Gegenseitiger Austausch bringt Denkanstösse
01.04.2025 MellingenDie IG Aargauer Altstädte feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Zur Jubiläums-GV kamen die Mitglieder in der Stadtscheune zusammen
Die Vertreterinnen und Vertreter der im Verein aktiven Aargauer Altstädte trafen sich auch zum gegenseitigen Austausch in der Stadt Mellingen. ...
Die IG Aargauer Altstädte feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Zur Jubiläums-GV kamen die Mitglieder in der Stadtscheune zusammen
Die Vertreterinnen und Vertreter der im Verein aktiven Aargauer Altstädte trafen sich auch zum gegenseitigen Austausch in der Stadt Mellingen. Deren Altstadt befindet sich derzeit mitten im spannenden Umbruch.
Für den eben mit dem gesamten Vorstand wieder gewählten Vereinspräsidenten Peter C. Beyeler steht fest: Die Gründung Der IG Aargauer Altstädte vor zehn Jahren hat sich in jedem Fall gelohnt. «Wir haben Prozesse in Bewegung gebracht und Fragen gestellt», sagte er an der Jubiläums-GV in Mellingen («Reussbote» vom 28. März). Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, die Altstädte im Aargau als Standort- und Wirtschaftsfaktor zu stärken. Dabei spielt vor allem der Erfahrungsaustausch der zwölf involvierten Städte eine wichtige Rolle. Gleichzeitig versteht man sich als «Sparring-Partner» für diese. «Wir haben eine Plattform gegründet, auf der das Thema Altstadt regelmässig an Workshops thematisiert wird», ergänzt der ehemalige Regierungsrat. Neben Ideenplattformen und Erfahrungsgruppen zählt er die Etablierung von sogenannten City-Managerinnen und -managern in den meisten Städten zu den Errungenschaften, die der Verein mit angestossen hat. Diese sollen sich um die Koordination der Aktivitäten und den verschiedensten Ansprüche in den jeweiligen Altstädten kümmern. Bei der Gründung des Vereins vor zehn Jahren sei die Vision gewesen, die Altstädte zu lebensfrohen und lebenswerten Orten zu machen, an denen man gerne verweile, so Beyeler. Zum Teil scheint das gelungen: Mehr als 30 000 Stadtführungen habe man in 2024 im Kanton Aargau gezählt. Die besonders hohe Dichte historischer Altstädte im Kanton sei ein «Alleinstellungsmerkmal», findet auch Holger Czerwenka, Direktor Aargau Tourismus, der als einer der zahlreichen Gäste zum Jubiläumsanlass in die Stadtscheune kam und mit dem Verein zusammenarbeitet.
Herausforderungen bleiben
Die historische Bausubstanz bringt aber auch Herausforderungen für die Belebung der Altstädte – Stichwort Denkmalschutz. Der Verein setzt sich für die «zeitgemässe Nutzung» bei geschützten Objekten ein. Die Fragestellungen in den Altstädten sind laut Beyeler nach wie vor vielfältig: Der Detailhandel sei unter Druck. Gleichzeitig gilt es den Spagat zwischen der Belebung der Altstädte durch mehr Besucher sowie der Altstadt als Wohnraum zu meistern. Manche Liegenschaften würden zudem von Spekulanten aufgekauft. Die demokratischen Prozessen seien ausserdem sehr zeitintensiv, weiss der Präsident, für den die Chancen trotz allem überwiegen. «Wir möchten die Städte animieren, zu handeln», sagte Beyeler. Dies sei besser, als passiv zu reagieren. Das Potenzial sei vorhanden, es brauche aber verantwortliche Personen, welche die anderen mitzögen, lautete sein Appell: «Kontinuität bringt uns in Fahrt», so sein Credo. Daher habe man im vergangenen März beschlossen, die Tätigkeit des Vereins auf weitere fünf Jahre bis 2029 auszurichten. Für dieses Jahr sind wieder Ideenplattformen geplant – unter anderem zum Thema Zweiradverkehr in den Städten. Begrünung und Klimamassnahmen sollen ebenfalls diskutiert werden. Darüber hinaus wird es weitere Erfahrungsplattformen und einen Altstadtgipfel geben.
«Eine Idee zu haben, reicht nicht»
Im zweiten Teil des Anlasses kamen die Gastgeber zu Wort. Vorstandsmitglied Oliver Bachmann holte Mellingens Stadtpräsidentin Györgyi Schaeffer zur Podiumsdiskussion auf die Bühne. Gemeinsam mit Urs Affolter, Projektleiter der Plaza-Workshops sowie Liegenschaftsbesitzer Martin Rubi ging es um die Auswirkungen der Umfahrung auf die Altstadtentwicklung. Es sei eine intensive Zeit mit vielen «Learnings», sagte Schaeffer. Jedes neue Projekt bringe seine Eigenheiten mit. Die Bevölkerung beteilige sich rege, wolle aber auch informiert werden: «Man kann eigentlich nie zuviel informieren», so eines ihrer Fazits. «Ich habe die Stimmung als sehr positiv wahrgenommen», fand Urs Affolter. Es herrsche eine gewisse Aufbruchsstimmung im Städtli. Martin Rubi gehört die Liegenschaft Scharf Eck in der Hauptgasse. Er habe eine spannende Entwicklung festgestellt, so Rubi. Als der Verkehr nach dem Bau der Umfahrung auf 1300 Fahrzeuge pro Tag reduziert werden sollte, habe es zunächst einen grossen Aufschrei gegeben, nun habe aber ein faszinierendes Umdenken stattgefunden. Wenn man eine Liegenschaft in der Altstadt erwerbe, brauche man allerdings viel Idealismus. Um zur Belebung der Hauptgasse beizutragen, will er – sobald die künftige Strassenbaustelle es zulässt – mit der Sanierung seiner Liegenschaft beginnen und diese soweit als möglich in den historischen Urzustand versetzen. «Wenn die Politik uns keine Steine in den Weg legt, kommt es nicht schlecht», glaubt er. Wie sich die Beruhigung der Altstadt auf die Preise und die Attraktivität ausgewirkt hätten, wollten die Anwesenden, darunter auch viele Stadtpräsidentinnen und -präsidenten, wissen. Es bleibe eine Herausforderung, die Altstadt nach der Aufwertung der Hauptgasse zu beleben, so Schaeffer. Die Preise seien bisher nicht gestiegen, ergänzte Stadtrat Beat Gomes, der selbst in der Altstadt wohnt. Die Liegenschaftsbesitzer hätten es jedoch schwer, geeignete Pächter für ihre Ladenlokale zu finden. So habe man bereits zwei Barber-Shops in der Strasse, beklagte er. «Als Stadtrat sind wir fast hilflos, wir können die Liegenschaften nicht kaufen», so Gomes.
Erweiterung durch Birrfeldstrasse
Urs Affolter betonte, dass man nicht nur auf die Hauptgasse fokussiert sei. Es seien ebenfalls Massnahmen für die Belebungen abseits der Hauptgasse geplant. Györgyi Schaeffer zog noch einen grösseren Rahmen: «Mir steht eine Entwicklung vor Augen, wo ein neues Zentrum an der Birrfeldstrasse entsteht», erklärte sie. Dort plant ein privater Investor eine grosse Überbauung. Diese könnte mit der Altstadt und dem Reussufer zu einem erweiterten Zentrum verbunden werden. Das Zentrum erreiche so eine «kritische Grösse», welche die Besucherinnen und Besucher zum längeren Verweilen einlade, so Schaeffer. Ihre Ratskollegen Hanspeter Koch und Vizestadtpräsident Silvan Herzig seien just im Moment an einer Jurysitzung für den privaten Gestaltungsplan an der Birrfeldstrasse, verriet sie. Insgesamt sechs Architekten hätten sich an einem Studienauftrag beteiligt, aktuell seien noch drei im Rennen, so Schaeffer, die in einem Referat noch einmal im Detail die Entwicklung seit dem Bau der Umfahrung nachzeichnete. Die Birrfeld- und Lenzburgerstrasse steht für die Stadt jedoch erst 2028 auf der Agenda, nach Abschluss der Sanierung der Hauptgasse und der Alten Reussbrücke. Man lasse die finanziellen Mittel Projekt für Projekt von der Gemeindeversammlung bewilligen, so Schaeffer auf die Frage aus dem Plenum, ob es einen Gesamtfinanzierungstopf für die Altstadtentwicklung gebe. Man müsse die Prozesse gut aufgleisen und die Leute mitnehmen, sonst scheitere man, bekräftigte Urs Affolter. Mitgenommen wurden im Anschluss auch die Gäste zu einem kurzen Stadtspaziergang, bei dem die Stadtpräsidentin sowie die Stadträte Martin Huber und Beat Gomes die bisherigen Massnahmen erläuterten. Anschliessend ging es zum weiteren Austausch beim Abendessen im Alterszentrum Im Grüt. Dort wartete bereits hoher Besuch: Landammann Dieter Egli persönlich überbrachte der IG Aargauer Altstädte zum Jubiläum die Grüsse der Aargauer Regierung.
Michael Lux