Wie eine Sonnenstore die Farbenwahl bestimmte
11.07.2025 MellingenSie legte ihren Garten vor zwölf Jahren mit klaren Farbvorstellungen an. Inzwischen blühen darin 320 verschiedene Pflanzen
Brigitte Brunners Daumen ist nicht nur grün, sondern dunkelgrün. Es blüht in ihrem Garten und es summt. Zu jeder Jahreszeit. Bepflanzt wurde ...
Sie legte ihren Garten vor zwölf Jahren mit klaren Farbvorstellungen an. Inzwischen blühen darin 320 verschiedene Pflanzen
Brigitte Brunners Daumen ist nicht nur grün, sondern dunkelgrün. Es blüht in ihrem Garten und es summt. Zu jeder Jahreszeit. Bepflanzt wurde mit einem klaren Farbkonzept. Und dabei spielte eine Sonnenstore eine wichtige Rolle.
Am Anfang war eine Sonnenstore. Und die war gelb. Das hatte ihr der Architekt, der für die Überbauung am Grumetweg verantwortlich zeichnete, mitgeteilt, noch bevor Brigitte Brunner mit ihrem Mann in die neue Wohnung am Reussufer eingezogen war. Für die heute 71-Jährige war aber sofort klar, Blumen in Blau-, Lila- oder Rosatönen passen nicht zu einer gelben Sonnenstore. «Auf keinen Fall», meint sie. Stattdessen alles von weiss über gelb und orange bis weinrot. In diesen Farben gestaltete sie ab 2013 dann auch ihren Garten am Mellinger Reussufer.
Schon immer sei ihr wichtig gewesen, sagt sie, dass Farben harmonieren. «Nicht nur im Garten.» Auch bei der Einrichtung ihrer Wohnung, bei der Auswahl und Zusammenstellung ihrer Kleider. «Wenn sich Farben beissen, fühle ich mich unwohl.»
In ihrem Gebenstorfer Garten, den sie zuvor über 50 Jahre lang gepflegt hatte, blühten hingegen alle Farben und über 1000 verschiedene Pflanzen. «Aber da war viel mehr Platz», erzählt sie. Sorgfältig komponierte, rosa Nischen lagen neben bläulichen Feldern. Der Blick in gelbliche Winkel offenbarte sich erst beim Flanieren durch diesen grosszügigen Garten. In Mellingen war es anders. Auf weniger Fläche sollte das Gesamtbild Ton in Ton harmonieren. Brigitte Brunner erarbeitete ein Farbkonzept, wählte Pflanzen mit verschiedensten Schattierungen in Grün und Weiss, zweifarbige Gräser, silbergrüne Disteln oder weisse Hortensien mit gelbgrünen, eichenförmigen Blättern. Viele verschiedene Lilien, deren Gelbund Rottöne ineinander fliessen oder orange leuchten, mit grossen und kleinen Blüten, Schafgarben in weiss bis hellorange, dunkelrote Sonnenhüte. Der kleinblumige oder grossblütige Fingerhut ist zu dieser Jahreszeit schon fast verblüht. Brunner erklärt: «Hier wachsen vermutlich 320 verschiedene Pflanzen.» Sie spricht von «Digitalis» und «Sedum», wählt die botanischen Bezeichnungen, wenn sie den Fingerhut oder die Hauswurz meint. Weil diese Namen, wie sie erklärt, überall verstanden werden. Und auch weil sie es bereits als 15-Jährige so lernte.
Das Bedauern der Mutter
Damals wurde aus der Pflicht, sich um den Garten zu kümmern, eine Leidenschaft. Die Mutter benötigte nach dem Tod des Vaters Unterstützung im Gebenstorfer Garten und Tochter Brigitte war diejenige, die helfen sollte – ihr jüngerer Bruder war dafür noch zu klein. Die Tochter half und pflegte die Pflanzen. Allerdings entsprach diese Hilfe nicht immer den Vorstellungen der Mutter. Riss die Tochter etwa den Cotoneaster, die bodendeckenden Mispeln aus, weil ihr die Pflanze nicht gefiel, wie manches andere im Garten aus den 1960er-Jahren auch, drückte die Mutter ihr Bedauern aus.
Brigitte Brunner aber gestaltete den Garten, in welchem sie später mit ihrer eigenen Familie lebte, nach und nach um. «Ich wuchs da hinein», erzählt sie. Über Jahrzehnte hinweg entwickelte sich ein englischer Garten, für dessen Besuch manche weit reisten. Das Expertenwissen, das sich Brunner dabei aneignete, war gefragt. «Schliesslich machte ich private Gartenberatungen», sagt sie. Lange unentgeltlich, bis sie dafür auch Geld verlangte und im Alter von 50 Jahren noch ein Fernstudium in Gartendesign begann. «Alles auf englisch», sagt sie. Sie, die ursprünglich eine Handelsschule besucht und danach in Baden als Sekretärin in einem englischen Ingenieurbüro gearbeitet hatte, wurde ausgebildete Gartendesignerin.
Nach Vorbildern gefragt, schüttelt sie allerdings zunächst den Kopf, um dann doch zu sagen, dass sie gerne in Bü- chern der englischen Gartendesignerinnen Gertrude Jekyll und Beth Chatto oder auch des holländischen Gestalters Piet Oudolf blättert und sich von deren Ideen inspirieren lasse.
Abschalten, träumen, entspannen
Ihren eigenen Garten bezeichnet sie als «Steingarten», obwohl es zu jeder Jahreszeit in irgendeiner Ecke blüht – selbst im Winter: «Angelegt habe ich ihn nach einem speziellen Farbkonzept.» Die Farben von Pflanzen, Blattstrukturen oder Blütenaufbau sollen in einem ausgeglichenen Verhältnis vertreten sein. «Grosse Blätter neben feinen und geteilten Blättern, flache Schafgarben neben einem hohen Fingerhut», erklärt sie. «Der Garten soll einen Rhythmus haben, Pflanzen und Blüten müssen sich wiederholen.» Erst dann strahle ein Garten Ruhe aus. Brigitte Brunner achtet zudem auf die Umgebung, etwa den Baum in der Nachbarschaft, den sie in das Bild ihres eigenen Gartens aufnimmt.
Ob das nicht sehr viel Arbeit sei, fragt die Journalistin. Brigitte Brunner lacht und entgegnet: «Es ist mir ein Bedürfnis.» In der aktuell intensiven Zeit kommt sie täglich auf eine Stunde Arbeit, wobei Unkraut jäten am meisten Zeit beansprucht. Sie nennt es abschalten, entspannen, träumen, und sich an Farben und Formen freuen.
Heidi Hess