Was die Imkerin staunen lässt und erschreckt
31.01.2025 Region ReusstalImkerin Ingrid Vitali aus Eggenwil sezierte das Nest der Asiatischen Hornisse, das in Bellikon beim Volg entdeckt und entfernt wurde
Die Imkerin sezierte das Nest der Asiatischen Hornisse. Was sie entdeckte, versetzte sie in Staunen: «Extrem viel Brut zum Winteranfang!» Sie ...
Imkerin Ingrid Vitali aus Eggenwil sezierte das Nest der Asiatischen Hornisse, das in Bellikon beim Volg entdeckt und entfernt wurde
Die Imkerin sezierte das Nest der Asiatischen Hornisse. Was sie entdeckte, versetzte sie in Staunen: «Extrem viel Brut zum Winteranfang!» Sie empfiehlt, genau hinschauen und melden.
Als Ingrid Vitali Mitte Januar eine Wand des Nestes der Asiatischen Hornisse wegschnitt, verfolgten gegen 80 Augenpaare gebannt jeden Handgriff der Imkerin. Sie warteten auf den ersten Blick ins Innenleben. Leben allerdings sollte man keines mehr finden. Denn Bruno Heggli, Präsident des Bienenzüchtervereins Muri, der das Nest zur Sezierung in den Saal des «Löwen» in Boswil gebracht hatte, lagerte es über zwei Monate lang bei Minus 20 Grad in einem Kühlraum des Benzenschwiler Unternehmens Aronia. – Zehn Tage in solcher Eiseskälte hätten genügt, um die Asiatische Hornisse zu vernichten.
Überraschendes Innenleben
Entdeckt hatte dieses Nest Imkerin Vitali gemeinsam mit weiteren Imkerinnen und Imkern vom Rohrdorferberg, unter ihnen auch Imker Thomas Peterhans aus Niederrohrdorf, nach mehrtägiger, schwieriger Suche hoch oben in einem Baum neben dem Belliker Volg. Sie meldeten ihren Fund auf der Webseite asiatischehornisse.ch sowie bei Lisa Burger von der Koordinationsstelle Neobiota Liebegg, die im Aargau für die Asiatischen Hornissen zuständig ist und die Entfernung der Nester koordiniert. Schädlingsbekämpfer holten es Anfang November mittels Hebebühne aus dem Baum und versenkten es in eine grosse, blaue Tonne («Reussbote», 8. November).
Im Boswiler «Löwen» schnitt Vitali nun also vor einer grossen Gruppe Interessierter, überwiegend Imkerinnen und Imker aus der Region, die Wand neben dem seitlich gelegenen Einflugloch weg. Das Nest sei an dieser Stelle weniger dick und besonders weich, erzählte sie in der Rückschau auf diesen Abend. «Die Wand besteht aus Blättern, Holzfasern und Speichel und lässt sich leicht wegschälen.» Vor allem aber fiel der Blick auf ein überraschendes Inneres. «Sieben Brutteller!» Und in deren Zellen unzählige Larven.
Eine Gefahr für die Biodiversität
Das habe sie am meisten erstaunt, sagt die Imkerin. «Anfang November noch so vital, so extrem viel Brut.» Vitali und diverse hilfsbereite Imkerhände legten Schicht um Schicht frei. Zwischen kuchentellergrossen Böden mit hellen Larven fanden sich massenhaft Arbeiterinnen. Sie wurden herausgeklopft, einzeln auf einer Briefwaage gewogen und bestimmt: Arbeiterinnen bis maximal 600 Milligramm, Königinnen etwas schwergewichtiger – zwischen 600 und 900 Milligramm. «Vor uns lag ein Berg von Hornissen, ein mittelgrosses bis grosses Nest, das jährlich bis zu 12 Kilo Insekten frisst.»
Eine Gefahr für die Biodiversität und besonders für Honigbienen, weil letztere eine vergleichsweise leichte Beute darstellen. «Der Fund eines Bienenstockes gleicht für die Asiatische Hornisse einem Einkauf im Supermarkt», sagt Ingrid Vitali. Die aus Asien über Frankreich seit 2017 in die Schweiz eingewanderte Asiatische Hornisse belagert den Bienenstock und verhindert dadurch das Ausfliegen der Bienen für die Nahrungssuche – «Flugparalyse» im Fachjargon. Wagt es eine dennoch, wird sie von der Hornisse gefangen und geköpft; ihre Proteine nähren danach die Hornissen-Brut.
Die wichtigste Erkenntnis
Eine wichtige Erkenntnis, welche dazu beitragen könnte, die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse ebenfalls weiter zu verlangsamen: «Die Nester sollten auch im Dezember von den Bäumen geholt werden.» Zwar erlebt keine Arbeiterin den nächsten Frühling. Die jungen Königinnen (pro Nest bis zu einigen Hundert) aber verlassen das Nest und verabschieden sich in den Winterschlaf, in der Nähe, irgendwo im Totholz oder in einem zugeklappten Sonnenschirm.
Nicht alle überleben. Erwachen im Februar aber bloss 5 oder 10 Prozent, entsteht im neuen Jahr dennoch ein Vielfaches an Nestern. Ab Mitte Februar fertigt die Königin alleine ein kleines Primärnest, in einem Gebüsch, bei einem Gartenhäuschen – nicht allzu hoch. In dieses Nest legt sie die ersten Larven, füttert sie und baut noch vor dem Sommer mit ihren ersten Arbeiterinnen ein Sekundärnest – ein Oval, in bis zu dreissig Metern Höhe, in Baumkronen im Wald oder, wie im vorliegenden Fall, auf dem Baum vor dem Volg in Bellikon.
Ingrid Vitali kann nur empfehlen, genau hinzuschauen. «Wir brauchen», betont sie, «die Hilfe der Förster, Gärtnerinnen, Hundespaziergänger, Landwirtinnen und Ornithologen.»
Heidi Hess