Stadtschreiber von Mellingen – Grossrat – Seelsorger

Di, 14. Jul. 2020

Anfang Juni starb in Luzern im hohen Alter von 96 Jahren der ehemalige Mellinger Stadtschreiber Adolf Fuchs. Der Verstorbene wuchs mit vier Brüdern in einer einfachen, ausgesprochen christlich geprägten Arbeiterfamilie in Wohlen auf. Schon in jungen Jahren legte Adolf Fuchs einen aussergewöhnlichen Tatendrang an den Tag: Als Mitglied der Jungwacht stieg er bis zur Leitung dieser Organisation im Aargau auf. Schon mit 17 Jahren trat er zu Beginn des Zweiten Weltkriegs der Ortswehr in Wohlen bei.

Stadtschreiber von Mellingen
Nach der obligatorischen Schulzeit absolvierte Fuchs eine Verwaltungslehre und bildete sich zum Verwaltungsfachmann aus. Mit 22 Jahren wählte ihn der Gemeinderat von Mellingen zum Stadtschreiber. Zugleich wurden ihm anfänglich das Standesamt, die Einwohnerkontrolle und die Geschäftsleitung der Elektrizitäts- und Wasserversorgung anvertraut. Zudem war Fuchs urkundsberechtigter Gemeindeschreiber, also eine Art Notar, der Kauf- und Pfandverträge usw. amtlich beglaubigen konnte. 33 Jahre wirkte der nun Verstorbene als Rechtsperson und gewissermassen als sechster Gemeinderat im Rathaus. Begreiflich, dass der voll Tatendrang strotzende Mann sich dabei nicht immer nur Freunde schuf. Doch waren die Verdienste und die Arbeitsbelastung von Adolf Fuchs für die Gemeinde Mellingen, die bei seinem Amtsantritt 1500 und 1979 am Schluss seiner Karriere 3300 Einwohner zählte, enorm gross. In dieser Zeit siedelte sich zahlreiche Industrie an, alle Ausfallstrassen wurden saniert, neue Quartiere gebaut, zwei Schulhäuser errichtet usw. Auch das Rathaus wurde erstmals als modernes Dienstleistungszentrum umgestaltet. Neben seinen Diensten für die politische Gemeinde amtete Adolf Fuchs mehrere Jahre auch als Präsident der katholischen Kirchenpflege. Angesichts der grossen Verdienste für Mellingen verlieh ihm die Gemeindeversammlung 1979 das Ehrenbürgerrecht.

Grossrat
1972 wählten die Bewohner des Bezirks Baden Adolf Fuchs als Grossrat der CVP. In dieser Behörde verschaffte sich der aussergewöhnlich redegewandte Politiker als viel beachteter Debattierer grosse Aufmerksamkeit. Und als es 1976 Leo Weber als Regierungsrat zu ersetzen galt, war auch Adolf Fuchs im Gespräch. Das Rennen machte dann allerdings Hansjörg Huber von Zurzach. 1979 trat Fuchs nach dem Tod seiner Gattin aus dem Rat zurück. Der damalige Fraktionschef Max Knecht urteilte damals über seinen Ratskollegen: «Nur wenige Grossräte sind bereit, hinter den Kulissen ein derartiges Pensum zu übernehmen.»

Der Familienmensch
Hoch oben über dem Städtchen erbaute Adolf Fuchs für seine Gattin Elfriede und die drei Söhne am Herrenrebenweg ein repräsentables Haus. Doch das Familienglück zerbrach 1978 total unerwartet. Während eines Ferienaufenthalts in Kreta verstarb Elfriede Fuchs 52-jährig an einer Hirnblutung. Fuchs stürzte in eine Sinnkrise. Er wollte nicht mehr weiter als Stadtschreiber und Grossrat amten. So erwog er, wie er sich in seinem ausführlichen persönlichen Lebenslauf schrieb, sich beim Kanton für ein Amt im sozialen Bereich zu bewerben. Schliesslich rang er sich aber durch, im Alter von 55 Jahren noch Priester zu werden. Denn in der katholischen Kirche steht verwitweten Männern das Priesteramt offen. So war es Pfarrer Fuchs vergönnt, sich als Priester über die drei Söhne, die neun Enkelkinder und neun Urenkelkinder zu freuen und sich von ihnen getragen zu fühlen.

Seelsorger und Autor
Da Adolf Fuchs schon über eine grosse Lebenserfahrung verfügte, musste er nur noch ein verkürztes Theologiestudium absolvieren. 1982 feierte dieser in der Stadtkirche Mellingen seine Primiz, die erste Eucharistiefeier. Von 1982 bis 1992 wirkte der Neu-Priester als Pfarrer von Pfaffnau (LU). Hier wohnte er im prächtigen Pfarrhaus, das 1765 von Abt Augustin Müller – Sohn des Schultheissen und Löwenwirts von Mellingen – erstellt worden war und dem Klostervorsteher als Sommeresidenz gedient hatte. Pfarrer Fuchs hatte als Vater und ehemaliger Ehemann gegenüber seinen unverheirateten Kollegen den Vorteil, aus persönlicher Erfahrung Probleme in der Erziehung und Partnerschaft mit den Gläubigen zu besprechen. Der nun Dahingegangene war einer der ganz wenigen in der Schweiz, der alle sieben Sakramente, welche in der katholischen Kirche empfangen werden können, gespendet erhielt – Verheiratung und Priesterweihe schliessen sich ja normalerweise aus. 1988 war es ihm vergönnt, der kirchlichen Eheschliessung seines Sohnes Christoph als Priester vorzustehen. Von 1992 bis 1999 wirkte Adolf Fuchs als Spitalpfarrer in der Klinik St. Anna in Luzern. Mit 75 Jahren trat der Unermüdliche in den Ruhestand, feierte aber bis zum 91. Altersjahr als Aushilfe in verschiedenen Pfarreien Gottesdienste, so auch in Mellingen. Fuchs war eine imposante Figur, eine redeund schreibgewandte Person. Er durfte in seinen Gottesdiensten immer mit einer zahlreichen Zuhörerschar rechnen. Daneben verfasste er sechs kleinere Bücher, in welchen er seine Glaubensund Lebenserfahrungen weitergab. Mit 91 Jahren trat er ins Pflegeheim St. Raphael in Luzern ein, wo er am 6. Juni verstorben ist und danach im Priestergrab der Kirche St. Leodegar daselbst beigesetzt wurde.
Seinen Angehörigen entbieten wir unser herzliches Beileid und möchten – gleichsam als Denkmal dieses ausgesprochen fortschrittlich denkenden Priesters – mit einem Zitat von Adolf Fuchs unsere Würdigung abschliessen. Als 83-Jähriger meinte dieser in einem Interview: «Meines Erachtens sollte bei der Auswahl von Priesteramts-Kandidaten weder der Zivilstand noch das Geschlecht und auch nicht das vorgerückte Alter massgebend sein, sondern die innere Berufung, die gemachten Lebenserfahrungen und die Liebe zu Gott und zu den Menschen, um möglichst glaubwürdig zu wirken.»

Rainer Stöckli

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