Als befänden wir uns nicht im stillen November, wo die Natur sich zurück nimmt und Besinnlichkeit uns Menschen gut tun würde, läuft das kommerzielle Wettrennen schon seit dem ersten Wirbeltanz der Herbstblätter.
Ja, auch ich bin unterwegs, Schnäppchen locken. ...
Als befänden wir uns nicht im stillen November, wo die Natur sich zurück nimmt und Besinnlichkeit uns Menschen gut tun würde, läuft das kommerzielle Wettrennen schon seit dem ersten Wirbeltanz der Herbstblätter.
Ja, auch ich bin unterwegs, Schnäppchen locken. Mein Einkaufswagen ist schon fast voll. Weil nirgends ein Durchkommen ist, lasse ich ihn stehen, flitze zur Käseabteilung, und schon bin ich zurück, packe meinen Wagen und steure Richtung Laufband nach unten. Auf dieser langen Rollstrecke kann man sich wunderbar erholen von der Hektik, einfach lässig stehen und träumen ... Aber Aubergine? Wer hat mir denn die in den Wagen getan? Und diese blöden Saisonküchlein? Du meine Güte, das ist ja gar nicht mein Wagen!
Im Schneckentempo fährt das Laufband mich mit dem fremden Wagen in die Tiefe. Nur jetzt nicht planlos umherirren! Cool wechsle ich unten das Band und bin schon wieder auf dem Weg nach oben. Da kreuzt sie mich! Fährt mit meinem Wagen auf der anderen Seite nach unten. Sofort reift in mir die Idee, wir könnten ja so fortfahren, rauf und runter, und immer wenn wir uns kreuzen Gegenstände austauschen; ich werfe ihr die Aubergine hinüber, sie mir meine Eier. Beim nächsten Kreuzen ich ihr die blöden Saisonküchlein, sie mir meine Rüben. Beim Tempo der Rollbänder würde es jeweils genau für einen Tausch reichen. Liessen wir aber etwas fallen, würde halt im Mittelstreifen ihr Gorgonzola zwischen 150 Paar Socken versinken (die bald riechen dürften wie gebrauchte) und mein Kilo Zucker hätte glitzernden Baumschmuck zertrümmert.
Wieder mit dem eigenen Wagen unterwegs, entdecke ich noch einen hübschen Engel. Ich schaue ihm unters Kleid: «Made in China» (- flöliche Weihnacht!). Bei den Kassen klönen Kinder. Musik plärrt. Mir ist heiss! In den Warteschlangen wabert Nervosität. Alle sind gereizt. Auch für mich wird die Zeit knapp. Endlich steht nur noch ein älterer Herr vor mir, legt bloss drei Artikel hin, prima! Aber jetzt erkennt er die Kassiererin von früher! Auch sie freut sich. Vergnügt beginnen die beiden zu plaudern als sässen sie in der Konditorei. Welch’ glückselige Erinnerungen! Hinter mir gehässige Bemerkungen, etwas kracht zu Boden, Kindergebrüll. Die Zeit läuft.
Entweder geht man die Wände hoch – oder besinnt sich auf die kommende Weihnacht und die Nächstenliebe, freut sich für ihn und schickt ein Lächeln in die Schlange hinter sich.