«Das Vertrauen in den Töff ist zurückgekehrt»

Di, 04. Mai. 2021

Motorsport: Der Niederwiler David Ludin arbeitet intensiv an seinem Comeback. Er hat die ersten Tests in Hockenheim hinter sich und sagt:

Er gehörte zu den schnellsten Rennfahrern der Schweiz — bis er durch Stürze jäh gestoppt wurde. Nun arbeitet David Ludin (32) intensiv an seinem Comeback. Erste Tests ins Hockenheim stimmen den Niederwiler zuversichtlich.

Er war ein Späteinsteiger. David Ludin war bereits 27, als er mit seinem Superbike ernsthaft in den Rennsport einstieg. Zur Verblüffung der Konkurrenz war der 1,93 Meter grosse Schlaks auf Anhieb schnell. Sehr schnell sogar. Ludin fuhr in seiner ersten Saison auf einer 1000er BMW auf Rang zwei der Schweizer Superbike-Meisterschaft. Es fehlte nicht viel und er wäre 2017 sogar Schweizermeister geworden. So schnell wie er aufgestiegen war, so rasant ging es auch wieder abwärts. Ludin stieg völlig unbeschwert in den Rennsport ein. Er lebte von seiner Grundschnelligkeit, die man nicht lernen kann. Solange er auf seinem Töff sitzen blieb, war er an der Spitze dabei. Aber dann kam der berühmte letzte Zacken, der zwischen Sieg und Niederlage entscheidet. Ludin machte seine ersten Sturzerfahrungen, stieg wieder auf und drehte weiter am Gashahn bis er mit schweren Verletzungen auf dem Operationstisch landete. Selbst da wollte er nicht aufgeben und mit zusammengeflickten Schulterknochen wieder auf seinen «Göppel» sitzen. Stürze nagen nicht nur am Selbstvertrauen, sie kosten auch viel Geld. So viel, bis das Budget ausser Kontrolle geriet und Ludin schweren Herzens die Segel streichen musste. Aber einer wie Ludin gibt nicht so schnell auf.

Der Comeback-Plan
Der studierte Betriebswirt empfand die Kapitulation als persönliche Niederlage, die er so nicht akzeptieren konnte und wollte. Er liess sich seine Schultern zusammenflicken, beglich seine Schulden und legte sich einen neuen Plan zurecht. Spätestens nächstes Jahr will er zurück sein und in einer noch zu bestimmenden Meisterschaft erneut angreifen. Denn in seinem Kopf ist fest eingebrannt, wie schnell er wirklich sein kann. Mit den gemachten Erfahrungen im Gepäck, will sich der Niederwiler selbst beweisen, dass er sein Potenzial längst noch nicht ausgeschöpft hat.
Von der Öffentlichkeit unbeachtet fuhr Ludin mit seinem Mechaniker des Niederwiler ASR Racing-Teams für zwei Trainingsweekends auf die Rennstrecke von Hockenheim. «Dabei stand nicht die Geschwindigkeit im Vordergrund», erzählt Ludin. «Es ging vor allem darum, das Vertrauen in die Maschine wieder zu finden.» Als er das erste Mal nach einem Jahr und neun Monaten raus auf die Rennstrecke fuhr, waren die äusseren Bedingungen alles andere als ideal. Bei Nieselregen und seifiger Piste ging es darum, die richtige Balance zwischen Angriff und Sicherheit zu finden.

Noch immer erstaunlich schnell
Das habe erstaunlich gut geklappt, wunderte sich Ludin hinterher. «Ich war von Anfang an erstaunlich schnell. Ja, ich war gegenüber der Konkurrenz sogar wettbewerbsfähig.»
Während die Konkurrenz, darunter sehr schnelle Leute aus der deutschen Rennszene, ihre besten Reifen auspackten, konnte Ludin allerdings nicht mehr mithalten. «Wir fuhren ausschliesslich auf harten Rennreifen. Es ging darum, die Maschine richtig einzustellen.» Das gelang beim zweiten Testweekend bereits erstaunlich gut. «Wir haben nur wenig Reifen gebraucht und haben uns dabei auf die Vorderachse konzentriert.» Mit gutem Grund. Ludins frühere Stürze waren nicht zuletzt auf die fehlende Feinabstimmung beim Anbremsen auf langsame Kurven zurückzuführen. Nun will er die damals genutzten Erfahrungen einsetzen, um das Zusammenspiel zwischen Chassis, Reifen und Fahrer so abzustimmen, dass das Vorderrad in engen Kurven nicht mehr so schnell «einklappt».
Die Strecke in Hockenheim ist eine so genannte «Stop-and-Go»-Strecke. Die Fahrer müssen immer wieder brüsk bremsen um dann aus den Kurven heraus so schnell wie möglich zu beschleunigen. «Das hat wesentlich besser geklappt als ich es mir vorgestellt hatte», wundert sich Ludin. Das Vertrauen in die Maschine sei mit jeder Runde mehr zurückgekehrt. «Natürlich bin ich noch nicht wieder so schnell wie früher. Aber ich habe grosse Fortschritte gemacht.» In der Tat hat Ludin seine alten Bestzeiten in Hockenheim verbessern können. Allerdings hinken solche Vergleiche, weil sich das Material weiter entwickelt hat. Ludin hat auch körperlich Fortschritte gemacht. Das intensive Training scheint sich auszubezahlen. Nach mehreren Operationen an den Schultern wird die Beweglichkeit nie mehr so sein wie sie einmal war. Deshalb muss Ludin den Fahrstil an seine körperlichen Möglichkeiten anpassen.

Erstes Rennen im Juni in Brünn
Nach den ersten Trainingseinheiten auf der Rennstrecke gibt sich der Rückkehrer zuversichtlich. «Der Instinkt und die Reflexe auf dem Töff sind wieder da. Jetzt geht es darum, die Maschine weiter zu verbessern. Jedenfalls haben wir bereits eine gute Basis gefunden, um wieder schnell zu sein.»
Mitte Mai will der Niederwiler Racer nochmals in Dijon testen. Das ist eine völlig andere Rennstrecke. «Wir wollen sehen, wie gut wir in der Lage sind, die Maschine auf unterschiedliche Rennstrecken und Bedingungen einzustellen. Anfang Juni will Ludin im tschechischen Brünn ein erstes Mal an einem Rennen teilnehmen, das zu keiner Meisterschaft zählt. Alles in allem sieht Ludins Fazit zu Beginn seines Comebacks positiv aus. «Ich bin happy und spüre wie es wieder aufwärts geht. Wir sind auf jeden Fall auf einem guten Weg.»

Beat Gomes

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