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29.11.2024 MellingenBundesgericht heisst die Beschwerde wegen materieller Enteignung der Stadt Mellingen gut
Mit Spannung wurde der Entscheid des Bundesgerichts erwartet. Das höchste Schweizer Gericht entschied zugunsten von Mellingen. Das Urteil hat Auswirkungen für die Schweizer Gemeinden. Es ...
Bundesgericht heisst die Beschwerde wegen materieller Enteignung der Stadt Mellingen gut
Mit Spannung wurde der Entscheid des Bundesgerichts erwartet. Das höchste Schweizer Gericht entschied zugunsten von Mellingen. Das Urteil hat Auswirkungen für die Schweizer Gemeinden. Es setzt Baulandbesitzer unter Druck.
Nach dreistündiger Beratung lag das Urteil vor. Drei Bundesrichter hiessen die Beschwerde des Stadtrates von Mellingen gut, zwei Bundesrichter wiesen diese ab. Allein schon das knappe Resultat zeigt, dass es bei diesem Fall aus Mellingen nicht immer schwarz und weiss gibt. «Enteignungsrechtliche Fälle bereiten oft Schwierigkeiten», sagte der Präsident des Bundesgerichts. Es gehe um Grundfragen unserer Enteignungsforderung. Das Urteil des Bundesgerichts setzt die Besitzer von Bauland unter Druck. Denn sie erhalten bei Auszonungen nur in Ausnahmefällen eine Entschädigung.
Darum geht es
2016 genehmigte die Gemeindeversammlung von Mellingen einen Landabtausch. Sie zonte Bauland am Tägerigerweg aus und an der Birrfeldstrasse flächengleich ein. Die Stadt kassierte für die Einzonung eine Mehrwertabgabe und Grundstückgewinnsteuern in Millionenhöhe. Die Grundeigentümerin wehrte sich gegen die Auszonung und klagte in erster Instanz vor Spezialverwaltungsgericht und in zweiter Instanz vor dem Verwaltungsgericht. Sie wollte für die Auszonung ihres Baulands entschädigt werden. Das höchste Aargauer Gericht, das Verwaltungsgericht, gab ihr Recht und urteilte, dass die Auszonung einer materiellen Enteignung gleichkomme. Gegen dieses Urteil wehrte sich der Stadtrat Mellingen vor Bundesgericht. Wäre das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen, so hätte das Mellingen viel Geld gekostet. Man geht von etwa sieben bis acht Millionen Franken aus.
Gericht setzt eine Frist von 15 Jahren
Das Bundesgericht argumentierte, dass für die Landbesitzerin gar kein Schaden entstanden sei. Sie hatte nämlich nicht die Absicht, teilweise sogar nicht einmal die Möglichkeit, das Land zu bebauen. Eine Mehrheit der fünf Richter argumentierte sogar, wer Land in der Bauzone besitze, könne nur für eine 15-jährige Frist davon ausgehen, dass er auch bauen dürfe. Danach müsse er damit rechnen, dass in einer Zonenplanrevision sein Land ausgezont werden darf.
Geringschätzung des Eigentums
Das Interesse an der öffentlichen Verhandlung war gross. Nationale Medien waren vor Ort und berichteten prominent über den Entscheid des Bundesgerichts, das die Beschwerde von Mellingen stützte. Damit ist die finanzielle Forderung der Grundeigentümerin vom Tisch. Dementsprechend enttäuscht zeigte sie sich und ihr Rechtsanwalt. Es sei eine Geringschätzung des Eigentums und der Gesetzgeber sei gefordert, so der Rechtsanwalt der Grundeigentümerin. Diese kommentierte, dass mit dem heutigen Entscheid, das Grundeigentum keinen Wert mehr habe und dass der Entscheid politisch motiviert sei.
Durchbruch für Raumplanung
Ganz anders war die Lage bei der Vertretung der Stadt Mellingen. Vor Ort waren Stadtpräsidentin Györgyi Schaeffer, die Gemeinderäte Beat Gomes und Silvan Herzig, Stadtschreiber Gregor Glaus sowie der Rechtsanwalt der Gemeinde, Peter Heer. Dieser sprach von einem grossen Erfolg der Raumplanung und der Gemeinden. Falls die Frist von 15 Jahren auch so in der schriftlichen Begründung des Urteils stehe, hätten die Gemeinden künftig viel mehr Spielraum. Die Gemeinden wären viel freier, ihre Ortsplanung an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Sie müssten nicht immer damit rechnen, eine Entschädigung zu bezahlen. Die Gemeinden seien freier und das wäre ein Durchbruch für die Raumplanung. Das Urteil helfe, dass sich die Gemeinden entwickeln können.
Beschluss in Rechtskraft
Das Gericht gab am Mittwoch noch keine Begründung ab, diese folgt in ein paar Wochen. Das Bundesgericht erwähnte aber, dass das gefällte Urteil in Rechtskraft erwachsen sei und wies die Neuverteilung der Kosten und Entschädigungsfolgen an das Verwaltungsgericht zurück.
Benedikt Nüssli