«Wir wollen Fussball mit Anstand und Respekt»
26.11.2024 Fussball, SportJahresrückblick: Luigi Ponte, Präsident des Aargauer Fussballverbands, sprach mit dem «Reussbote» über Pläne, Hoffnungen und Wünsche
Luigi Ponte, Präsident des Aargauer Fussballverbands, blickt auf eine verregnete Rückrunde und die erfolgreiche ...
Jahresrückblick: Luigi Ponte, Präsident des Aargauer Fussballverbands, sprach mit dem «Reussbote» über Pläne, Hoffnungen und Wünsche
Luigi Ponte, Präsident des Aargauer Fussballverbands, blickt auf eine verregnete Rückrunde und die erfolgreiche Einführung der neuen «Captain only»-Regel zurück.
◆ In der Hinrunde 2024 gab es im Aargau total 14 Spielabbrüche. Können Sie mehr dazu sagen?
Ich denke, dass wir mit dieser Zahl schweizweit gesehen sehr gut dastehen. Man muss sagen, dass die meisten Abbrüche bei Junioren und Senioren waren. Bei den Aktiven gab es nur gerade zwei. Dennoch wünsche ich mir, dass gar keine Spielabbrüche nötig sind.
◆ Wie wollen Sie dieses ehrgeizige Ziel erreichen?
Wir sind auf einem guten Weg – auch deshalb, weil wir oft präsent sind und mit den Leuten reden. Bei den Abbrüchen bei den Junioren waren es übrigens selten die Spieler, sondern Trainer und vor allem Eltern, die sich unprofessionell verhielten. Wir brauchen deshalb noch bessere Ausbildungen bei den Trainern. Das ist auch mein Appell an die Vereine: Lieber gar keinen Trainer als einen schlechten. Wer keine Ahnung von Fairplay hat und nur um alles in der Welt gewinnen möchte, sollte keine Junioren trainieren.
◆ Und wie wollen Sie mit den Eltern umgehen?
Sie sind ein riesiges Problem, weil sie oft noch ehrgeiziger sind als die Jungen. Ich habe schon oft gesagt: Wenn die Junioren am Samstagvormittag Fussball spielen, sollen die Eltern doch einkaufen gehen. Dann haben die Eltern beim Shoppen Ruhe und wir auf dem Platz.
◆ Was können die Schiedsrichter beitragen?
Wir haben über 350 Schiedsrichter im Aargau. Das ist grundsätzlich ausreichend, aber wir haben trotzdem nicht genug Schiedsrichter, um diejenigen aussortieren zu können, die keinen so guten Job machen. Es gibt immer auch solche, die es nur des Geldes wegen machen. Wenn man am Samstag einen Junioren-C-Match pfeift, bekommt man 80, 90 Franken. Damit kann man ab Abend in den Ausgang.
◆ Sie haben begonnen, Schiedsrichterinnen auszubilden. Wie läuft das?
Es ist ein harziger Start. Gerade für die älteren Generation ist es immer noch schwierig, eine Schiedsrichterin zu akzeptieren. Der Anteil weiblicher Schiris liegt im einstelligen Prozentbereich.
◆ Dann arbeitet die Zeit doch für die Schiedsrichterinnen.
Nur bedingt, weil gleichzeitig der Ausländeranteil im Fussball immer mehr steigt. Und da gibt es auch bei den Jungen viele, die von ihrem kulturellen Hintergrund her nicht genug Respekt vor einer Schiedsrichterin haben. Das Gleiche gilt übrigens auch fürs Publikum. Man darf das nicht schönreden. Ich bin auch Ausländer, aber ich bin der festen Überzeugung, dass hier im Aargau unsere Spielregeln gelten und dass sich alle daran halten müssen. Egal, wie jemand heisst. Egal, ob jung oder alt, Frau oder Mann. Umgekehrt muss man aber auch sagen: In vielen Kulturen hat Fussball einen höheren Stellenwert als in der Schweiz. So gesehen tut der Ausländer-Anteil dem Fussball eben auch gut.
◆ Wie ist Ihnen die Hinrunde 2024 im Hinblick auf den vielen Regen in Erinnerung geblieben?
Es ist einmal mehr klar geworden, wie nötig es wäre, mehr Kunstrasen-Plätze zur Verfügung zu haben. Hat ein Verein einen herkömmlichen Rasenplatz, kann der fünf bis sieben Monate im Jahr benutzt werden. Auf einem Kunstrasen kann man zwölf Monate im Jahr trainieren. Immerhin haben wir im Aargau mehr als 23 000 Fussballer und Fussballerinnen mit Lizenz, und dazu kommen noch all die Kinder ohne Lizenz. Ausserdem ist die Verletzungsgefahr auf Kunstrasen deutlich kleiner. Die SUVA arbeitet im Moment an einer Studie, die das klar belegen wird. Es gibt weniger Bänderverletzungen, weil es keine Unebenheiten und Löcher im Rasen hat. Und die Zeiten, als man sich auf Kunstrasen wegen des Granulats brutal aufschürfte, sind auch vorbei.
◆ Es könnten also nicht nur mehr Matches der 2., 3. und 4. Liga ohne Verschiebungen gespielt werden, sondern auch Juniorinnen und Senioren könnten mehr trainieren.
Absolut. Jeder Club, der eine Junioren-Warteliste hat, ist ein potenzielles Problem: Wenn die Kids nichts machen können, was ihnen Spass macht, kann es gut sein, dass sie auf die schiefe Bahn kommen. Hier ist meiner Ansicht nach die Politik in der Pflicht: Sie muss zusehen, dass wir genügend sinnvolle Freizeitangebote für Junge haben. Und da gehört Fussball natürlich dazu.
◆ Was war die wichtigste Entscheidung, die Sie dieses Jahr im Hinblick auf Fussball getroffen haben?
Dass wir die runden Tische mit den Vereinspräsidenten weiterführen. Manchmal kommen die Vereinspräsidenten auch mit unrealistischen Wünschen, aber es gibt doch immer wieder Anliegen, die wir umsetzen konnten. Und dass wir Spieler und Trainer, die sich nicht an die Regeln halten, weiterhin schonungslos sanktionieren werden. Wir wollen beim AFV einen sauberen Fussball mit Anstand und Respekt.
◆ Können Sie ein Beispiel machen für eine Neuerung, die am runden Tisch initiiert wurde?
Früher spielte man nur am Samstag und am Sonntag Fussball. Inzwischen werden aber so viele Matches gespielt, dass es nötig und auch sinnvoll wurde, auch an anderen Tagen Spiele anzusetzen. Heute wird praktisch an jedem Wochentag Fussball gespielt. Das war ein Vorschlag, der an einem dieser runden Tische entstand.
◆ 2024 wurde die «Captain only»-Regel eingeführt. Was ist das Fazit?
Ich bin extrem positiv überrascht. Ich hatte mit einer Flut von Gelben Karten gerechnet. Wir hatten ja auch oft genug den Vorwurf zu hören bekommen, «Captain only» sei einfach eine Geldmaschine. Ich bin froh, dass genau das nicht eingetreten ist. Es zeigt, dass es mit der richtigen Vermittlung klappt: Man muss Regeln einführen, sie erklären und sie durchsetzen.
◆ Werfen wir noch einen Blick voraus: Wie ist der AFV in die Frauen-EM involviert?
Matches werden bei uns keine ausgetragen, aber es gibt Plätze, die für Trainings in Frage kommen – alle die, die Kunst- und Naturrasen haben, damit die Teams entsprechend ihren Matches trainieren können. Auch werden wir voraussichtlich mit Susanne Küng aus Muri und Belinda Pierre-Brem aus Mellingen zwei Aargauerinnen als Linienrichterinnen im Einsatz haben.
Susanne Loacker