Er drehte eine Extrarunde für seine Passagiere
28.03.2025 RemetschwilPostauto-Chauffeur Ernst Rosenberg geht nach 43 Jahren bei der Steffen Bus AG in Pension. Zum Abschied gab es viel Anerkennung
Jahrzehntelang fuhr Ernst Rosenberg seine Passagiere vom Rohrdorferberg und vom Mutschellen bis nach Baden oder Zürich. Der Chauffeurssitz ist für ihn ...
Postauto-Chauffeur Ernst Rosenberg geht nach 43 Jahren bei der Steffen Bus AG in Pension. Zum Abschied gab es viel Anerkennung
Jahrzehntelang fuhr Ernst Rosenberg seine Passagiere vom Rohrdorferberg und vom Mutschellen bis nach Baden oder Zürich. Der Chauffeurssitz ist für ihn einer der schönsten Arbeitsplätze überhaupt. Auch wegen der Stammpassagiere, die er am Dienstag auf eine letzte Ehrenrunde mitnahm.
Ernst Rosenberg strahlt über das ganze Gesicht, als sich die Bustüren am Ende seiner letzten Fahrt öffnen: «Der ganze Tag war fantastisch!», erzählt er. Entlang der Route hätten immer wieder Passagiere auf ihn gewartet, um sich zu verabschieden. Und am Goldbrunnenplatz in Zürich hätten sich gar 70 bis 80 Schüler versammelt, und ihm zum Abschied applaudiert. «Da sind mir grad die Tränen gekommen», gibt der Postauto-Chauffeur immer noch sichtlich gerührt zu. Neben der Faszination für die Technik sowie die landschaftlich reizvollen Strecken, sei es vor allem der Kontakt zu den Fahrgästen gewesen, der ihn für seinen Beruf begeistert habe, erzählt er. «Früher kamen jeden Morgen um die gleiche Zeit dieselben Fahrgäste», erinnert er sich an die Zeit vor dem grossen Bauboom und Bevölkerungswachstum am Rohrdorferberg. Der Kontakt sei damals noch persönlicher gewesen als heute. Viele Passagiere schauen nur noch auf ihr Smartphone, bedauert Rosenberg, der seit den 1990er-Jahren mit seiner Frau in Niederwil/Nesselnbach wohnt.
Einst war er der Jüngste in der Firma
Nicht nur die Bevölkerung in der Region hat zugenommen. Auch sein Arbeitgeber, die Steffen Bus AG, ist in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Als Rosenberg am 1. Mai 1982 mit vier neuen Kollegen in der Firma anfing, war er einer von nur 12 Fahrern – und mit knapp 22 Jahren mit Abstand der jüngste. Heute sind über 50 Fahrer für das Unternehmen, das im nächsten Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert, unterwegs. Er sei stolz und dankbar, 43 Jahre lang ein Teil der Firmengeschichte gewesen zu sein, sagt Rosenberg und lobt das nach wie vor familiäre Miteinander im Familienbetrieb. Dass er vor über 40 Jahren zum Postauto-Chauffeur umsattelte, war purer Zufall. Während seiner Lehrzeit zum Lastwagenführer nahm Rosenberg täglich zu später Stunde das Postauto von Baden ins Fohrhölzli in Niederrohrdorf und zurück. Dabei lernte er die damaligen Postauto-Chauffeure und schliesslich auch die Chefs des Unternehmens, Hans und Kurt Steffen kennen. «Hättest du Interesse selbst Postauto-Chauffeur zu werden?», fragte ihn schliesslich einer der beiden. Rosenberg hatte Interesse, machte das Car-Billette – der Rest ist Geschichte. Heute ist der einstige Jungspund der dienstälteste Fahrer im Betrieb.
Einer der schönsten Arbeitsplätze
Wenn er nach der Faszination für seinen Beruf gefragt wird, gerät der bald 65-Jährige immer noch ins Schwärmen: «Wenn ich an einem sonnigen Morgen Richtung Mutschellen fahre und das ganze Alpenpanorama vor mir habe, bin ich mir bewusst, dass ich wohl einen der tollsten Arbeitsplätze habe», sagt er.
Fast wäre er Lokführer geworden
Während seiner langen Dienstzeit überwand Rosenberg aber immer wieder die Grenzen seines angestammten Reviers. So wurde er 1988 von seinem Arbeitgeber für acht Monate auf die Strecke Aarau–Frick–Laufenburg entsandt. Und von 1991 bis 1994 verschlug es ihn sogar als «Kreisablöser» bis nach Graubünden, wo er jeweils für einige Wochen aushalf. Besonders die Passfahrten durch den Schweizerischen Nationalpark, über den Ofenpass, den Umbrail und weiter zum Stilfser Joch hinterliessen bei ihm bleibenden Eindruck: «Es war fantastisch, das Panorama sowie Adler und Steinböcke zu sehen», erzählt Rosenberg, der damals noch ledig war.
Nur ein einziges Mal wäre der leidenschaftliche Postauto-Chauffeur seiner Firma beinahe untreu geworden. Denn der Vize-Präsident eines Modellbauvereins und stolze Besitzer einer Garteneisenbahn hegte noch einen zweiten Traum: einmal Lokführer zu werden. Anfang der 1990er-Jahre hatte er schon die Aufnahmeprüfung für die Lokführerausbildung in der Tasche. Dann gab es einen Einstellungsstopp bei der SBB. Als Jahre später ein Angebot kam, lehnte Rosenberg dankend ab. Mittlerweile war er mit seiner Frau Regina in Nesselnbach sesshaft geworden und fest in der Region verankert.
Elektrisch auf zwei Rädern
Die Umstellung auf Elektro-Gelenkbusse bei Steffen Bus wird Rosenberg, der nach eigenen Angaben «Diesel im Blut» hat, nicht mehr mitvollziehen, obwohl es ihn durchaus gereizt hätte, gibt er zu. Stattdessen will er nach der Pensionierung mit seiner «Prinzessin» auf zwei Rädern die Welt erkunden. Gemeinsam haben sie mit dem E-Bike bereits die ganze Schweiz und Europa erkundet. 7000 bis 8000 Kilometer wollen sie dieses Jahr voll machen: «Slowenien steht noch an, aber vermutlich erst im nächsten Jahr», erklärt Rosenberg. Dann soll es von Niederwil bis ans Mittelmeer und weiter bis Slowenien gehen. An ehrgeizigen Zielen fehlt es also auch nach der Pension nicht. So oder so: Ernst Rosenberg bleibt immer auf Achse.
Michael Lux