Letzte Woche besuchte ich an der Uni Zürich eine Masterclass zum Thema «Exiles, Migrants, Refugees» beim zurzeit in den USA forschenden Venkat Mani, Professor für Deutsch- und Weltliteratur. Im Fokus standen Migrationsgeschichten als Ausgangspunkt des Nachdenkens über ...
Letzte Woche besuchte ich an der Uni Zürich eine Masterclass zum Thema «Exiles, Migrants, Refugees» beim zurzeit in den USA forschenden Venkat Mani, Professor für Deutsch- und Weltliteratur. Im Fokus standen Migrationsgeschichten als Ausgangspunkt des Nachdenkens über Geschichte, Literatur und Kultur. Gerne möchte ich heute mein persönliches «Take-away» davon erläutern.
Besonders geblieben ist der Roman Tauben fliegen auf von Melinda Nadj Abonji, der von Ildiko und ihrer Familie erzählt, die aus dem serbischen Grenzgebiet in die Schweiz migriert. Es ist eine für die Schweiz wohl typische Migrationsgeschichte die sich irgendwo zwischen der westlichen (im kulturellen Sinne) Schweiz und Ex-Jugoslawien abspielt. Im Zentrum steht aber nicht die Schweizer Sicht auf die Migration, sondern die der Migrantinnen. Dieser Blickwinkel markiert die Geschichte als ein Trans-Phänomen, das die Identität und das Mensch-sein zwischen Kulturen immer im Fokus hat. Wer sind sie? Wo liegt die Heimat der Familie? – In Serbien sind sie Schweizerinnen, in der Schweiz die «Ausländerinnen». Damit einher steht das Thema der Integration und Assimilierung zur Diskussion. Migrationsgeschichten mit ihrem einzigartigen Blickwinkel zeigen eindrücklich auf, dass diese Assimilierung kaum möglich ist. Man bleibt immer die Person mit Migrationshintergrund. Assimilierung und Integration sind in einem gewissen Sinne Funktionen der Entfremdung und weitestgehend auch einer Entmenschlichung. Man bleibt immer «die Fremde», die Person mit Asylstatus oder eben mit Migrationshintergrund. Integration weist immer auf seine eigene Normsetzung hin. Im Falle der Migration beziehen sich diese oft auf Staatszugehörigkeiten oder Ethnien. Allein der Pass oder die Ethnie bestimmt zwischen Einheimischem und Fremdem. Das ist höchst problematisch. Integration wird von sich selbst verunmöglicht. Sollten wir in unserem Diskurs also nicht eher über Inklusion sprechen? Wollen wir nicht ein Ort sein, wo alle eine neue Heimat finden können?
Es sind Migrationsgeschichten, welche die Idee der Inklusion in den Diskurs der Migration tragen können. Sie transportieren (im wörtlichen Sinne) Identitätsprozesse und Mensch-sein. Lesen wir doch alle mehr Migrationsgeschichten, sodass wir eine Kultur schaffen können, die den Menschen im Fokus hat. Alle Menschen sehnen sich nach Heimat!