Momentan muss das Dorf auf den Glockenschlag seiner Kirche verzichten – dafür rumpelte es diese Tage im Turm oben
Seit Montag schweigen die Kirchenglocken der Kirche von Wohlenschwil eisern. Ihre Aufhängung und die Antriebsräder sollen revidiert werden. Dafür ...
Momentan muss das Dorf auf den Glockenschlag seiner Kirche verzichten – dafür rumpelte es diese Tage im Turm oben
Seit Montag schweigen die Kirchenglocken der Kirche von Wohlenschwil eisern. Ihre Aufhängung und die Antriebsräder sollen revidiert werden. Dafür müssen vier Handwerker jeden Tag eine Menge Treppen hinauf und hinunter steigen. Der «Reussbote» machte es ihnen nach und nahm einen Augenschein in luftiger Höhe.
Ganz viele steile Holztreppen muss man hinaufsteigen, um in den Turm und zu den Glocken der «neueren» katholischen Kirche Wohlenschwil zu gelangen. Mit Jahrgang 1908 ist die Kirche zwar eine alte Dame. Doch weil auch eine frühere Kirche existiert, die heute als Kulturort genutzt wird, nennt man sie die neue Kirche. Doch das wissen alle Wohlenschwiler bereits.
Wer nicht ganz schwindelfrei ist, sollte die Treppenstufen lieber nicht hinaufsteigen. Doch bei den Handwerkern der spezialisierten Firma Kirchturmtechnik Muff aus Triengen LU, welche am Montag mit den Arbeiten im Kirchturm begonnen haben, gehört Schwindelfreiheit wohl zu den Qualifikationen. Sie arbeiten hoch oben in Türmen. Und müssen jedes Mal, wenn sie etwas hinauf- oder hinunterbringen, über 40 Meter überwinden. Der Kirchturm von Wohlenschwil misst exakt 47,7 Meter vom Boden bis zur Wetterfahne.
Aufhängungen und Räder revidieren
Um ihre Funktionalität langfristig zu sichern, erhalten die Glocken der Pfarrkirche die nächsten Monate eine umfassende Revision der Aufhängungen und Antriebsräder. Gleichzeitig wird die Absturzsicherung im Kirchturm nachgerüstet, was die Sicherheit verbessert. – Endlich oben angelangt! Im Reich der Glocken. Dort ist es staubig, eng, dunkel und die Handwerker leisten sichtlich Schwerstarbeit. Anfang Woche montierten sie die tonnenschweren Glocken ab und senkten diese auf den Holzboden hinunter, um die Aufhängungen und Schwungräder abmontieren zu können.
Der fürs Bauliche zuständige Kirchenpfleger Viktor Seiler hat für den Reporter einige interessante Zahlen zu den fünf Glocken auf Lager: «Die grösste Glocke wiegt 2,1 Tonnen und die kleinste 210 Kilo.» Gegossen wurden die Bronze-Ungetüme damals nicht in der Glockengiesserei Aarau, sondern in Colmar im französischen Elsass. Diese sind auch nach 100 Jahren noch schwer in Ordnung. Die Klöppel aus Eisen, welche mit der Zeit hart werden, wurden bereits ersetzt. Die Glocken aber sind wohl für die Ewigkeit bestimmt. Jede trägt eine Inschrift auf Lateinisch und ist einem bestimmten Zwecke gewidmet.
«Weil die Kirchenglocken Spiel hatten im Glockenjoch, hat man sich zur Revision entschlossen», sagt Viktor Seiler. «Wenn sie kein Spiel mehr haben und gut gelagert sind, werden sie wieder einen schöneren Klang erzeugen.» Er freut sich bereits auf den Moment, wenn es im April soweit sein wird und die Glocken wieder erklingen. Bis dahin müssen die Wohlenschwiler aber auf den gewohnten Klang ihrer Kirchenglocken verzichten – mancher ist vielleicht auch ganz froh über die Ruhe.
Mechanisches Uhrwerk funktioniert
Im Geschoss unterhalb der Glocken gibt es etwas Interessantes zu sehen, nämlich die mechanische Turmuhr von 1909. Damit immer die richtige Uhrzeit angezeigt wird, dazu dient die Funkuhr in einem grauen Kästchen. Sie wird über den Zeitsignalsender Mainflingen bei Frankfurt am Main automatisch mit der Uhrzeit versorgt. Durch seine französischen Glocken, ein deutsches Signal sowie seine ebenso deutsche Mannhardt-Turmuhr bleibt Wohlenschwil also immer mit der Welt verbunden.
Laut Matthias Häfliger von der Muff Kirchturmtechnik AG besteht die Herausforderung dieses Auftrags vor allem in der «Materialschlacht». «Es sind viele schwere Metallteile, die demontiert und für die Restaurierung vorbereitet werden.» Das Arbeiten in luftiger Höhe und die Sicherung der Mitarbeiter sei ebenfalls zentral. Laut Häfliger hat die Firma auch das Zifferblatt der katholischen Kirche Tägerig vor Jahren restauriert. Momentan ersetze man die Steuerung der Glocken. «Beim früheren Auftrag war sogar ein Helikopter im Einsatz.» Dieser wird aber in Wohlenschwil nicht nötig sein.
Marc Benedetti