Ich wuchs in kriegerischen Zeiten auf, gleich nach dem Korea- und während des Vietnamkrieges, in der friedlichen Schweiz, im sogenannten Kalten Krieg. Die Kriege kamen per Zeitung und später per Fernsehen in unsere Stube. Die Eltern meiner Generation lebten noch direkt umgeben von ...
Ich wuchs in kriegerischen Zeiten auf, gleich nach dem Korea- und während des Vietnamkrieges, in der friedlichen Schweiz, im sogenannten Kalten Krieg. Die Kriege kamen per Zeitung und später per Fernsehen in unsere Stube. Die Eltern meiner Generation lebten noch direkt umgeben von kriegsführenden Nationen.
Tatsächlich war die Schweiz im Zweiten Weltkrieg chancenlos. Wenn man realistisch sein will, war die Neutralität nur ein Fetzen Papier, die Armee, angesichts der Bevölkerungszahl gross, aber im Vergleich klein. Das wussten alle. Trotzdem gab es kaum Widerspruch gegen die Doktrin: «Wenn wir angegriffen werden, verkaufen wir uns so teuer wie möglich. Wenn der Widerstand bricht, zieht sich die Armee in die Berge zurück.» Wahnsinn, aber der Wehrwille war gross. Natürlich malte sich so mancher aus, wie er sich mit den deutschen Besatzern arrangieren würde. Das Leben musste auch im schlimmsten Fall weitergehen, die Österreicher machten es uns vor. Gut, dass es anders kam.
Heute, im russisch-ukrainischen Krieg zählen andere Kriterien. Russland sieht sich militärisch von der NATO, wirtschaftlich von der EU und gesellschaftlich von der Demokratie bedroht. Russland hat nach dem Fall der Sowjetunion keine Transformation durchlebt. Es bleibt das alte expansionistische Zarenreich (aktuell unter «Zar» Wladimir Putin). Russland wehrt sich mit Zähnen und Krallen gegen die Veränderung. Es fühlt sich nackt mit EU-Staaten direkt an seiner Westgrenze. Die EU-Osterweiterung war ein Riesenfehler. Es hätte klügere Alternativen gegeben, die Russland geschickt eingebunden hätten, als das noch möglich war.
Die Ukraine kann den Krieg nicht gewinnen, mit westlicher Hilfe nur endlos verlängern. Sie muss den Weg gehen, der uns vor 90 Jahren erspart blieb. Die Alternative ist, den unterwerfenden Frieden wie ihn die USA mit Russland aushandelt, zu akzeptieren. Aber die Konsequenzen wären fatal: Russland hat mächtige Ressourcen an Bodenschätzen. Aber an einer Ressource mangelt es ihm, das sind Menschen. Erlangt Russland die Kontrolle über die Ukraine, kann es sich die Wiederherstellung des Status Quo vor dem Niedergang der UdSSR mithilfe von Millionen zum Militärdienst gepressten ukrainischen Soldaten erkämpfen. Unter Schonung der eigenen Bevölkerung, die den Zar wieder wählen wird.
Dies war meine letzte Kolumne. Ich reiche den Stab weiter. Bleiben Sie aufmerksam.