Stadt Mellingen soll Kosten übernehmen
15.08.2025 MellingenBundesgerichtsurteil von 2024 – Ex-Stadtrat Beat Gomes verlangt Fairness für unterlegene Landbesitzerin
Einer der letzten politischen Vorstösse des abgetretenen Stadtrats Beat Gomes ist brisant. Gomes regt an, die Stadt Mellingen solle die Verfahrensund Parteikosten im ...
Bundesgerichtsurteil von 2024 – Ex-Stadtrat Beat Gomes verlangt Fairness für unterlegene Landbesitzerin
Einer der letzten politischen Vorstösse des abgetretenen Stadtrats Beat Gomes ist brisant. Gomes regt an, die Stadt Mellingen solle die Verfahrensund Parteikosten im Streitfall mit der Landeigentümerin Thérèse Bächer-Hirt übernehmen – oder sich zumindest beteiligen.
Das Bundesgericht hat am 27. November 2024 die Beschwerde der Stadt Mellingen in Sachen «Materielle Enteignung» mit Stichentscheid des Präsidenten gutgeheissen, und die Entschädigungsforderungen von Landbesitzerin Thérèse Bächer-Hirt abgewiesen. Das Bundesgericht hat damit der Stadt Mellingen Recht gegeben und diese hat damit rund sieben bis acht Millionen Franken für Entschädigungen eingespart.
Kurz vor seiner Demission hat der damalige Stadtrat Beat Gomes im Juni dem Gesamtstadtrat beantragt, die Frage zu prüfen, ob die Stadt Mellingen nicht freiwillig die gesamten Prozess- und Parteikosten aus diesem Fall übernehmen sollte.
«Mellingen hat sich bereichert»
Gomes begründet seine Forderung folgendermassen: «Letztlich hat sich die Stadt Mellingen dank der nicht unumstrittenen materiellen Enteignung und der darauffolgenden Einzonung an der Birrfeldstrasse massiv bereichert.» Die Stadt Mellingen könne sich nicht einfach auf den Standpunkt stellen, vor Bundesgericht obsiegt zu haben. Denn der Sieg sei hauchdünn ausgefallen. Mellingen sei nochmals mit einem blauen Auge davongekommen. Aus einer rein rechtlichen Perspektive habe das höchste Gericht strikt nach den Kriterien der materiellen Enteignung und der Realisierungswahrscheinlichkeit (einer Überbauung) entschieden. Es habe die Klage von Bächer-Hirt abgewiesen, da die Voraussetzungen für eine Entschädigung nicht erfüllt waren. Insbesondere wegen der mangelnden Aktivität der Eigentümerin über lange Zeiträume auf ihrem Land und der fehlenden Erschliessung.
Aus moralischer Sicht entstehe jedoch eine «erhebliche Schieflage», so Gomes und «ein starkes Gefühl der Ungerechtigkeit». Er spricht von einer ungleichen Behandlung. Es sei moralisch schwer zu vermitteln, wenn die Stadt Mellingen im Zuge einer Nutzungsplanrevision auf der einen Seite Grundeigentümern (wie Thérèse Bächer-Hirt) erhebliche Wertverluste aufbürde, indem sie Bauland auszone, während sie auf der anderen Seite gleichzeitig für andere Grundeigentümer neue Baulandreserven – an der Birrfeldstrasse – schaffe und davon finanziell profitiere durch Mehrwertabgaben und Grundstückgewinnsteuern nach dem Verkauf. Gomes findet, die öffentliche Hand habe in diesem Fall auf Kosten des Einzelnen profitiert. «Ein grundlegendes moralisches Gebot sei die Fairness und die Gleichbehandlung. «Wenn jemand benachteiligt wird, während ein anderer bevorteilt wird, verletzt dies das Prinzip der Gerechtigkeit». Bächer-Hirt habe nicht mutwillig geklagt, so Beat Gomes weiter. Weil es bis 2024 kein solches Bundesgerichtsurteil gab, habe die Landbesitzerin eine wichtige rechtliche (und moralische) Frage zur Klärung vors höchste Gericht gebracht. Gomes beantragte dem Gesamtstadtrat deshalb, zu prüfen, ob er die Grundbesitzerin, welche «nicht leichtfertig gegen Mellingen geklagt habe», finanziell zu entlasten. Und zwar, in dem die Stadt die Prozess- und Parteikosten aus der rechtlichen Auseinandersetzung – ganz oder zumindest teilweile – übernehme. Gomes verlangte auch, dass der Stadtrat eine öffentliche Diskussion dazu anregt und die Sache vor eine Gemeindeversammlung bringt.
Verwaltungsgericht zu den Kosten
Zu den Kosten hat das Verwaltungsgericht am 8. Juli ein Urteil gefällt («Reussbote» vom 31. Juli). Es entschied, wer welche Prozess- und Parteikosten tragen muss. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Laut diesem Richterspruch bekommt die Grundeigentümerin zumindest zum Teil recht: Sie muss nun bloss 70 Prozent (respektive 27 590 Franken) der Verfahrenskosten übernehmen; die restlichen Kosten gehen zulasten des Kantons Aargau. Zudem muss die Grundeigentümerin 40 Prozent (24 000 Franken) der Parteikosten der Gemeinde Mellingen übernehmen. Mellingen will das Urteil laut Stadtpräsidentin Györgyi Schaeffer nicht weiterziehen. Das Urteil und das weitere Vorgehen werde im Stadtrat beraten, sagte sie im Juli. Müsste Mellingen – im Falle, dass der Stadtrat dem Antrag ihres ehemaligen Ratskollegen Gomes zustimmt – die Thérèse Bächer-Hirt belasteten Verfahrenskosten von 27 590 Franken und den ihr ebenfalls aufgebürdeten Anteil der Parteikosten Mellingens von 24 000 Franken übernehmen? Laut aktueller Auskunft der Stadtpräsidentin ist im Moment nichts spruchreif.
Die Vorgeschichte
2016 genehmigte die Gemeindeversammlung im Rahmen der Totalrevision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) einen Landabtausch. Sie zonte Bauland am Tägerigerweg aus und an der Birrfeldstrasse flächengleich ein. Die Stadt kassierte für die Einzonung eine Mehrwertabgabe und Grundstückgewinnsteuern in Millionenhöhe. Die Grundeigentümerin wehrte sich gegen die Auszonung und klagte. Sie wollte entschädigt werden. Das Verwaltungsgericht gab ihr Recht und urteilte, dass die Auszonung einer materiellen Enteignung gleichkomme. Gegen dieses Urteil wehrte sich der Stadtrat Mellingen erfolgreich vor Bundesgericht.
Marc Benedetti