Die «Breverl» sollten die Träger schützen
17.10.2025 Region Rohrdorferberg, Region ReusstalDie Berner Künstlerin Regula Schneider kreiert kunstvoll bestickte Schutzkissen – eines ist der Heiligen Justa gewidmet
Am 23. Oktober feiert der Reusspark als Sitz des früheren Klosters Gnadenthal den Tag der Märtyrerin Justa. An diesem Tag wird die Künstlerin ...
Die Berner Künstlerin Regula Schneider kreiert kunstvoll bestickte Schutzkissen – eines ist der Heiligen Justa gewidmet
Am 23. Oktober feiert der Reusspark als Sitz des früheren Klosters Gnadenthal den Tag der Märtyrerin Justa. An diesem Tag wird die Künstlerin Regula Schneider dem Reusspark ihr «Breverl» zur Heiligen Justa schenken. Es erhält einen speziellen Platz in der Kirche.
Im Rahmen des Gedenktages für die Heilige Justa, dem 23. Oktober, findet um 18 Uhr im Reusspark die Vernissage einer kleinen Ausstellung statt. Sie trägt den Titel «Reisen durch gestickte Zeiten». Die Schau schlägt einen berührenden Bogen zwischen Geschichte, Erinnerung und Kunsthandwerk. Die 85-jährige Künstlerin Regula Schneider wird anwesend sein. Ihre Werke widmen sich den sogenannten Breverln – so nennen sich kunstvoll bestickte Schutzkissen aus der katholischen Volksfrömmigkeit des 17. Jahrhunderts. Der süddeutsche Name Breverl kommt vom lateinischen brevis (klein, zusammengerollt). Diese in Stoff gefassten Andachts- und Schutzobjekte, bestückt mit Gebeten in Form von Andachtsbildern, Reliquien oder Samen aus dem Garten, spendeten den Gläubigen Trost, Schutz und Hoffnung. Sie wurden oft von Klöstern angefertigt und an Pilger und andere Personen verkauft. Die Trägerin oder der Träger wusste gewöhnlich nicht, was sich genau darin befand. Soldaten trugen sie oft in der Hosentasche wenn sie in den Krieg zogen, und erhofften sich Segen; Frauen nähte sie in ihre Kleider ein.
Kurs in Klosterarbeiten besucht
Regula Schneider kam vor über 40 Jahren durch einen Kurs in Klosterarbeiten, den sie im Urner Ort Gitschenen besuchte, auf die Breverl. «Eine Dame aus Bayern brachte uns diese Tradition näher», erzählt sie. Die Künstlerin selbst ist nicht katholisch. Schneider sagt: «Ich bin eine reformierte Bernerin. Ich habe meinen Glauben, bin aber keine fleissige Kirchgängerin.» Doch die verschiedenen christlichen Traditionen und die Pilgerei interessieren die Pensionärin, welche in Bremgarten bei Bern lebt, seit jeher.
Die Original-Breverl aus dem 17. Jahrhundert waren sehr klein. Sie besitzt einige davon. Schneider begann grössere Breverl zu kreieren. «Manchmal sticke ich bis zu einem Jahr an einem Breverl», sagt die Künstlerin. «Ich suche in Brocantes zum Thema passende Ziergegenstände, die ich einsticke und die so eine Spannung erzeugen sollen.» Wichtig seien ihr aber nicht nur die Motive. «Ich mache Breverl, die eine Seele haben, welche der äusseren Hülle entsprechen.»
Ein Buch zu Breverl herausgegeben
Die Breverl von Regula Schneider erzählen vom Glauben, der Pilgerei, von historischen Figuren, der Liebe und der Auseinandersetzung mit dem Tod. Dazu hat sie auch ein Buch herausgegeben, das man an der Vernissage anschauen und kaufen kann. (es ist das Zweite. Eines ihrer Breverl trägt beispielsweise den Titel «Maria Licht». Sie hat sich dafür an einer Votivtafel in der Kirche von Trunin Graubünden inspiriert. Diese Votivtafel, entdeckte sie erstaunt, wurde von Alois Carigiet gemalt und unterschrieben. Ein anderes Breverl zeigt das Kloster Gnadenthal und eine über ihm schwebende Mutter Gottes. Dem Tod in Form von Skeletten oder Totenköpfen sind weitere Breverl gewidmet – der Tod war im Mittelalter ein sehr häufiges Motiv.
Schneider hat auch Motive aus anderen Religionen dargestellt. So gibt es auch ein Breverl, das Istanbul darstellt und mit Versen aus dem Koran bestickt ist. Im Inneren jedes Breverls steckt ein mit Kalligraphie verzierter Brief, den eine Freundin anfertigt. 20 Breverl von Regula Schneider werden am 23. Oktober ausgestellt sein und können betrachtet werden. Schneider hat jedoch noch viel mehr zu Hause, welche sie im Laufe der Jahre angefertigt hat.
Das Schicksal der Märtyrerin Justa
Besonders bemerkenswert: Schneider hat die Heilige Justa in einem Breverl verewigt und widmet dieses Werk dem Kloster Gnadenthal. Das Justa-Breverl wird in einer mit Glas verschliessbaren Nische in der Klosterkirche Gnadenthal ausgestellt. Die Ausstellung ist nach der Vernissage jeweils sonntags vom 26. Oktober bis 30. November von 11 bis 16 Uhr im Refektorium des Klosters Gnadenthal geöffnet. Wer die Geschichte noch nicht kennt: Die beiden Märtyrerinnen Justa und Rufina waren Schwestern und wurden der Überlieferung zufolge nahe dem spanischen Sevilla in den Jahren 268 und 270 geboren. Justa erlitt der Legende nach ein grausames Schicksal. Als Christin zweifelte sie an der Vielgötterei der Römer und zerstörte eine Venus-Statue. Dafür wurde sie durch den Statthalter Diogenian festgenommen, gefangen gehalten und mit eisernen Haken gefoltert. Justa starb im Gefängnis, ihr Leichnam wurde in einen Brunnen geworfen. Später barg man ihre Überreste und brachte sie nach Rom. 1665 gelangten Justas Gebeine aus den römischen Katakomben ins Kloster Gnadenthal und machten den Ort fortan zu einem bedeutenden Wallfahrtsziel. Die Reliquien sind in der Klosterkirche in einem Schränkchen auf dem rechten Seitenaltar aufbewahrt und werden zu besonderen Gelegenheiten gezeigt. Den Seitenaltar schmückt ein Ölbild, auf dem das Martyrium von Justa dargestellt ist.
Marc Benedetti