Wie haben Sie es mit dem Fragen? Der Dichter Henrik Ibsen (1828 – 1906) meinte: «Zu fragen bin ich da, nicht zu antworten.» Als Journalist frage ich viel, fast zu viel, meint meine Frau, denn dann käme ich nie zum Zug, über mich nachzudenken. Aber von uns Kolumnisten ...
Wie haben Sie es mit dem Fragen? Der Dichter Henrik Ibsen (1828 – 1906) meinte: «Zu fragen bin ich da, nicht zu antworten.» Als Journalist frage ich viel, fast zu viel, meint meine Frau, denn dann käme ich nie zum Zug, über mich nachzudenken. Aber von uns Kolumnisten wird verlangt, dass wir kommentieren. Gerät die Kultur des Fragens nicht immer mehr unter die Räder der ungewollten Meinungen, der Besserwisserei von Nichtwissenden? Wie schrieb schon Bertold Brecht: «Der Vorhang fällt und alle Fragen sind offen.»
Vielleicht hat meine Frau recht. Ich lenke durch meine Fragerei einfach von mir ab. Also gut, ich suchte nach Fragen für diese Kolumne, um zu antworten. Die erste lautet:
«Was stört Sie an Begräbnissen?»
Gute Frage. Es wird zu viel über den Verblichenen gesprochen und nur Gutes. Warum nicht auch die charakterlichen Kanten benennen? Also bei mir wird es keine Reden geben, sondern nur Musik von Erik Satie oder Arvo Pärt mit anschliessendem Essen und gutem Wein. Wetten, dass dann viel ehrlicher über den von uns Gegangenen geplaudert wird? Nächste Frage.
«Mögen Sie Einzäunungen?»
Was für eine Frage. Natürlich nicht. Für den Wildwechsel ein Hindernis, für Schafe ein Schutz. Das Einzäunen kennt der Mensch seit seiner Sesshaftigkeit. Zuvor war das Nomadisieren die pure Freiheit, natürlich bis zur nächsten Sippe, die im Weg stand. Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert durch Philosophie und Wissenschaft hoffte man auf freies Denken und Fragen statt eingezäuntem Weltbild. Heute wissen wir, dass der Mensch damit überfordert ist und deshalb sich wieder in Sturheiten einkuschelt. Noch eine Frage. «Wie viele Freunde haben Sie zur Zeit?»
Zur Zeit? Ich denke da an Monika, Helmut, Elke … da wäre noch der Andreas, die Claudia, oder doch eher der Markus? In meiner E-Mail-Adress-Datei habe ich mal eine Gruppe «Freunde» erstellt. Gerade vor kurzem kam ein Name per Klick wieder raus. Aber warum? Weil der mich nie anruft? Gehört mein Lieblings-Apotheker, der Wirt meiner Stammkneipe oder die Buchhändlerin, die alles weiss, was ich lese, auch in den Freundeskreis? Also diese Frage lässt mich grübeln. Ab wann ist ein mir sympathischer Mensch ein Freund? Und was muss passieren, dass ich eine Person als Freund entlasse?
Gute Fragen lassen uns nachdenken. Übrigens, die stammen von Max Frisch und viele weitere gibt es in seinem Buch «Fragebogen», im Suhrkamp Verlag.