Seit ich Gemeindeammann bin, habe ich jeden Herbst von unserer Jagdgesellschaft eine nette Einladung zur Teilnahme an der herbstlichen Treibjagd erhalten. Gar nicht mein Ding, dachte ich. So tat ich, was man in solchen Fällen jeweils tut: Ich fand und formulierte eine nette Entschuldigung. ...
Seit ich Gemeindeammann bin, habe ich jeden Herbst von unserer Jagdgesellschaft eine nette Einladung zur Teilnahme an der herbstlichen Treibjagd erhalten. Gar nicht mein Ding, dachte ich. So tat ich, was man in solchen Fällen jeweils tut: Ich fand und formulierte eine nette Entschuldigung. Nein, die Teilnahme ging einfach nicht. Ich muss erwähnen, dass ich ein echtes Problem mit Gewehren habe. Sie lösen bei mir derart mulmige Gefühle aus, dass ich den Umstand quasi als Beleg nehme, in früheren Leben schlimme Sachen mit Gewehren erlebt zu haben. Egal – ich will einfach mit Gewehren nichts zu tun haben.
Vor drei Jahren nun trat der Fall ein, dass ich einfach keine schlüssige Entschuldigung fand. Da ich im Gemeinderat auch für den Wald zuständig bin, gab ich mir einen Ruck und meldete mich an. Ich erlebte einen sehr langen Jagdtag voller Gemeinschaft, dem Gefühl einer nützlichen Aufgabe, Spannung und vielen Ritualen. Mit anderen Worten: Ganz wider Erwarten hat es mir gefallen. Ein Jagdtag startet jeweils kurz nach Tagesanbruch mit freundlichem Händeschütteln und dem «Anblasen» mit den Jagdhörnern. Zur Jagdgesellschaft gehören die Jäger und die Treiber, mit denen ich dann unterwegs bin. Die Treiber haben die Aufgabe, aufgereiht durch den Wald zu gehen und die Rehe aus ihren Verstecken zu bewegen. Das hat nichts mit der Hetzjagd hoch zu Pferd zu tun. Es ist für mich äusserst spannend, quer durch den Wald zu gehen und ihn mal ganz anders zu erleben als auf den Waldwegen. Wir treffen auf Feuchtgebiete, Brombeerdornen, Dickichte und umgefallene Bäume – es ist teilweise sehr anstrengend. Die Treiber tragen eine Leuchtweste, machen Lärm und werden daher nicht mit Wild verwechselt. Ab und zu hallt ein Schuss durch den Wald. Wurde das Reh getroffen? Wer kann sich ein «Waidmanns Heil» der Jägerfreunde abholen? Nach jedem Treibgang wird abgeholt, wer ein Reh gesehen hat und ob er bzw. sie schiessen konnte. Ja, es gibt einige Frauen in der Jagdgesellschaft. Die Jägerinnen und Jäger erfüllen eine nützliche Aufgabe. Ohne sie würde der Jungwuchs abgefressen und die natürliche Verjüngung des Waldes gestoppt. Denn bekanntlich haben die Rehe bei uns keinen Fressfeind mehr. Da die Bären und Luchse ausgerottet wurden, muss der Mensch diese Aufgabe übernehmen. Und da ich selbst gerne Wildfleisch esse, bin ich sehr froh, gibt es unsere Jagdgesellschaft.