Haareis ist ein seltenes Naturschauspiel. Pilzexperte Gregor Spiess erklärt, wie «Engelshaar» entsteht
Tanzten hier Engel durch den Nebelwald und liessen Haarlocken fallen? Die Vorstellung ist reizvoll. Und das Löckchen, das die Reporterin vergangene Woche oberhalb der ...
Haareis ist ein seltenes Naturschauspiel. Pilzexperte Gregor Spiess erklärt, wie «Engelshaar» entsteht
Tanzten hier Engel durch den Nebelwald und liessen Haarlocken fallen? Die Vorstellung ist reizvoll. Und das Löckchen, das die Reporterin vergangene Woche oberhalb der Waldhütte Staretschwil entdeckte, passt wunderbar zu Weihnachten.
Gregor Spiess, Pilzkontrolleur und Vorstandsmitglied des Pilzvereins Mellingens, erklärt hingegen: Haareis ist ein seltenes Naturphänomen, das im Winter wie weisse Zuckerwatte auf Totholz erscheint. Es bildet sich bevorzugt in schneelosen Buchenoder Mischwäldern bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt. Für die Entstehung sind zudem Windstille und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit notwendig. Die filigranen Eisnadeln werden meist 30 bis 100 Millimeter lang und sind extrem dünn. Ungewöhnlich ist, dass das Eis nicht an der Spitze, sondern direkt auf dem Holz wächst. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu zehn Millimetern pro Stunde wird Wasser aus dem Holz nach aussen gedrückt. Bereits 1918 vermutete der Meteorologe Alfred Wegener, dass ein Pilz die Ursache ist. Diese Theorie wurde rund 90 Jahre später durch Forschende aus der Schweiz und Deutschland bestätigt. Das Myzel des Pilzes Exidiopsis effusa (Rosagetönte Wachskruste) zersetzt Lignin und verhindert so, dass sich grosse, klobige Eiskristalle bilden. Für den Pilz dient das Haareis vermutlich als Frostschutz, damit das Wasser nicht im Inneren des Holzes gefriert.
Heidi Hess