«Ich liebe den Satz ‹Chunnt scho guät›»
04.07.2025 MellingenDas Migros-Restaurant bleibt bestehen – doch die Betriebsleiterin verlässt Mellingen in diesen Tagen
Sie hat dem Migros-Restaurant Mellingen ein Gesicht gegeben: Betriebsleiterin Silvia Schenk. Nach knapp drei Jahren verlässt die 28-Jährige Mellingen in Richtung ...
Das Migros-Restaurant bleibt bestehen – doch die Betriebsleiterin verlässt Mellingen in diesen Tagen
Sie hat dem Migros-Restaurant Mellingen ein Gesicht gegeben: Betriebsleiterin Silvia Schenk. Nach knapp drei Jahren verlässt die 28-Jährige Mellingen in Richtung Afrika.
Silvia Schenk stand oft an der Kasse. Die herzliche junge Deutsche hatte für jede und jeden ein Lächeln und ein freundliches Wort parat. Sie gab einem das Gefühl, willkommen zu sein. In den letzten Tagen hat sie sich von allen verabschiedet, denn die Betriebsleiterin verlässt die Migros und die Schweiz. Die junge Frau kehrt nach Namibia zurück, wo sie aufgewachsen ist. «Manche Gäste waren sehr überrascht, dass ich nicht aus Deutschland stamme», sagt sie. Namibia war bis zum Ende des Ersten Weltkrieges eine deutsche Kolonie mit dem Namen Deutsch-Südwestafrika. Ihre Familie väterlicherseits wanderte vor fünf Generationen dorthin aus, die Familie mütterlicherseits vor drei.
Nur noch ein Prozent Deutsche
Ansässige Deutsche machen zwar nur ein Prozent der Bevölkerung aus, die Deutschen aus Deutschland bilden aber eine grosse Gruppe in der aufstrebenden Tourismusdestination. «Ich komme aus der Hauptstadt Windhoek und bin dreisprachig aufgewachsen mit Englisch in der Schule, Afrikaans in der Öffentlichkeit und Deutsch zu Hause», erzählt die abtretende Betriebsleiterin. Bevor sie 2023 in die Schweiz kam, lebte sie einige Jahre in Deutschland bei Siegen, sammelte Berufserfahrungen in Bars, Restaurants, Nobelhotels und der Systemgastronomie. «Die Entscheidung, in die Schweiz zu gehen, kam mega spontan. Nach zwei Wochen hatte ich einen Job», erzählt sie. Sie arbeitete zuerst in einem Start-up, doch die Chemie stimmte nicht. Schenk ist sehr gut ausgebildet, diplomierte Hotelfachfrau und hat auch das Schweizer Wirtepatent gemacht. Im Februar 2023 startete sie bei der Migros, wurde als Trainee in Buchs eingearbeitet und auf ihre Fähigkeiten geprüft, bevor sie im August 2023 die Leitung des Migros-Restaurants in Mellingen übernehmen durfte. Stolz ist sie darauf, dass die Personal-Fluktuation in ihrer Zeit fast gleich null war. Dieses Jahr stand auf der Kippe, ob der Grossverteiler das Restaurant weiterbetreiben würde. Doch dann folgte die gute Nachricht: Mellingen behält sein Migros-Restaurant, weitherum das einzige. «Die ganze Arbeit, die wir hineingesteckt haben, hat sich gelohnt», sagt Schenk stolz.
Das Restaurant sei ein Mehrwert für Mellingen. Lustig fand Schenk beim urschweizerischen Grossverteiler den Begriff der «Migros-Kinder». Und sie wagt eine Prognose: «Wenn die Migros schon 100 Jahre existiert, habe ich vollstes Vertrauen, dass sie weitere 100 Jahre bestehen wird.» Sie sei der Migros dankbar für die besuchten Weiterbildungen und die vielen Erfahrungen, die sie machen durfte, sagt sie, «aber auch ein grosses Merci an mein Team und die Stammgäste.»
Freundlichkeit und Sicherheit
Schenk hat auch ein wenig Mundart gelernt. «Mein Lieblingsausdruck ist ‹Es chunnt scho guät›», sagt sie und lacht. Sie schätze in der Schweiz die Freundlichkeit der Menschen und der hohe Lebensstandard. Aber auch die Sicherheit. Sie könne zum Beispiel als Frau ohne Probleme nachts joggen gehen. In Namibia will sie bald ihr erworbenes Wissen weitergeben, als Beraterin im Tourismus und der Gastronomie tätig sein. Sie ist gespannt, ob sie sich nach einigen Jahren in Europa in Afrika wieder einleben kann. «Europa hat die Uhren und Afrika hat die Zeit, sagen wir.» Will heissen: Es geht alles etwas langsamer. Die Probleme seien oft existenzieller als hier – zum Beispiel Wasser zu haben oder nicht. Das Zwischenmenschliche spiele ein grosse Rolle. «Die Menschen helfen einander. Eine Hand wäscht die andere.» Langweilig wird es der weltoffenen Frau bestimmt nicht. Die Gastronomin hat für den kommenden Winter bereits einen Saisonvertrag in einem Kite-Surf-Hotel in Fortaleza in Brasilien unterschrieben. Man kann sich vorstellen, dass sie Erfolg haben wird wie in Mellingen. Ihr Nachfolger im Migros-Restaurant, Vincenzo Cummo ist ein erfahrener Betriebsleiter. Er arbeitet seit 38 Jahren bei der Migros.
Marc Benedetti