Nicht alle wollen vom Kanton Geld für Schulbau
24.01.2025 Region ReusstalEine Interpellation möchte, dass der Kanton die Gemeinden beim Schulhausbau finanziell unterstützt. Was sagen die Gemeinden dazu?
In den befragten Gemeinden belastet der Schulhausbau die kommunalen Finanzen. Und doch äussern sich die Gemeinderäte unterschiedlich ...
Eine Interpellation möchte, dass der Kanton die Gemeinden beim Schulhausbau finanziell unterstützt. Was sagen die Gemeinden dazu?
In den befragten Gemeinden belastet der Schulhausbau die kommunalen Finanzen. Und doch äussern sich die Gemeinderäte unterschiedlich über kantonale Unterstützung.
Die wachsende Bevölkerung und steigende Schülerzahlen stellen im Aargau viele Gemeinden vor erhebliche Herausforderungen, besonders im Bereich Schulraumplanung», schreibt SP-Grossrat Stefan Dietrich in einer Interpellation. Zusätzliche Klassenzimmer oder Turnhallen würden zahlreiche Gemeinden finanziell stark belasten. Der kantonale Finanzausgleich bringe nur bedingt Entlastung. Viele Gemeinden kämen finanziell an Grenzen, was sich langfristig auf die Qualität der Bildung auswirken könnte, äussert sich Dietrich besorgt. «Eine stärkere Unterstützung durch den Kanton würde die Gemeinden entlasten und den Bildungsstandort Aargau langfristig stärken», schlägt er vor und reichte im vergangenen Jahr, kurz vor Weihnachten, einen Vorstoss ein.
Sie platzen aus allen Nähten
Stefan Dietrich möchte vom Regierungsrat wissen, welche Aargauer Gemeinden besonders stark von finanziellen Belastungen betroffen sind. Wäre der Kanton bereit, Schulraum in stark belasteten Gemeinden zu subventionieren? Wäre es möglich, dafür zusätzliche Mittel aus dem kantonalen Budget bereitzustellen? Gemäss Dietrich könnte eine solche Unterstützung die finanzielle Stabilität der Gemeinden sicherstellen und wäre auch ein Zeichen der Solidarität.
In der Region befassen sich aktuell mehrere Gemeinden mit der Schulraumplanung. Aus allen Nähten platzen die Schulhäuser in Wohlenschwil, Künten, Niederrohrdorf, Fislisbach und in Birrhard. Deren Gemeinderäte brachten Pläne und Kredite vor Gemeindeversammlungen – mit unterschiedlichen Resultaten. Birrhard kann bald neue Schulzimmer beziehen, auch Fislisbach erhält einen Modulbau. Niederrohrdorf sieht für die Primarschule nach jahrelangem Ringen endlich Licht am Horizont, während Wohlenschwil und Künten in der Planungsphase stehen. Der «Reussbote» konfrontierte diese Gemeinden mit dem Anliegen der Interpellation.
Der Modulbau in Birrhard steht
Daniel Knappe, Gemeindeammann in Birrhard, sieht sich in der privilegierten Lage, dass ein mit über drei Millionen Franken veranschlagter Modulbau an der Winter-Gmeind 2023 einstimmig gutgeheissen wurde. Die Kosten für den Bau, der demnächst bezugsbereit ist, dürften sogar etwas günstiger ausfallen: Von rund 2,7 Millionen Franken ist die Rede.
«Natürlich», meint Knappe, «würden wir es begrüssen, wenn der Kanton die Finanzierung unterstützen würde. Aber auch beim Kanton sind es Steuergelder.» Die Bildung vor Ort gehöre zum Auftrag einer Gemeinde, die sich mit einem guten Schulhaus auch von anderen Gemeinden etwas abheben könne. «Daher finde ich es okay, wenn Schulraum alleine durch die Gemeinde finanziert wird», so Knappe. Für Birrhard seien die knapp drei Millionen Franken eine grosse Summe. Es brauche aber Schulraum für die Kinder, wenn die Bevölkerung wachse: «Dies war den Leuten bewusst, daher wurde der Entscheid mitgetragen.» Daniel Knappe gibt auch zu bedenken, dass der Prozess rund um den Schulhausbau wohl komplizierter würde, wenn ein weiterer Stakeholder – sprich der Kanton – mitdiskutieren würde.
Fislisbach: Vermutlich zu kompliziert
Auch in Fislisbach wurden die 2,9 Millionen Franken für einen Holz-Modulbau (Occasion aus Zürich) an der Sommer-Gmeind 2024 genehmigt. Fürs erste kommt die Gemeinde mit dieser Lösung über die Runden. Die prognostizierten Schülerzahlen zeigen jedoch, dass Fislisbach langfristig viel mehr Schulraum brauchen wird.
Andreas Sommer, zuständiger Gemeinderat in Fislisbach, ist sich bewusst, dass die Schulraum-Finanzierung viele Gemeinden fordert und die meisten daher wohl auch finanzielle Unterstützung annehmen würden. – «Auch Fislisbach», sagt Sommer.
Grundsätzlich, meint er, müsste der Kanton eine Mitverantwortung tragen und Gemeinden entlasten, um die Qualität der schulischen Infrastruktur langfristig sicherzustellen. «Heute ist dies nicht der Fall.» Allerdings müsste dafür auch die ganze Verantwortungs-, Anordnungs- und Zahlungsregelung neu definiert werden. Die Interpellation würde manches vermutlich komplizierter und unübersichtlicher machen, meint er. Wünschenswert wäre eine «effiziente und unbürokratische Lösung für diesen partiellen Eingriff», so Andreas Sommer, um die Gemeinden zeitnah zu unterstützen.
Niederrohrdorf verfolgt aufmerksam
Äusserst schwierig gestaltete sich die Diskussion in Niederrohrdorf. Auf engem Raum benötigen Primarschule und Kreisschule (Oberstufe) viel mehr zusätzlichen Schulraum. Auf Primarstufe wurde 2023, nach rund zehn Jahren Planung, das Schulhausprojekt «Jim Knopf» versenkt. Seither gehen Primarschule und Kreisschule bei der Planung getrennte Wege.
Für die Primarschule wird im Sommer 2024 eine mit vielen Akteuren (Schule, Vereine, Nachbarschaft, Bauverwaltung) gemeinsam erarbeitete Lösung endlich vom Souverän akzeptiert: Geplant ist ein Neubauprojekt, das direkt an die Mehrzweckhalle gebaut wird.
Der zuständige Niederrohrdorfer Gemeinderat Kevin Van sagt: «Für die Schulraumerweiterung Oberstufe und Primarschule sind die Kosten enorm und stellen unser Dorf natürlich vor grosse finanzielle Herausforderungen.» Die Gemeinde werde sich verhältnismässig stark verschulden müssen, um die beiden Mammutprojekte stemmen zu können. Natürlich sei das Dorf in einer solchen Situation froh über jede finanzielle Unterstützung. Niederrohrdorf würde es insofern begrüssen, wenn der Kanton alle Gemeinden bei der Schulraumerweiterung in finanzieller Hinsicht gleichermassen berücksichtigen würde. Erwünscht wäre eine solche Unterstützung jedoch nur, wenn sie die Gemeindefinanzen effektiv entlaste und die kommunale Selbstständigkeit nicht einschränke.
Weil Grossrat Stefan Dietrich die Interpellation erst kürzlich einreichte, fehlen aktuell Antworten. Ohne Kenntnis von Voraussetzungen und Bedingungen für eine mögliche Subventionierung sei es derzeit nicht möglich, zu beurteilen, wie sich eine allfällige Unterstützung auf die Gemeinde auswirke. Die Gemeinde werde «die Entwicklung aufmerksam verfolgen und darauf basierend eventuell eine Einschätzung vornehmen», sagt zum jetzigen Zeitpunkt Kevin Van.
Künten: 50 Prozent der Fixkosten
In Künten war der Kredit für Schulbauten mit Klassenzimmern, Gruppenräumen und einer neuen Turnhalle mit knapp 15 Millionen Franken veranschlagt. Diese «Luxusvariante» wies der Souverän an der Winter-Gmeind 2023 zurück. Der Gemeinderat drosselte das Tempo. Ein Jahr später wird der Projektierungskredit von 890 000 Franken durchgewunken.
Vizeammann Yves Moser meint, die Gemeinde würde es begrüssen, wenn der Kanton Aufwendungen für die Schulraumerweiterung unterstützen würde. «Die Ausgaben für die Schule betragen heute schon mindestens 50 Prozent der Fixkosten einer Gemeinde – Tendenz steigend.» Nebst der Demographie fordere auch der kantonale Lehrplan 21 Anpassungen an Räumlichkeiten. Frühere Raumkonzepte reichen heute nicht mehr aus, entsprechend müsse auch Bestehendes umgebaut werden. Der Trend verlange zudem nachhaltige Konzepte bei öffentlichen Bauten. «Wir würden es verstehen», sagt Moser, «wenn da auch Vorgaben vom Kanton kommen würden.» Solche Unterstützung durch den Kanton würde zudem begrüsst.
«Bildung ist das wertvollste Gut der Schweiz», betont der Vizeammann. Gemeinden würden deshalb in die Zukunft ihrer Schulen investieren. «Eine Beteiligung durch den Kanton wäre wohl nicht falsch. Immerhin sprechen wir von Millionenprojekten mit grossen Abschreibern, über lange Zeiträume, welche insbesondere auf kleinere Gemeinden zukommen.»
«Warum nicht etwas zurückgeben?»
Wohlenschwil wird rund 6 Millionen Franken für die Schulraumerweiterung bezahlen. Dadurch kann der Schulweg für die Dorfkinder kurz bleiben. Die Bevölkerung aber wird einen höheren Steuerfuss in Kauf nehmen müssen. Den Planungskredit von 500 000 Franken hat die Gemeindeversammlung bewilligt. In Wohlenschwil habe man mit der Planung für zusätzlichen Schulraum begonnen, erklärt Gemeindeammann Roger Aerne. Eine finanzielle Unterstützung würde die Gemeinde begrüssen: «Die Schülerzahl wird weiter steigen und die Gemeinde wird die Möglichkeit der schulischen Ausbildung weiterhin anbieten.» Die Kostentreiber Bildung und Soziales würden auch bei anderen Gemeinden zu Buche schlagen, meint Aerne. Er verweist auf die Aargauer Staatsrechnung 2023, bei welcher der Kanton zum siebten Mal in Folge eine Rechnung mit Überschuss präsentieren konnte: Sie schloss 2023 mit 119,5 Millionen im Plus. Warum der Bevölkerung nicht etwas davon zurückgeben, meint Roger Aerne.
Heidi Hess




