Katholikinnen würdigen Gemeindepolitikerinnen
13.06.2025Region: Rund hundert Aargauer Gemeindepolitikerinnen erhalten im August den Frauenpreis des Aargauischen Katholischen Frauenbundes
Morgen ist Frauenstreiktag. Warum dieser Streik auch mit dem diesjährigen Frauenpreis des Katholischen Frauenbundes zu tun hat und was vier ...
Region: Rund hundert Aargauer Gemeindepolitikerinnen erhalten im August den Frauenpreis des Aargauischen Katholischen Frauenbundes
Morgen ist Frauenstreiktag. Warum dieser Streik auch mit dem diesjährigen Frauenpreis des Katholischen Frauenbundes zu tun hat und was vier Preisträgerinnen vom Preis und der damit verbundenen Würdigung halten, das erzählt der «Reussbote».
Jahr für Jahr verleiht der Aargauische Katholische Frauenbund
(AKF) einen Frauenpreis. Der Name ist Programm, denn dieser Preis geht an eine Frau oder an eine Organisation, die sich für das Wohl von Frauen, Kindern und Familien einsetzt. Das geschieht dieses Jahr zum 29. Mal. Zwar dauert es noch ein Weilchen bis die Verleihung am 17. August im Casino Bremgarten durchgeführt wird. Gewürdigt werden dann 96 Frauen, unter ihnen auch einige aus der Region. Der Frauenpreis 2025 geht an Frauen, die im Aargau als Vize- oder als Gemeindeammann ihren Gemeinden vorstehen.
Preis für Gemeindepolitikerinnen
In den 13 Gemeinden im Einzugsgebiet des «Reussbote» üben vier Frauen dieses Amt aus: Seit 2018 ist Marianne Stänz in Birmenstorf am Ruder, in Mellingen ist Györgyi Schaeffer seit 2022 Stadtpräsidentin, ebenso lange sind in Niederrohrdorf Gisela Greder und in Remetschwil Vreni Sekinger Frau Gemeindeammann. Diese vier Frauen arbeiten – notabene – alle als einzige Frau im jeweils fünfköpfigen Gemeinderat.
In sieben Gemeinden bekleiden Frauen die Position der Frau Vizeammann: Simone Bertschi in Fislisbach, Marlène Fehlmann in Mägenwil, Cornelia Stutz in Niederwil, Monika Locher in Oberrohrdorf, Barbara Fischer in Stetten, Daniela Kramer in Tägerig und Yvonne Spreuer in Wohlenschwil.
Sie alle werden «für ihr Engagement und ihre ermutigende Vorbildfunktion an der Basis des Gemeinswesens im Kanton Aargau» ausgezeichnet. Der AKF will laut Mitteilung zeigen, wie wichtig Frauen in der Politik sind: «Weil Gemeinderätinnen am nächsten bei der Basis wirken, wollen wir diese politischen Engagements hervorheben und die Gesellschaft und insbesondere Frauen zu politischem Handeln ermutigen. Ebenso wollen wir Frauen würdigen und bestärken, die als Vize- und Gemeindeammann tätig sind.»
Die Frauenpreis-Kommission setzt sich aus Pia Viel, Carmela D’Angelo Manzo, Marlies Höchli-John, Marion Schading, Jolanda Wüstner Mendoza und aus der Region aus Doris Sartor-Gächter und Vroni Peterhans zusammen. Die Kommission schlägt jedes Jahr eine Organisation oder eine Person für diesen Preis vor. Dabei gehöre es zu den Leitlinien des AKF, sich mit seinen Themen in die Gesellschaft einzubringen, erklärt auf Anfrage Vroni Peterhans.
Der Einfluss streikender Frauen
Peterhans selbst ist keine Unerfahrene. Sie engagierte sich während vielen Jahren als Vizepräsidentin im Vorstand des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes, der heute rund 100 000 Mitglieder zählt. Vor sechs Jahren, am 14. Juni 2019, lief sie als Kirchenfrau am Frauenstreik in Aarau mit. Sie war damals eine von vier Hauptrednerinnen und forderte «Gleichberechtigung.Punkt.Amen» in der katholischen Kirche.
Viel weiter gefasst ist die Würdigung von Frauen durch den AKF-Frauenpreis, der seit 1997 verliehen wird und mit insgesamt 20 000 Franken dotiert ist. Letztes Jahr wurde Irene Gassmann, Priorin im Kloster Fahr in
Würenlos gewürdigt – Ehrengast war die damalige Bundespräsidentin Viola Amherd (grosses Foto). Die Priorin erhielt den Preis, weil sie sich in der katholischen Kirche zur Rolle der Frau sowohl in spiritueller als auch in kirchenpolitischer Hinsicht äussert. In anderen Jahren ging der Preis auch an soziale Werke.
Unterschiede in der Themenwahl
Warum aber fiel die Wahl für den Frauenpreis dieses Jahr auf nahezu hundert Gemeindepolitikerinnen im Aargau? Dazu äussert sich die Niederrohrdorferin Peterhans. Zwar sei soziales Engagement für die Gesellschaft sehr wichtig, meint sie. Sie betont dennoch: «Wenn wir helfen wollen, die Welt mitzusteuern, müssen sich Frauen auch in der Politik engagieren und gut vertreten sein.» In durchmischten Teams erkenne man erwiesenermassen Unterschiede bei der Themenwahl oder auch bei der Vergabe von Geldern. Und der Frauenstreik von 2019 habe eine grosse Welle an politischem Engagement unter Frauen ausgelöst. Diese Welle sei inzwischen abgeflacht, bedauert sie. «Dabei sollen sich Frauen weiterhin politisch einbringen, sowohl jüngere als auch ältere.»
Mit dem jüngsten AKF-Frauenpreis werden deshalb Exekutivpolitikerinnen auf Gemeindeebene gewürdigt. Denn die Kommission vertritt die Meinung, dass die Arbeit im Gemeinderat zu den mutigsten Positionen in der Politik gehört, weil Frauen (und auch Männer) in der Lokalpolitik ständig einem direkten Gegenwind ausgesetzt seien: «Im Lädeli, im Verein oder auf der Strasse.» Vor allem aber ist die Kommission überzeugt, dass der Gemeinderat ein Spiegelbild der Gesamtbevölkerung darstellen soll.
Wenn Mitte August nahezu hundert Aargauer Gemeindepolitikerinnen in Bremgarten zusammen feiern, ist auch die Aargauer Nationalrätin Irene Kälin mit von der Partie, die ihr Grusswort an die Frauen richten wird.
Heidi Hess
Marianne Stänz, Birmenstorf
«Ich bin etwas ambivalent, was diese Auszeichnung betrifft», sagt Marianne Stänz, Frau Gemeindeammann in Birmenstorf (die Mitte). «Einerseits freue ich mich sehr. Auch auf den Ehrungsanlass mit meinen tollen Kolleginnen. Andererseits ist diese Ehrung ein Zeichen dafür, dass wir immer noch in der Minderheit sind und unsere Führungsfunktionen etwas Spezielles sind.»
Gleichstellung bedeutet für sie, dass Frauen und Männer alle Aufgaben zur Hälfte teilen. Von 50 Prozent Frauenanteil seien Gemeindeexekutiven weit entfernt. Dabei würden Frauen ihre Lebenserfahrung und oft eine andere Perspektive in Sachdiskussionen einbringen: «Das ist eine Bereicherung und bringt definitiv ausgewogenere Entscheidungen.» Im Durchschnitt seien den Frauen die Menschen wichtiger als die Finanzen. Letztlich seien weiblich geprägte Eigenschaften in jedem Gemeinderat wichtig: Sich einfühlen und gut kommunizieren, geduldig sein und etwas aushalten können. «Sicher gilt für alle Gemeinderäte: Man muss Menschen gernhaben.» Für sie sei immer selbstverständlich gewesen, dass sie das Gleiche könne wie Männer. Sie bedauert, dass Frauen oft viel mehr Überredung und Unterstützung brauchen, bis sie den Mut finden, als Gemeinderätin anzutreten. (hhs)
Györgyi Schaeffer, Mellingen
«Diese Auszeichnung ist schön und traurig. Schön ist die Anerkennung unserer Arbeit. Sie zeigt aber auch, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir, Frauen, uns auf Gemeindeebene politisch engagieren. Wäre das der Fall, würden auch unsere männlichen Kollegen solche Auszeichnungen erhalten», sagt Györgyi Schaeffer, Stadtpräsidentin in Mellingen (parteilos).
Auf die Frage, warum Frauen im Gemeinderat mitwirken sollen, entgegnet sie: «Warum nicht? Spricht etwas dagegen? Sind Frauen nicht Teil der Gesellschaft? Die Mitwirkung der Frauen sollte eine Selbstverständlichkeit sein.» Niemand komme auf die Idee, zu fragen, warum Männer in der kommunalen Exekutive mitwirken sollen. Keine pauschale Antwort habe sie auf die Frage, ob Frauen andere Politik als Männer machen. Vieles sei eine Frage des Charakters. Frauen und Männer würden sich ergänzen: «Die einen können ihre Potenziale ohne die anderen nicht vollumfänglich entfalten.»
Letztlich ist Schaeffer überzeugt, dass sich Frauen mehr zutrauen müssen. Fähigkeit und Leistungsbereitschaft wären bei vielen Frauen vorhanden, aber es fehlt oft an ausreichendem Selbstwertgefühl. Dieses bedauerliche Phänomen führe zu einer Verschwendung von wichtigen Ressourcen. (hhs)
Gisela Greder, Niederrohrdorf
«Dieser Preis ist eine Anerkennung für unsere Kommunalpolitik. Ich fühle mich als Frau in der Politik speziell wahrgenommen.
Ich fühle mich auch geehrt, dass dieser Preis an uns Frauen Gemeindeammann und Vizeammann geht», meint Gisela Greder, Frau Gemeindeammann in Niederrohrdorf (parteilos).
Greder ist gegen Quoten, erachtet es aber als wichtig, dass Frauen in der Gemeindepolitik vertreten sind: «Gemischte Teams arbeiten immer besser.» In der Kommunalpolitik könne man einiges bewegen und ganz viel lernen. «Sicher machen Frauen andere Politik als Männer», ist sie überzeugt, «weil sie andere Perspektiven, Prioritäten und Erfahrungen in die Politik einbringen.» Das mache ihre Beteiligung besonders wertvoll für eine ausgewogene, gerechte Gesellschaft – denn vielfältige Stimmen führen zu besseren Entscheidungen für alle. Frauenpolitik ziele vor allem auf die Beseitigung von Diskriminierung und Ungleichheit ab, die Frauen aufgrund ihres Geschlechts erfahren. «Ein zentraler Fokus ist die Förderung von Rechten und Chancen für Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen (Arbeit, Bildung, Familie, Politik).» Um Frauen für die Politik zu gewinnen, spricht Gisela Greder die Frauen direkt an. (hhs)
Vreni Sekinger, Remetschwil
«Diese Auszeichnung und die Einladung zur Preisverleihung hat mich sehr überrascht, aber natürlich auch gefreut», sagt Vreni Sekinger, Frau Gemeindeammann in Remetschwil (parteilos). «Überrascht, weil die Arbeiten in Kirche und Staat traditionell strikte getrennt werden.»
Vreni Sekinger ist aus mehreren Gründen der Ansicht, dass Frauen in der kommunalen Exekutive mitwirken sollen, weil sie dadurch den weiblichen Bevölkerungsanteil adäquat vertreten, weil sie dies genauso gut können wie Männer, weil ein «gemischtes» Gremium Diskussionen anders führt und weil sie zusätzliche Aspekte aus ihrer Arbeitswelt einbringen.
«Ja», ist sie überzeugt, «Frauen politisieren anders als Männer. Sie nehmen sich meist selber nicht so wichtig wie die männlichen Kollegen. (Es gibt durchaus aber auch Diven, die anders ticken.) Frauen setzen sich oft für breit abgestützte Lösungen ein ohne auf persönliche Vorteile abzuzielen.» Um Frauen für diese Tätigkeit zu ermutigen, erachtet Sekinger das persönliche Gespräch als die beste Variante. Notwendigkeit bestehe nach wie vor. Leider würden sich immer noch viele Frauen ein solches Amt nicht zutrauen, sie differenzieren zu wenig zwischen «es geht um die Sache» respektive «es geht um mich». (hhs)
Männermehrheit in zehn Gemeinden
In der kommunalen Exekutive engagieren sich in den 13 Gemeinden im Einzugsgebiet des «Reussbote» neben den Frauen, die Gemeindeammann oder Vizeammann sind, zusätzlich elf Frauen als Gemeinderätinnen: Dies tun Nicole Andermatt (Birrhard), Seraina van Baar und Seraina Siragna (Künten), Marina Filoni und Tülin Hamurtekin (Mägenwil), Martina Balmer (Niederwil), Severine Jegge und Angela Kaiser-Michel (Oberrohrdorf), Brigitte Businger und Claudia Hoppler (Stetten) und schliesslich Gabriela Keller (Wohlenschwil).
Die fünfköpfige Exekutive setzt sich in diesen 13 Gemeinden aus insgesamt 22 Frauen und 42 Männern zusammen. In zehn Gemeinden bilden Männer die Mehrheit. In den drei Gemeinden Mägenwil, Oberrohrdorf und Stetten sind Frauen stärker vertreten. (hhs)