Natürlich meine ich den Schwingerkönig. Die Schweiz ist so wenig eine Monarchie, wie die Präsidenten der grössten Nationen momentan gute Demokraten sind. Ein kleiner Teil der Schweizer Bevölkerung huldigt aber seinem König – und alle drei Jahre wird ein neuer ...
Natürlich meine ich den Schwingerkönig. Die Schweiz ist so wenig eine Monarchie, wie die Präsidenten der grössten Nationen momentan gute Demokraten sind. Ein kleiner Teil der Schweizer Bevölkerung huldigt aber seinem König – und alle drei Jahre wird ein neuer erkoren. Die Voraussetzungen dafür sind nicht etwa die Herkunft aus gutem Hause, Goldreserven oder kriegerisch eroberte Ländereien, sondern einzig und allein gewonnene Zweikämpfe in Zwilchhosen am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF). Bereits in drei Wochen ist es so weit: Die Zuschauertribüne in Mollis wird mit 56 500 Fans geflutet. Ausserhalb der temporär errichteten Anlage werden weitere 300 000 Schwingsport- und Festbegeisterte erwartet. Die Ausgangslage ist so spannend wie seit Langem nicht mehr: Ewige Favoriten wie Staudenmann Fabian, Giger Samuel und der aktuelle König Wicki Joel werden vom zweiten Saisondominator, dem erst 20-jährigen Moser Michael, herausgefordert. Dahinter lauern noch fünf bis sechs weitere Anwärter, denen bei einem perfekten Wettkampfverlauf der Königstitel ebenfalls zuzutrauen ist. Bei mir halten sich Vorfreude und Anspannung in etwa die Waage. Für die Kampfrichterkommission des Eidgenössischen Schwingerverbandes begann die Vorbereitung nämlich schon Ende letzten Jahres – mit der Selektion der Kampfrichter. Die Routiniertesten und Erfahrensten haben dabei den Vorzug erhalten. Diese wurden das ganze Jahr hindurch begleitet und ihre Teams bestritten mehrere gemeinsame Einsätze an Bergfesten. Die Vorbereitung stimmt also. Am ESAF können wir nun nur noch auf klare und eindeutige Resultate hoffen – damit die Entscheide der Kampfrichter sofort, eindeutig und undiskutabel getroffen werden können. Und sollte es doch einmal zu einem strittigen Resultat kommen, dann bitte nicht auf dem Fernsehplatz, auf dem die Spitzengänge übertragen werden.
Kampfrichter haben nur einen einzigen Blickwinkel – und müssen teils über Situationen urteilen, bei denen das entscheidende Detail nur für Millisekunden sichtbar ist. Anders als Fernsehzuschauer und Kommentatoren, die über diverse Kameraeinstellungen in Superzeitlupe verfügen, entscheiden sie aus dem Moment heraus. Dass dabei auch mal ein Fehler passiert, liegt in der Natur der Sache – und macht den Schwingsport so authentisch und nahbar. Fehlerfrei werden wir wohl auch an diesem ESAF nicht bleiben. Zu hoffen bleibt aber, dass keine umstrittene Szene über den Königstitel entscheidet. So oder so heisst es am 31. August: Lang lebe der König!