Mitmachen bei der Partei der Mitte
07.08.2020 PolitikDie Schweizer CVP will ihre Parteistrukturen stärken und ihr Profil schärfen. Diskutiert wird nicht nur über Inhalte, sondern auch über einen neuen Namen als neue Marke und die Fusion mit der BDP. Was sagen bekannte Parteipersönlichkeiten aus unserem Verbreitungsgebiet zu ...
Die Schweizer CVP will ihre Parteistrukturen stärken und ihr Profil schärfen. Diskutiert wird nicht nur über Inhalte, sondern auch über einen neuen Namen als neue Marke und die Fusion mit der BDP. Was sagen bekannte Parteipersönlichkeiten aus unserem Verbreitungsgebiet zu diesem Vorhaben?
Ich begrüsse eine Namensänderung, auch wenn das einigen in der Partei nicht gefällt und es Austritte geben könnte.» Das sagt Albin Fischer aus Mägenwil. Das CVP-Urgestein ist über 80 Jahre alt und Mitglied seit mehr als 60 Jahren. Obwohl selbst katholisch und gläubig, würde der alt Gemeindeammann seine Partei lieber als «fair, kreativ und erfolgsversprechend» bezeichnen denn als «christlich». Religion gehöre für ihn ins Private, nicht in die Politik. Für ihn ist die CVP die «Partei der Mitte». Mit einem – möglicherweise nicht ganz ernst gemeinten – Namensvorschlag kann er dennoch aufwarten: «Creative Partei der Schweiz». So verliere das «C» sein Handicap; gleichzeitig funktioniere der Name auch im Welschland und im Tessin. Wie es auch kommt, für Fischer ist eine Namensänderung heute so wichtig wie 1970. Damals änderte die Partei den Namen von «Katholisch-Konservative Partei» in «Christlichdemokratische Volkspartei». Mit Blick auf den grossen Anteil an Konfessionslosen unter den Wählerinnen und Wählern stellt er abschliessend fest: «Man muss mit der Zeit gehen.»
Alter Name eher hinderlich
«Ich könnte auch mit dem alten Namen weiterleben. Aus der Partei austreten würde ich deswegen nicht», sagt Grossrätin Edith Saner aus Birmenstorf. Für die 60-Jährige spiele Religion grundsätzlich eine Rolle im Leben und es entspreche ihrer Grundhaltung, christliche Werte wie Respekt, Toleranz und Achtsamkeit vorzuleben. «Das ist aber unabhängig von der Parteizugehörigkeit so, das würde ich auch in einer anderen Partei machen», sagt die ehemalige Frau Gemeindeammann von Birmenstorf. Sie persönlich müsse ihren Glauben nicht vor sich her tragen oder ihn besonders herausstreichen – sie sei zur CVP gekommen, weil diese für sie eine Partei der Mitte gewesen sei. «Darum habe ich nichts gegen eine Namensänderung.» Mit Vorschlägen will sie sich allerdings nicht beteiligen. «Ich hänge nicht so sehr an Namen. Inhalte sind mir wichtiger, und diese müssen Menschen machen. Dennoch ist es richtig, dass darüber ernsthaft diskutiert wird», kommt sie auf die Fusion mit der BDP zu sprechen. «Das C im Namen schreckt möglicherweise Menschen ab, die sich mit der Politik der Partei identifizieren können, und das wäre schade.»
Das unterschreibt auch Nationalrätin Ruth Humbel aus Birmenstorf, welche die Fusion im Aargau aufgrund der gemeinsamen Liste bei den Grossratswahlen schon recht fortgeschritten sieht. «Knackpunkt könnte der Name werden», sagt die erfahrene Gesundheitspolitikerin, die vor Bern über 20 Jahre im Grossen Rat sass. Generell hält Humbel es für sinnvoll, wenn sich die Parteien der Mitte zusammentun. Dass bald über eine Namensänderung abgestimmt werden soll, sieht sie darum pragmatisch. Öffentlich an der Diskussion beteiligen will sie sich jedoch nicht. «Ich bin über 60 Jahre alt und finde, die junge Generation ist hier gefragt. Es ist in meinen Augen auch nicht zielführend, wenn sich alle dazu äussern. Das ist ein parteiinterner Prozess», kritisiert sie.
C wird negativ verstanden
Für den Niederwiler Gemeindeammann Walter Koch ist die Namensfrage ohnehin schon geklärt: «Ich habe mich für ‹Partei der Mitte› entschieden», sagt er. Denn in der Politik müsse man stets zwischen extremen Positionen vermitteln und Kompromisse schmieden. Das sei die Aufgabe der Partei. Religion spiele in seinem politischen Alltag keine grosse Rolle, entscheidend sei, gut zu kommunizieren und ehrlich zu sein. Da der Begriff «christlich» heute oft negativ verstanden und mit fundamentalistischen Positionen verbunden werde, sei er im Namen hinderlich. Ohne, sei die Partei offener für mehr Menschen. Christliche Grundwerte, etwa Offenheit gegenüber allen Formen des Zusammenlebens oder Respekt gegenüber Mitmenschen, könne er auch vertreten, ohne dass es wörtlich im Namen der Partei festgeschrieben sei. «Ich bin Christ, katholisch, aber ich respektiere zum Beispiel auch einen Atheisten.» Letztlich sei es egal, welchen Glauben eine Person hat, findet der 62-Jährige. «Wer sich in der Schweiz eingelebt hat und einen politischen Konsens anstrebt, ist bei uns in der richtigen Partei. Ich lade alle Menschen ein, egal welcher Religion sie angehören, in der ‹Partei der Mitte› mitzumachen.»
Stefan Böker
Alle stimmen ab
Dem Reformprozess der CVP voran ging eine Umfrage, die ergab, dass vier von fünf befragten Personen ausserhalb der Partei einen Bezug zum Christentum im Namen unattraktiv finden. Innerhalb der CVP hat sich eine Mehrheit von 53 Prozent der Befragten für den Namen «Partei der Mitte» ausgesprochen. Andere Namen wie «Freiheit und Solidarität» oder der bestehende Name erhielten weniger Zuspruch. Unklar ist, wie lange der Prozess der Namensfindung noch dauern soll. Geplant ist, dass alle CVP-Mitglieder noch vor der Delegiertenversammlung im November in einer sogenannten «Urabstimmung» darüber befinden. Dies geht aus einer Medienmitteilung der CVP hervor. Auch der Entscheid über die Fusion mit der BDP soll noch in diesem Jahr fallen. (sb)