Quadratmetern an der Süd-Fassade des Hauses gespeist. Vorteil: Die Sonnenenergie kann auch bei tiefem Sonnenstand im Winter noch effektiv genutzt werden. «Bei Mehrfamilienhäusern, die viel Warmwasser brauchen, macht das Sinn, bei Einfamilienhäusern eher weniger», erläutert Urs Imboden, Geschäftsführer der Elektro Imboden AG in Mellingen zur Solarthermie. Die Anlage wurde von den Regionalwerken Baden eingerichtet. Für alle sonstigen elektrischen Installationen der Liegenschaft und die Wartung ist aber Elektro Imboden zuständig. Ebenso wie für die Photovoltaik-Anlage, die vor drei Jahren zusätzlich auf dem Dach installiert wurde.
Ukraine-Krieg war ausschlaggebend
Rückblick: 2022 stiegen die Energiepreise aufgrund der Ukraine-Krise. Damals kam die Idee für eine PV-Anlage zur Stromproduktion auf dem Dach auf. Zunächst habe Urs Imboden abgewunken, erzählt Rolf Hirsiger. Solche Projekte seien bei Stockwerkeigentum schwierig umzusetzen, da es immer Skeptiker gebe. Nicht so in diesem Fall. Man habe die Eigentümergemeinschaft überzeugen können, dass die Anlage ökologisch und ökonomisch sinnvoll sei, so Hirsiger. Das Projekt sei schliesslich einstimmig angenommen worden, berichtet er nicht ohne Stolz. Aus juristischen Gründen musste dafür zunächst ein Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) gegründet werden. Dabei wurde im Grundbuch festgelegt, welcher Anteil an der Anlage jeder Wohnung gehört. «Die Stromtarife können wir selbst festlegen», betont Hirsiger. Dabei sei es den Mitgliedern wichtig gewesen, dass die Tarife nicht höher liegen als die der Elektrizitätswerke. «Wir sind heute bei rund 60 Prozent Eigenbedarf und können rund 40 Prozent ins Netz zurückspeisen», erklärt der Sprecher der Eigentümer. Der jährliche Eigenverbrauch liegt bei 15 000 Kilowattstunden, rund 10 000 Kilowattstunden gehen ins Stromnetz der EW Mellingen, die diese zurückvergütet. Damit der Verbrauch jeder Wohnung ganz genau abgerechnet werden kann, wurde auch in die Leitungstechnik investiert:«Wir mussten die Stromverteilung auf digitale Zähler umstellen», erläutert Urs Imboden, der mit seiner Firma auch die Abrechnung für die Liegenschaft übernimmt. Nach dem Einrichten der Anlage liesse sich diese relativ einfach und automatisiert auslesen. Der Clou: Über eine eigene App haben die Bewohner stets den Überblick über ihren aktuellen Verbrauch: «Ich kann sehen, wie viel Strom ich gerade verbrauche und wie viel Solarstrom zur Verfügung steht», erzählt Rolf Hirsiger begeistert. So mancher habe daraufhin seinen Stromverbrauch optimieren können und beispielsweise besonders stromfressende Geräte erneuert oder die Nutzungszeiten von Geschirrspülern oder Waschmaschinen angepasst. Der Überblick hat auch Vorteile beim Laden von Elektroautos. Denn parallel zur Installation der Solaranlage wurden die Garagen mit den nötigen Kabeln für Elektroladestationen ausgerüstet. Immerhin vier Elektrofahrzeuge kommen auf acht Verbrenner
– Tendenz steigend. Über eine eigene Chatgruppe sprechen sich die E-Auto-Besitzer ab, wer wann lädt, damit alle vom günstigen Solarstrom profitieren und es nicht zu Ladespitzen kommt, wenn alle Elektrofahrzeuge gleichzeitig am Netz saugen.
Batterie hilft, Nacht zu überbrücken
Nach drei Jahren Betrieb hat sich die Anlage bewährt. «Von Anfang März bis Ende Oktober produzieren wir Überschuss», so Hirsiger. Die Eigentümerschaft wollte aber den Eigenverbrauch weiter steigern. Denn die EW zahlten immer weniger für den Strom. Der günstige Solarstrom stand zudem nur in den Sonnenstunden zur Verfügung. Die Lösung: eine Batterie mit einer Speicherkapazität von 40 Kilowattstunden, die in der vergangenen Woche von der Firma Elektro Imboden eingebaut wurde. Das reiche in der Regel, um mit dem tagsüber gespeicherten Strom über die Nacht zu kommen, erläutert Urs Imboden. Das Ziel der Vebrauchsgemeinschaft ist den Eigenverbrauch auf 80 Prozent zu steigern.
Anlage finanziert sich selbst
Natürlich handelt es sich nicht um kleinen Investitionen: Rund 60 000 Franken kostete die Solarthemie-Anlage, die PV-Anlage 70 000 Franken und die Batterie schlug mit 18 000 Franken zu Buche. Für die Eigentümer ist dies jedoch eine Investition in die Zukunft und steigert den Wert ihrer Liegenschaft: «Wir haben die Vision einer längerfristigen Finanzplanung», so Rolf Hirsiger. Jedes Jahr gebe man etwas in einen Erneuerungsfond, aus dem Investitionen getätigt werden. Die PV-Anlage soll sich jedoch selbst finanzieren. Dafür verkaufen sich die Mitglieder des ZEV ihren Solarstrom selbst – allerdings zu einem günstigen Tarif. Das Ziel ist, dass sich die Kosten in zehn bis 15 Jahren amortisieren. Dass nicht alle das noch erleben werden, ist den Stockwerkeigentümern sehr wohl bewusst. Das nennt man Weitsicht.
Michael Lux





