Kampf mit unterschiedlich langen Spiessen
08.08.2025 Region Reusstal, Region RohrdorferbergDie US-Zölle in Höhe von bis zu 39 Prozent sorgen für Unsicherheit bei den Unternehmen auch in der Region
Die deutlich höheren US-Zölle auf Importe aus der Schweiz könnten hiesige Firmen im internationalen Wettbewerb – vor allem mit der EU – enorm ...
Die US-Zölle in Höhe von bis zu 39 Prozent sorgen für Unsicherheit bei den Unternehmen auch in der Region
Die deutlich höheren US-Zölle auf Importe aus der Schweiz könnten hiesige Firmen im internationalen Wettbewerb – vor allem mit der EU – enorm schwächen. Das befürchten teilweise auch Unternehmen aus der Region.
Kein Deal mit Donald Trump», diese Nachricht schreckte vor wenigen Tagen die Schweizer Wirtschaft auf. Dass noch in letzter Sekunde eine Einigung mit den USA im Zollstreit erreicht werden würde, galt da schon als unwahrscheinlich, was sich am Donnerstagmorgen kurz vor Redaktionsschluss bestätigte. Einen «Zoll-Hammer» nannte der Schweizerische Gewerbeverband die Zölle schon bei der Ankündigung und forderte weitere Verhandlungen sowie einen Ausbau der Freihandelsabkommen mit anderen Ländern. Die Schweizer Wirtschaft müsse zudem durch Bürokratieabbau entlastet werden. Von einer «Hiobsbotschaft» für die exportorientierte Aargauer Wirtschaft sprach die Aargauische Industrie- und Handelskammer (AIHK). Die Unternehmen hätten nicht nur mit dem sehr hohen Zollsatz, sondern mit ungleich langen Spiessen zu kämpfen, da die EU nur mit 15 Prozent Exportzöllen belegt werde. «In Bezug auf die US-Zölle spüren wir bei den Unternehmen eine erhebliche Verunsicherung. Besonders betroffen sind Unternehmen aus der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sowie aus der Nahrungs- und Getränkeindustrie – sofern sie in die USA exportieren», so Markus Eugster, Leiter Kommunikation bei der AIHK.
USA ist wichtiger Absatzmarkt
«Unsere Produkte werden im amerikanischen Markt auf einen Schlag 39 Prozent teurer», erklärt Yannick Berner zu den Auswirkungen der Zölle auf sein Unternehmen. Berner ist Grossrat und Co-CEO der Urma AG, die in Mägenwil einen Zweitsitz baut. Die Firma produziert hoch spezialisierte Präzisionswerkzeuge für die Metallbearbeitung und handelt mit CNC-Werkzeugmaschinen sowie industriellen 3D-Druckern. Neben der Schweiz hat sie Niederlassungen in Deutschland, USA und China. Die USA seien für die Firma ein zentraler Absatzmarkt, so Berner: «Die US-Exporte machen circa 20 bis 25 Prozent unseres Umsatzes aus». Auf dem amerikanischen Markt hätte die Konkurrenz aus der EU und Japan aufgrund der niedrigeren US-Zölle eine wesentlich bessere Ausgangslage: «Wir haben keine Möglichkeit unsere Kosten kurzfristig zu senken», so Berner. Er hoffe dennoch, den bisherigen Umsatz halten zu können. Dies sei jedoch nicht einfach: «Einen neuen Markt aufzubauen, dauert bei unseren kundenspezifischen Produkten etwas Zeit», so der Unternehmer. Allgemein wirkten sich Zölle in einem Exportland wie der Schweiz negativ auf die Konsumstimmung und somit die Wirtschaft aus. Die indirekten Auswirkungen der Zölle würden auch Firmen spüren, die nicht direkt in die USA exportieren. Von der Politik fordert Berner die Stärkung und den Ausbau von Handelsabkommen mit anderen Ländern sowie einen Abbau der Regulierungen und eine Verlängerung der Kurzarbeitsdauer.
Know-how schützt vor Konkurrenz
Inwieweit er selbst von den US-Zöllen betroffen ist, weiss Rainer Honegger, Chef der Honegger forming Switzerland AG in Mägenwil, bisher noch nicht. «Wir stellen ein Kohlefaserbauteil für die amerikanische Flugzeugindustrie her», berichtet er. Das Bauteil gehört zum Gehäuse für die Positionsund Kollisionslichter eines amerikanischen Business-Jets. Ein Teil des Gehäuses wird in Mägenwil montiert, danach geht dieses nach Deutschland zu einer Tochterfirma des US-Konzerns, wo die Elektronik eingebaut wird. Bei einem weiteren Unternehmen in Österreich erfolgt der Einbau in den Flugzeugflügel, der dann in die USA geliefert wird. «Wenn wir die Papiere für den Export herstellen, steht dort als Ursprungsland: Switzerland», so Honegger. Nicht klar sei aktuell, ob dies bei der Ausfuhr des fertigen Produkts in die USA vermerkt ist.
Noch bleibt Honegger aber gelassen: «Wir haben eine unikate Dienstleistung und ein Produkt, das sonst nirgends auf der Welt so schnell in dieser Qualität hergestellt werden könnte.» In seinem Produkt stecke jahrelange Entwicklung. In der Flugzeugindustrie brauche es darüber hinaus für jedes Bauteil umfangreiche Bewilligungen und Zertifizierungen. Ein Prozess, der allein Monate lang brauche
– ganz zu Schweigen vom Einarbeiten der Mitarbeiter. In der Schweizer Wertschöpfung durch Innovationen sowie der hiesigen Berufsbildung sieht Honegger das grösste Pfund gegen die Konkurrenz: «Die Schweiz ist ein sehr attraktiver Partner für andere Nationen», glaubt er. Im Zweifelsfall müsse man sich nach alternativen Lösungen umsehen. In Trumps Zollpolitik sieht er dagegen reines Muskelspiel. Das letzte Wort sei aber noch nicht gesprochen, glaubt er noch Mitte der Woche. Er selbst will das Ganze zur Not aussitzen: «Wir haben noch für ein Jahr Arbeitsreserve», erklärt er. Der Kunde habe diese aber, wohl aufgrund der jüngsten Entwicklungen, bereits auf zwei Jahre gestreckt. «Vielleicht werden wir die Produktion kurzfristig etwas zurückfahren, bis adäquate Lösungen gefunden sind – oder bis ein neuer Präsident gewählt wird», so Honegger.
Michael Lux