Meine stattliche Verwandtschaft war an dieser Stelle schon Thema. Besonders an Tanten und Onkeln fehlt es mir bis auf den heutigen Tag nicht, wenn es auch seit Jahren immer weniger werden. Natürlich waren wir vier Brüder gehalten, alle mit dem Ehrentitel Onkel oder Tante anzusprechen. ...
Meine stattliche Verwandtschaft war an dieser Stelle schon Thema. Besonders an Tanten und Onkeln fehlt es mir bis auf den heutigen Tag nicht, wenn es auch seit Jahren immer weniger werden. Natürlich waren wir vier Brüder gehalten, alle mit dem Ehrentitel Onkel oder Tante anzusprechen. Tante Maria, Onkel Richard, Tante Helene, Onkel Max, Tante Beatrix und so weiter und so fort. Einzig die jüngsten Schwestern meines Vaters legten Wert darauf, ebengerade nicht Tante gerufen zu werden. Magi und Moni reichten.
Als wären es nicht schon genug Vaterschwestern und Mutterbrüder gewesen, nannten wir auch weiter entfernte Verwandte Onkel und Tante. Onkel Max «Bini» Peterhans aus Fislisbach, eigentlich ein Cousin meines Vaters, war zeitlebens ein lebenslustiger Junggeselle und drückte uns bei seinen Besuchen oft einen Fünfliber in die Hand. Fürs Kässeli, natürlich. Oder Onkel Beda und Onkel Valentin Humbel, «vos Barone», beides Sportsmänner durch und durch und deshalb grosse Vorbilder. Sie und auch Tante Cilia, während Jahrzehnten Handarbeitslehrerin in Rütihof, schätzten die Ehrerbietung mit der Anrede. Die Alternativen wären Vetter und Base gewesen, die weibliche Form im Dialekt «Bäsi» wohl etwas weniger passend.
Zu all diesen echten und fast echten Tanten und Onkeln kamen noch weitere. Gute Bekannte oder Freunde von Mutter und Vater liefen ebenfalls unter diesen Bezeichnungen. Da waren beispielsweise Onkel Sebilon und Tante Margot aus dem Limmattal. Er machte zusammen mit meinem Vater die Lehre zum Maschinenschlosser bei Brown, Boveri & Cie. in Baden. In den kurzen Ferien jener Jahre absolvierten die beiden «Stifte» manche Radtour. Die längste führte sie in 14 Tagen über Genf, entlang der Rhone und der Adria nach Rom, über die Abruzzen zum Mittagessen bei einem in Birmenstorf tätigen Bauarbeiter und von dort über Stilfserjoch, Ofenpass, Flüela, Wolfgangpass und Kerenzerberg am Sonntagabend nach Hause. Schliesslich standen sie am Montag wieder an der Werkbank oder an der Drehbank.
Dass Sebilon eigentlich Hansjörg hiess, merkte ich erst viele Jahre später. Onkel Martin – einen solchen hatten wir eigentlich schon – hiess tatsächlich so und ist ein Dienst- und Gradkamerad unseres Vaters. Er wurde sogar Götti meines jüngsten Bruders, denn die Brüder meiner Mutter bekleideten dieses Ehrenamt bereits. Und mein Vater hatte fünf Schwestern.