«Es liegt an jedem Einzelnen, dass er fit ist»
05.02.2021 Sport, GerichtFussball 2. Liga: Ab Anfang März ist vielleicht reguläres Training wieder möglich. Jetzt drückt Trainer Christian Jäggi wieder aufs Gas
FC Fislisbach-Trainer Christian Jäggi und sein Staff stehen in den Startlöchern. Sie hoffen auf den offiziellen ...
Fussball 2. Liga: Ab Anfang März ist vielleicht reguläres Training wieder möglich. Jetzt drückt Trainer Christian Jäggi wieder aufs Gas
FC Fislisbach-Trainer Christian Jäggi und sein Staff stehen in den Startlöchern. Sie hoffen auf den offiziellen Trainingsbeginn für die Rückrunde per Anfang März. Und sie drücken bei ihren Spielern aufs Gas. Jäggi kündigt schon jetzt an: «Wer nicht fit zurückkommt, wird es schwer haben.»
Bei der Frage, wie er sich nach so langer Zeit ohne Fussball fühle, macht Christian Jäggi am Telefon erst mal eine lange Pause. Nur sein Atem ist zu hören. «Hmm, was soll ich sagen? Nun, die Pause hat auch ihre guten Seiten gehabt. Nach den vielen intensiven Jahren im Fussball, habe ich die Zeit genutzt, um meine sozialen Kontakte zu pflegen, die während Jahren wegen des Fussballs zu kurz gekommen sind. So konnte ich auch wieder mal Zeit mit meinem Patenkind verbringen.»
Jäggi ist ein Getriebener des Fussballs. Er war unter anderem Trainer bei den U16 und U19 bei den Zürcher Grasshoppers, mit welchen er 2016 Schweizer Meister wurde. Vor seinem Engagement in Fislisbach war er als Cheftrainer bei den Frauen des FC Basel bei den U17 und U19 im Leistungsfussball tätig. Als er im Juni 2019 auf dem Esp als neuer Cheftrainer beim FC Fislisbach vorgestellt wurde, wunderten sich die Kenner der regionalen Fussballszene. Christian Jäggi wer? Einer aus dem Frauenfussball? Und die Skeptiker fragten sich: Kann so einer auch Männerfussball?
Nun, eineinhalb Jahre später wird diese Frage nicht mehr gestellt. Jäggi hat die Antwort auf eindrückliche Art und Weise gegeben. Zwar mussten sich die Spieler zuerst an den Neuen gewöhnen, der sich so sehr von seinem Vorgänger, dem Aufstiegstrainer Pascal «Diego» Brühwiler unterscheidet. Jäggi pflegt das Detail. Er beobachtet jeden einzelnen Spieler durch die Brille des messerscharfen Analytikers. Als er bei seinem Antritt sagte, er sei bestrebt, jeden seiner Spieler besser zu machen, klang das nach einem Spruch fürs «Phrasenschwein». Fragt man heute die Spieler, sagen die meisten, Jäggis Methoden hätten sie tatsächlich besser gemacht.
Auf dem Esp wird unter normalen Bedingungen dreimal pro Woche trainiert. Darunter, so sagt Jäggi, sei erfolgreicher Fussball in der 2. Liga nicht zu haben. An erster Stelle steht die Fitness. Denn in einer knüppelharten Liga, wie der Aargauer 2. Liga, sind jene im Vorteil, die körperlich bestehen und auch noch in der 90. Minute etwas Entscheidendes bewegen können. Für die Fitness steht Jäggi mit Assistenztrainer Cristian Iglesias ein «Schleifer» zur Seite, der sein Handwerk versteht. Als ehemaliger Goalgetter und langjähriger Spieler der ersten Mannschaft hat er einen guten Draht zu den Spielern.
Der Coup mit einer Frau im Staff
Jäggi gelang es mit seinem Staff in der Aufstiegssaison in den vorderen Rängen der Tabelle mitzuspielen, bevor die Meisterschaft 2019/20 wegen Corona abgebrochen wurde. Vor Beginn der aktuellen Saison überraschte er seinen ehemaligen Kapitän und heutigen Sportchef Christian Umbricht mit dem Vorschlag, mit Ramona Armuzzi eine Frau als weitere Assistenztrainerin aufs Esp holen zu wollen. Umbricht konnte sich das anfänglich kaum vorstellen. Eine Frau, die zwar selbst eine Spitzenspielerin war und die während Jahren bei den Grasshoppers in Zürich nur Frauen trainiert hat? Jäggis Wunsch wurde, wenn auch mit einigen Zweifeln, stattgegeben. Heute dürfen sich die Verantwortlichen im Verein für diese Entscheidung gegenseitig auf die Schulter klopfen. Mit Armuzzi ist eine Frau mit enormen technischen, taktischen und menschlichen Qualitäten aufs Esp gekommen. Sie brachte neue Trainingsformen mit, von denen vorher die wenigsten auch nur gehört hatten. Und sie brachte einen Ton in die Mannschaft, dem anfänglich mit Skepsis begegnet wurde, heute aber eindeutig dazu beiträgt, das Mannschaftsklima zu verbessern.
Jäggi und sein Staff haben längst aufgehört zu planen was, wann und wie, sein könnte. Der Lockdown hat sie gelehrt, dass sich selbst minutiöseste Pläne schneller in Luft auflösen können, als man denken kann. «Es bringt überhaupt nichts, schon jetzt im Detail zu planen. Wir haben uns in der Vergangenheit jeweils stundenlang die Köpfe zerbrochen und diskutiert. Aber es ist hinterher immer anders gekommen, als wir gedacht hatten», sagt Jäggi.
In Fislisbach hoffen sie, der Bundesrat möge Ende Februar die Trainings für Fussballteams wieder freigeben.
Jäggi zieht die Schrauben an
Wenn dem so wäre, könnte die Meisterschaft Anfang April wieder aufgenommen werden. Deshalb hat Jäggi seinen Spielern einen Trainingsplan abgegeben, an den sie sich zu halten haben. Bis dahin waren die Trainings eines jeden Einzelnen freiwillig. Jetzt verlangt Jäggi zwei Trainings pro Woche und hinterher ein Feedback der Spieler, die rapportieren müssen, wie und was sie trainiert haben. «Natürlich ist uns bewusst, dass nicht jeder gleich mitzieht», sagt Jäggi. «Aber damit schneiden sich all jene, die nicht genug für die Vorbereitung tun, selbst ins Fleisch. Wer sich nicht reinhängt, spielt dann auch nicht.» Jäggi betont: «Namen spielen keine Rolle. Das Team steht über allem.» Deshalb verlangt der Fussballlehrer von seinen Spielern Eigenverantwortung. «Sie müssen begreifen: Von nichts kommt nichts. Wir spielen 2. und nicht 5. Liga.» Jäggi will sich Mitte Februar mit seinem Staff in einer Telefonkonferenz beraten. Dabei hofft er auf erste Anzeichen aus Bern, die darauf hinauslaufen, dass Fussball wieder möglich sein wird.
Beat Gomes