Handynummer überführte den Brandstifter

Do, 30. Jul. 2015
Ein Bild der Zerstörung: So sah die Boutique Beautiful nach dem mit Benzin gelegten Brand aus. Auch die benachbarten Ladengeschäfte (Coiffeur Schuler und Trachsel sowie Bingo-Schuhe) wurden arg in Mitleidenschaft gezogen. Es enstand ein Sachschaden von total 1,6 Millionen Franken.

22 Handynummern waren auf die Mitinhaberin der Boutique Beautiful in Fislisbach eingelöst, die im April 2011 abgefackelt wurde. Eine dieser Nummern war an der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Baden von zentraler Bedeutung.

Alfred Hitchcock hätte hier persönlich Regie führen können. «Diese Geschichte ist filmreif und auf Hitchcock-Niveau», sagte denn auch der Pflichtverteidiger des 30-jährigen Angeklagten Mazedoniers Dean*. Er wird beschuldigt, in der Nacht auf den 29. April 2011 im Fislisbacher Zentrum Gugger in der Boutique Beautiful mit Benzin einen Brand gelegt zu haben. Dean ist nicht geständig. Er behauptet, er sei tags zuvor in seine Heimat Mazedonien gefahren.

Nacktfotos auf Facebook,
Drohungen und eine «Flättere»
Falschaussagen, Irrungen, Drohungen, auf Facebook veröffentlichte Nacktfotos, ein riesiges Gewirr von Aussagen, eine umstrittene Brandverletzung, Tränen und ein Handgemenge vor dem Gerichtssaal, bei dem der Angeklagte von seiner ehemaligen Lebenspartnerin geohrfeigt wurde. Das alles und noch vieles mehr beinhaltete der Prozess am Dienstag vor dem Bezirksgericht Baden. Er dauerte geschlagene neun Stunden und war erst kurz vor 23 Uhr beendet. Drei Zeugen lud das Gericht vor: Tugce*, eine hübsche Brunette, deren gepflegetes langes Haar verspielt über die Schultern fällt und mit ihren Kurven zu spielen weiss, ist Mitinhaberin der abgefackelten Boutique. Ihr jetziger Lebenspartner Goran*, dessen weisses Hemd beim Bauchumfang mindestens eine Grösse zu klein ist, und Arda*, der Ex-Ehemann von Tugce, grossgewachsen, Türsteherformat. Diese drei Personen befragte das Gericht als Zeugen, um sich auch ein Bild über die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen zu machen. Und das war weiss Gott nicht einfach.

Die Handynummer
Eine zentrale Rolle spielte eine der 22 eingelösten Handynummern von Tugce. Anhand der registrierten Handydaten konnten sich die Richter ein Bild machen: In der Brandnacht wurde diese Nummer um 00.54 Uhr beim Alterszentrum in Regensdorf ausfindig gemacht, wo Tugce in dieser Nacht arbeitete. Danach wurde das Handy um 1.27 Uhr auf dem Fislisbacher Sportplatz Esp geortet. Zwischen diesen zwei Zeiten blieb für den Täter genügend Zeit, die Fahrt von Regensdorf nach Fislisbach zu machen und den Brand zu legen (ca. 01.15 Uhr). Diese Nummer hat nach dem Brand auch mehrmals auf die Festnetznummer des Alterszentrums Regensdorf angerufen.

Wer benutzte die Handynummer?
Fakt für das Gericht ist, dass diese Nummer in der Tatnacht aktiv war. Die Frage ist, wer diese Nummer benutzte. Für die Richter war klar, dass der Angeklagte Dean mit dieser Nummer unterwegs war. Auch die übersetzten SMS zwischen dem Handybesitzer und Tugce weisen darauf hin. Da ist von «Liebster», «Liebling» und «schade bist du nicht bei mir», die Rede. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beziehung zwischen Dean und Tugce noch bestanden, sie war aber nicht mehr intakt gewesen und hatte Risse. Ein weiterer Liebhaber von Tugce sei zwar durchaus möglich, darauf weist auch eine SMS hin. «Aber es ist nicht einzusehen, woher er kommt», argumentierte Gerichtspräsidentin Gabriella Fehr.

Woher sind die Brandwunden?
Dean hatte zudem Zugang zum Boutique-Schlüssel. Weiter weisen Brandwunden beim Angeklagten auf eine Verletzung hin. Dean gab zwar zu Protokoll, dass diese Wunden beim Reparieren eines überhitzten Autokühlergrills enstanden seien. Die vorgeladenen Zeugen waren anderer Meinung. Diese müssten von der Brandlegung sein, sagte Tugce, die eine Ausbildung im Gesundheitswesen machte. Ja, sie könne durchaus eine Brandwunde erkennen, die Verbrennungen waren sehr schlimm. Ihr derzeitiger Lebenspartner Goran pflichtete ihr bei und stammelte etwas von «schwarz, richtig verbrannt» und «wie söll ich das erkläre». Einzig Arda, der Ex von Tugce, relativierte die Brandwunden: «Es waren keine schlimmen Verletzungen.» Dean habe aber gegenüber ihm die Brandlegung bestätigt. Der Verteidiger wies darauf hin, dass es unmöglich sei, mit so erheblichen Brandwunden mit dem Auto nach Mazedonien zu fahren und anderntags nach Ungarn. Für den Verteidiger sei es offensichtlich, dass in diesem Prozess jeder irrt oder lügt. Die Aussagen divergieren deutlich und alle befragten Personen haben zusammen diskutieren können. Nicht unerwähnt blieb auch, dass die Versicherung der Boutique keinen Rappen bezahlte und die Tat als «Riesenbschiss» mit gefälschten Quittungen abhandelte.
Der Staatsanwalt forderte eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und begründete die hohe Ansetzung mit der qualifizierten Brandstiftung. Diese sei erfüllt, wenn konkret Gefahr für Leib und Leben geschaffen wird. Hinter der Boutique befinden sich in derselben Überbauung 14 Wohnungen. Die Täterschaft könne auf die Betreiberin, ihren Ex-Mann und auf ihren Lebenspartner eingegrenzt werden. Sowol Tugce wie auch Arda verfügen über ein Alibi. Dean aber habe sich in der Tatnacht in Fislisbach aufgehalten, was die erwähnten Handydaten belegen. Dean konnte die Trennung nicht verschmerzen, machte Drohungen und war von Hass erfüllt.
Die Verteidigung konnte den Argumenten der Staatsanwaltschaft nicht folgen. Es seien zu viele Widersprüche. Falls aber der Angeklagte dennoch für schuldig befunden werde, so sei die einjährige Mindeststrafe anzuordnen.
Das Gericht sprach den Angeklagten einstimmig für schuldig. Einzelne Indizien gaben zwar zu Zweifel Anlass, so die Vorsitzende. Reiht man aber alle Indizien aneinander, so bestehen für die Richterinnen und Richter keine Zweifel mehr, dass Dean den Brand gelegt habe. Entscheidend für das Gericht war die Handynummer, sagte Präsidentin Gabriella Fehr. Das Strafmass reduzierten die Richter allerdings auf dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe.

* Namen von der Redaktion geändert

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