«Wir bleiben ein familiengeführtes Unternehmen»
31.01.2025 Region ReusstalRütihof: «Twerenbold Reisen» feiert in diesem Jahr das 130-Jahre-Jubiläum. Der «Reussbote» traf sich mit Karim Twerenbold zum Gespräch
«Twerenbold Reisen» wurde vor 130 Jahren gegründet. Aus dem einstigen Fuhrhalter mit Ross und Wagen ist ...
Rütihof: «Twerenbold Reisen» feiert in diesem Jahr das 130-Jahre-Jubiläum. Der «Reussbote» traf sich mit Karim Twerenbold zum Gespräch
«Twerenbold Reisen» wurde vor 130 Jahren gegründet. Aus dem einstigen Fuhrhalter mit Ross und Wagen ist längst einer der erfolgreichsten Reiseveranstalter im Land geworden. Selbst die Covid-Pandemie konnte das Unternehmen nicht von seinem Kurs abbringen. Karim Twerenbold, der die Firma in der vierten Generation führt, hofft darauf, dass auch eine fünfte Generation in seine Fussstapfen treten wird.
ie viele Buben träumte Karim Twerenbold davon, einmal als Pilot durch die Lüfte zu fliegen. Es blieb beim Traum. Dafür wurde ein anderer wahr. Der Junge, der in Ennetbaden zur Welt kam, in Baden zur Schule ging und ein Betriebswirtschaftsstudium in Englisch im Sack hat, musste schon früh in die Fussstapfen seines Vaters Werner treten. Der verstarb nämlich im Dezember 2015 völlig überraschend im Alter von 69 Jahren an den Folgen eines E-Bike-Unfalls.
Werner Twerenbold hatte das Familienunternehmen als 23-Jähriger übernommen und es organisch und punktuell mit strategischen Zukäufen zu einem der grössten Reiseunternehmen der Schweiz ausgebaut. Er war Verwaltungsratspräsident und Alleinaktionär der Twerenbold-Reisen-Gruppe. Von 1969 bis 2010 führte er sein Unternehmen auch als CEO. Das Vermächtnis seines Vaters trägt Karim Twerenbold mit sich. Die Erinnerung an den Vater ist allgegenwärtig.
Unkompliziert und bodenständig
Wir treffen Karim Twerenbold Mitte Januar in seinem Büro in Rütihof. Ein nüchtern eingerichtetes Büro mit USM Haller-Möbeln, überstrahlt von einem bunten Gemälde mit sieben Papageien drauf. Das Bild ist passend. Karim Twerenbold entspricht nicht dem Bild eines Managers. Er wirkt aber auch nicht wie ein Paradiesvogel. Dafür ist er zu sehr in festen Familienstrukturen aufgewachsen und hat schon früh die Werte ehrbarer Kaufleute mit aufgesogen. Aber er hat etwas von den neugierigen, mitunter gesprächigen Papageien auf dem Bild. Unkompliziert, offen für alles, was kommt. Ein Mann, der sich selbst keine Grenzen setzt, aber sehr wohl weiss, wo die Grenzen seines Unternehmens sind. Reeder ist er schon längst, einer der grössten Anbieter von Flussreisen in Europa. Aber eine Fluggesellschaft werde es bei Twerenbold nie geben. Dafür sei dieses Geschäft zu weit weg von unserem Kerngeschäft. Twerenbold bleibt lieber bei seinen Bussen mit Goldstandard und den Schiffen der Excellence-Klasse, also dort, wo er die gesamte Wertschöpfungskette im Haus behalten kann. Das ist schliesslich das bewährte Rezept, das Twerenbold Reisen selbst durch die grösste Krise, welche die Reisebranche durch die Pandemie erfasst hatte, gebracht hat.
Karim Twerenbold spricht von einem intakten Familiengefüge, das er von klein auf erlebt habe. Der Vater sei zwar beruflich viel unterwegs gewesen. Aber der Mittagstisch, auf den die Familie stets viel Wert gelegt hat, habe fast immer stattgefunden. «Das war unser Fixpunkt.»
Natürlich sei dabei viel über das Geschäft geredet worden. Er selbst sei schon als Schüler viel im Geschäft gewesen, «zumal meine Mutter eine zentrale Rolle in der Firma eingenommen hat.»
Dreisprachig aufgewachsen
Sein erstes Sackgeld hat er allerdings nicht im elterlichen Betrieb verdient. Daran erinnert er sich noch gut. «Das habe ich mit 15 in den Schulferien mit dem Zusammenschrauben von Computern bei der Firma Microcontrol in Mägenwil verdient.» Erst mit 16 habe er in der Ferienzeit in der elterlichen Firma mitgeholfen und dabei eine ganze Menge verschiedener Jobs ausgeübt: Busse putzen, im Büro Rechnungen abheften, Reiseprogramme schreiben – das habe ihn geprägt.
Mutter Nazly ist gebürtige Ägypterin. Dadurch ist Karim Twerenbold mit zwei unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen. In den Jugendjahren sei er bis zu dreimal im Jahr in Ägypten in den Ferien gewesen.
Twerenbold ist dreisprachig aufgewachsen. Deutsch, Arabisch und Englisch. Er sagt: «Das sind Geschenke. Denn Sprachen sind der Schlüssel zum Tor der Welt.» Und das hat sich für Karim Twerenbold schon früh aufgetan. «Durch die Herkunft meiner Mutter habe ich sicher zwei Herzen in meiner Brust. Dennoch überwiegt das Schweizerische. Denn ich bin hier aufgewachsen und hatte das Privileg, mit meinen Eltern schon früh viel in der Welt herumzukommen.» Familiär habe er auf beide Seiten «wunderbare» Verhältnisse gehabt. Dieser Familienzusammenhalt sei denn auch gerade in schwierigen Zeiten ein zentrales Element, das die Firma zusammengehalten hat.
Die fünfte Generation ist schon da
Twerenbold ist seit 2019 mit seiner Frau Andrea verheiratet. 2020 kam Tochter Leyla zur Welt. Sie begründet die fünfte Generation der Twerenbold-Dynastie. «Mein Wunsch und auch meine Philosophie ist es, die Firma in eine fünfte Generation zu führen», sagt Karim Twerenbold.
«Dieses Jahr feiern wir das 130-Jahre-Jubiläum. In 20 Jahren wäre es das 150. Jahr seit der Gründung der Firma. Mein Vater hat das Feuer als Unternehmer in mir geweckt. Ich werde versuchen, dieses Feuer dereinst in meiner Tochter zu wecken.» Allerdings, könne man das nicht einfach herbeireden. «Schon mein Vater hat gesagt: Das eine ist das Wollen, und das andere sei das Können.» Dieses Können wurde Karim Twerenbold aber nur teilweise in die Wiege gelegt. Nach seinem Wirtschaftsstudium hat er verschiedene Praktika im In- und Ausland absolviert. «Am Ende habe ich gemerkt, dass mein Herz für den Tourismus schlägt.» 2011 (mit gerade mal 26 Jahren) ist er in die elterliche Firma eingestiegen.
Ein Wink des Schicksals
Dabei hatte er da gerade andere Pläne. Er hatte nämlich bereits eine Stelle bei der Swiss, im Bereich Commercial Controlling, unterschrieben. Doch der damalige CEO der Twerenbold-Gruppe bat den jungen Twerenbold, stattdessen in die familiengeführte Unternehmung einzusteigen. «Ich habe den Vertrag mit der Swiss geschmissen und stattdessen in Rütihof angeheuert. Aber nur unter der Bedingung, dass ich nicht unter meinem Vater arbeite. Nicht weil unser Verhältnis nicht gut gewesen wäre. Im Gegenteil. Aber ich wollte losgelöst von ihm arbeiten.» So stieg Twerenbold als Projektleiter für die Gruppe ein. Im Nachhinein erweist sich das Timing von damals als glückliche Fügung des Schicksals. Schon 2013 übernahm der junge Twerenbold die Führung der Gesamtgruppe und der Reederei. Ab da hätten Vater und er begonnen, die Nachfolge zu regeln. Das sei ein äusserst herausfordernder Prozess gewesen. «Vater und ich waren stets ein gutes Tandem. Er war als Unternehmer und Mensch ein grosses Vorbild für mich», sagt Karim Twerenbold. «Er war auf seine Art ein strenger Patron. Er war aber auch immer sehr klar – und sehr menschlich. Und er war immer da, wenn es ihn gebraucht hat.» Als der Vater, der die Geschicke des Unternehmens während 44 Jahren geprägt hatte, im Dezember 2015 verunfallte und ein paar Tage danach starb, stand der Junior bereits seit zweieinhalb Jahren an der Spitze der Gesamtunternehmung. Wie für die gesamte Tourismus- und Reisebranche war die Covid-Pandemie auch für Twerenbold eine schmerzhafte und turbulente Zeit. «Wir büssten im Jahr 2020 etwa 90 Prozent unseres Umsatzes ein. 2021 waren es immer noch 60 Prozent weniger als 2019.» Wie übersteht man so eine Katastrophe? «Weil unsere Strategie schon immer die war, die Gewinne im Unternehmen zu belassen und in die Substanz zu investieren. Natürlich haben auch wir von den Instrumenten, die der Bund zur Verfügung gestellt hat, profitieren können. Insbesondere die Kurzarbeit für die Mitarbeitenden war matchentscheidend. So mussten wir fast kein Personal abbauen.»
Karim Twerenbold räumt ein: «Es war für mich und auch meine Geschäftsleitung eine sehr herausfordernde Zeit. Nicht weil mich Existenzängste geplagt hätten. Aber es hat uns doch sehr umgetrieben. Die Kunden, die das wollten, hatten ihr bereits eingezahltes Geld binnen 14 Tagen zurück. Das hat unsere Position sicher gestärkt. Wichtig war, dass wir stets offen und transparent kommuniziert haben.» Twerenbold sieht sich insgesamt gestärkt aus der Krise gekommen. «Es war zwar eine brutale Zeit. Aber wir haben viel gelernt. So eine Krise kann man nur überstehen, wenn man das richtige Team um sich hat.»
Die DNA des Unternehmens
Mittlerweile ist Twerenbold wieder auf Kurs und erreicht die Zahlen von vor der Pandemie. Zahlen gibt das Unternehmen zwar keine bekannt. Nur so viel: «Wir bewegen im Jahr über 100 000 Menschen. Und wir haben rund 750 Leute auf der Payroll.» Zur Entwicklung des Unternehmens sagt Karim Twerenbold: «Die Zukunft wirds zeigen. Wir wollen nicht um jeden Preis Wachstum erzielen, sondern intelligent wachsen.»
Das liege allein schon in der DNA des Unternehmens, sagt Twerenbold. «Wir betreiben unsere Fahrzeuge seit 1895 als Eigentümer. Damals waren es Kutschen. Heute sind es Busse und Schiffe. Wir könnten die auch mieten. Aber nein, wir wollen weiterhin Besitzer sein. Wir bauen seit 2004 Schiffe, die grossmehrheitlich zu hundert Prozent eigenfinanziert sind. Dadurch haben wir die gesamte Wertschöpfungskette in unserer Hand. Und wir können unsere eigenen Ideen umsetzen. Gerade jetzt richtet meine Mama Nazly die Excellence Crown, das zehnte Schiff in unserer Flotte, ein. Sie gestaltete und richtete alle unsere Schiffe ein. Wir müssen also keine Standardlösungen übernehmen. Das kann man nur als Eigner, das macht uns einzigartig. Wir fahren unter Schweizer Flagge. Das machen viele, aber wir sind ein echtes Schweizer Familienunternehmen. Basel ist unser Heimathafen, hier werden unsere Schiffe getauft.» Demnächst auch die Excellence Crown.
Beat Gomes
Twerenbold Reisen im Zeitraffer
Die «Twerenbold Reisen AG» mit Sitz in Rütihof beschäftigt rund 720 Mitarbeitende und gehört zu den bedeutendsten Reiseunternehmen der Schweiz. Die familien-und inhabergeführte Unternehmensgruppe gliedert sich in vier Hauptzweige: Neben dem Busreiseveranstalter «Twerenbold Reisen» auch in den Fluss- und Kreuzfahrtenspezialisten «Reisebüro Mittelthurgau»; den Anbieter von Natur- und Wanderferien «Imbach Reisen»; «Vögele Reisen», den Spezialisten für begleitete Flug-Rundreisen und die Reederei «Swiss Excellence River Cruise.» Rund 120 000 Gäste nehmen jährlich an den Rundreisen in praktisch allen Ländern Europas teil.
Gründung im Jahr 1895
Die Firma wurde 1895 von Jakob Twerenbold mit einer Kutsche und sechs Pferden als Fuhrhalterei gegründet. 1919 erfolgte mit dem ersten Lastwagen des Unternehmens der Durchbruch ins motorisierte Zeitalter. Sogar ein Saurer-Car mit Luftbereifung gehörte dazu. – Die Ära der Ausflüge im Reisebus hatte begonnen. Ende der 1920er-Jahre liess Jakob Twerenbold an der Ehrendingerstrasse 8 in Ennetbaden ein Wohnhaus mit Garagen erstellen, in das die Familien seiner Kinder Hans und Walter einziehen konnten.
1937 erfolgte der erste Generationenwechsel: Die Söhne Hans, Josef und Walter übernahmen das Unternehmen und gründeten die Gebrüder Twerenbold AG. Nach den harten Kriegsjahren folgte der Aufschwung. Die ersten Reisebusse fuhren durchs Land.
1969 übernahm der erst 23-jährige Student Werner in dritter Generation die Geschäfte von seinem Vater und dessen Bruder. Werner Twerenbold baute das Unternehmen rasant aus. 1989 erfolgte der Umzug an den heutigen Firmensitz in Baden-Rütihof.
Twerenbold als Reederei
Mit der Gründung der «Swiss Excellence River Cruise GmbH» wurde Twerenbold Reisen schliesslich auch eine Reederei, die 2006 das erste Schiff, die «MS Excellence» (heute «Excellence Rhône») durch Bundesrätin Doris Leuthard taufen liess. 2016 übernimmt Karim Twerenbold das Verwaltungsratspräsidium. In diesem Jahr feiert Twerenbold Reisen als eines der bedeutendsten Reiseunternehmen der Schweiz das 130-Jahre-Firmenjubiläum. (bg)