Erstmals seit Jahren rote Zahlen im Reusspark

Fr, 07. Mai. 2021

Im Jahresbericht des Zentrums für Pflege und Betreuung steht Spannendes aus dem Arbeitsalltag und viel Positives – aber nicht nur

Die Auswirkungen der Pandemie haben auch im Reusspark deutliche Spuren in den Finanzen hinterlassen. Erstmals seit längerer Zeit weist das Zentrum für Pflege und Betreuung einen grösseren Verlust aus.

Der Bericht zur Jahresrechnung beginnt mit markigen Worten:
«Dieses Jahr hat uns wie kein anderes geprägt», schreibt Tobias Breitschmid, der stellvertretende Direktor und Leiter der Finanz- und Personalabteilung. Covid-19 habe auch im Reusspark die tägliche Arbeit stark beeinträchtigt. Mit viel Aufwand und Ausdauer hätten sich die Mitarbeitenden, Bewohnerinnen und Bewohner sowie Angehörigen aber dagegen gestemmt. Das Betriebsergebnis haben die dadurch entstandenen zusätzlichen Kosten – sie werden explizit ausgewiesen und betragen 530 000 Franken – negativ beeinflusst. Zusammen mit seinen Nebenbetrieben weist der Reusspark darum erstmals seit vielen Jahren ein negatives Ergebnis in Höhe von 155 480 Franken aus. «Wir appellieren an die Politik, uns in dieser Angelegenheit zu unterstützen», schreibt Breitschmid.

Betten waren teilweise Wochen leer
Die Wohnbereiche, die nicht in Quarantäne mussten, wiesen eine auf gesundem Niveau stagnierende Bettenauslastung aus, so der Jahresbericht – und sicherten damit einen Teil des betrieblich notwendigen Ertrages. Wo Quarantäne eingeführt wurde, war die Aufnahme neuer Bewohnerinnen und Bewohner verhindert. Teilweise standen Betten wochenlang leer, bis der Wohnbereich wieder zugänglich war. Im stationären Bereich gab es mehr Eintritte zu verzeichnen als im Vorjahr (158 gegenüber 131), was an der höheren Sterblichkeitsrate lag. Im ambulanten Bereich lag die Bettenbelegung leicht unter dem vom Vorjahr. Bedingt durch grössere Zurückhaltung wegen der Pandemie wurde das Tages- und Nachtzentrum weniger stark frequentiert, ebenso wie die Akut- und Übergangspflege. Insgesamt erwirtschaftete der Reusspark einen Betriebsertrag von 37,497 Millionen Franken.

Gastrobereich traf es hart
Besonders stark traf Corona den Bereich der Gastronomie. Das Café Reuss, eigentlich ein Magnet in der Region, war fast das ganze Jahr über geschlossen. Auch die ausbleibenden Umsätze im Restaurant Gnadenthal im Bankettwesen und die geringeren Einnahmen der Kita und des Hallenbades waren spürbar. Breitschmid findet für den Bereich Gastronomie deutliche Worte: «Der Lockdown im März hat uns in die Knie gezwungen. Das gleiche Schicksal ereilte uns gegen Ende Jahr erneut.» Aber er sei zuversichtlich, dass man nächstes Jahr «ein Comeback feiern» könne.
In der Gastronomie blieben die Personalkosten verhältnismässig hoch, denn sobald es möglich war, lief der Sieben-Tage-Betrieb mit entsprechenden Schutzmassnahmen, aber weniger Gästen. Dennoch blieben die gesamthaften Personalkosten mit 27,748 Millionen Franken erfreulicherweise unter dem Vorjahreswert. Ein Grund dafür waren die wegen Corona eingeschränkten Möglichkeiten, sich extern weiterzubilden, so Breitschmid. Corona verursachte auch in der Gastro nicht nur Mehraufwand: Da Kultur wenig stattfand, konnte er hier geringere Ausgaben verbuchen.

Werden die Taxen steigen?
Der Blick in die Zukunft fällt für den Finanzchef eher vorsichtig aus. Er ist sich sicher, dass Corona das Jahr wieder negativ beeinflussen wird. Vor allem im Gastrobereich ist die Diskrepanz zwischen hohen Personalkosten und geringem Ertrag zu spüren und wird es auch weiterhin sein. In welchem Umfang sich der Kanton an diesen Mindererträgen beteiligen wird, sei unklar, gibt Breitschmid zu bedenken. «Ich hoffe, dass sich die öffentliche Hand für eine Entschädigung ausspricht. Wird dies nicht geschehen, behalten wir uns vor, eine Anpassung der Taxen auf das Jahr 2022 kritisch zu prüfen.»
Der guten Arbeitsatmosphäre im Reusspark haben die erschwerten Umstände allerdings keinen Schaden zugefügt, stellt Personalchef Breitschmid fest. Er lobt in seinem Bericht die «offene Fehlerkultur» im Reusspark. «Wir tabuisieren Fehler nicht und vertuschen sie erst recht nicht, sondern nutzen sie, um die Qualität zu verbessern oder um auf neue Ideen zu kommen.» Zusätzlich lobt er die Weiterbildung, in die viel investiert werde, und die «Feedback-Kultur». Bewohnerinnen und Bewohner sowie ihre Angehörigen können sich jederzeit mit einem Mitglied der Geschäftsleitung treffen. Auch Rückmeldungen von den Mitarbeitenden hole man ständig ab. Darum schliesst er sein Fazit über das erste Corona-Jahr trotz roter Zahlen positiv: «Die Corona-Krise zeigt, dass ein guter Zusammenhalt untereinander eine schwierige Lebenssituation meistern hilft. Die Hilfsbereitschaft und das Verständnis zwischen den Teams sind bemerkenswert.»

Ein Ort mit Herz
Auch Monica Heinzer, Leiterin Pflege und Betreuung ist vom Team-Spirit begeistert. «Diese Stimmung lässt sich nicht erkaufen», schreibt sie. «Sie muss über Jahre wachsen und gepflegt werden.» Tief beeindruckt zeigt sie sich von der anspruchsvollen Beziehungsarbeit mit Bewohnerinnen und Bewohnern und vom Stellenwert, den die Pflegenden im Leben dieser inne hatten. Für manche waren die Pflegenden gar wichtiger als die Familie, oder eine Art Ersatzfamilie. Im Jahresdurchschnitt beschäftigte der Reusspark 291 Vollzeitstellen. Bedingt durch die vielen Teilzeitstellen entspricht das 497 Mitarbeitenden. Davon wurden im Reusspark 80 Lernende und zwölf Praktikanten ausgebildet. Trotz des Wachstums und der stetig steigenden Zahl an Mitarbeitenden sei das Gefühl einer Familie geblieben, lobt Pflegeleiterin Heinzer. «Das macht den Reusspark zu etwas ganz Speziellem.»

Komische und rührende Geschichten
Ein Grossteil des Jahresberichts – immerhin eine Broschüre mit 55 Seiten – lässt denn auch die Mitarbeitenden selbst zu Wort kommen. Berichtet wird von komischen Szenen, etwa als ein Mann mit Demenz den Chefarzt mit dem Ober verwechselt und einen Kaffee bei diesem bestellen wollte. Oder der Bewohner mit dem buschigen weissen Bart und den grossen, hellblauen Augen, der einer Mitarbeiterin vom Empfang stets Komplimente machte und sogar eine Misswahl für sie organisieren wollte. Oder der Mann, der über Jahre im Rollstuhl sass, weil er nicht mehr laufen wollte, und nach einem Spitalaufenthalt plötzlich laufend zurückkam – weil er schlicht vergessen hatte, dass er das angeblich nicht mehr konnte. Andreas Grossmann, Leiter der Hotellerie, fasst es so zusammen: «Der Humor prägt den Arbeitsalltag im Reusspark. Er ist im gesamten Betrieb spürbar und wird gelebt.»
Aber auch emotionale Geschichten sind zu finden, etwa vom verstorbenen Teamkollegen auf einem Wohnbereich, der in würdigem Rahmen, mit einer Abdankungsfeier in der Klosterkirche, verabschiedet wurde. Und Nachdenkliches: «Die Arbeit mit an Demenz Erkrankten ist für mich ein Geschenk», schreibt eine Fachangestellte Gesundheit. «Ich lerne dabei viel über mich selbst.» Gelobt wird natürlich auch von den Mitarbeitenden: Vom Teamwork auf Augenhöhe, schreibt beispielsweise die Leiterin Wohnbereich, Karin Rippstein. «Einen solchen Zusammenhalt unter den Mitarbeitenden habe ich bisher noch nie erlebt.» Chefarzt Dr. René Kuhn preist den Mut, neue Wege zu gehen, der im Reusspark herrsche. Fast schon revolutionär sei die unkonventionelle Zusammensetzung der Teams. Seit 2017 werden diplomierte Pflegefachkräfte an der ZHAW zu Klinischen Fachspezialistinnen ausgebildet. Sie unterstehen dem Chefarzt, agieren aber praktisch wie Assistenzärztinnen oder -ärzte. Zweitens werden Geriaterinnen und Geriatern Teilzeitstellen angeboten, damit sie Familie und Job unter einen Hut bringen können. So bestehe sein Team aus Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Stärken – und Visiten werden nur noch zu zweit gemacht, um den gemeinsamen Arbeitsstil zu pflegen.
Schlussendlich ist auch von Festen und Ausflügen die Rede. Der jährliche Ski- und Wandertag für die Mitarbeitenden führte die Teilnehmenden auf Schneeschuhen auf die Melchsee-Frutt, als eine nicht mehr konnte und den Abstieg dennoch schaffte – weil ihr die Kolleginnen und Kollegen unter die Arme griffen – zeigt den gelebten Spirit. Den krönenenden Abschluss dieses trotz Corona doch eigentlich ganz «normalen» Jahres bildete eine Silvesterfeier, die allen lange in Erinnerung bleiben wird. Für René Kessler, den stellvertretenden Eventmanager, war es ein Abend, der alle Facetten von Anlässen zeigte, die der Reusspark, neben dem Alltag als schönes Ausflugslokal im Grünen, auf die Beine stellen kann.
Viel Platz wird dem zweiten Grossereignis im Reusspark neben Corona eingeräumt: dem Abschied von Direktor Thomas Peterhans nach 28 Jahren. Er blickt in einem spannenden Bericht zurück auf diese Jahre. Der Reusspark ist sein Lebenswerk und der vorliegende Jahresbericht auch eine Würdigung seines unermüdlichen Einsatzes. Bettina Ochsner, Präsidentin des Vereins Gnadenthal, schreibt: «Thomas Peterhans überzeugte mit seiner Fachkompetenz und seiner Umsetzungs- und Motivationskraft. Er ging offen auf Mitarbeitende, Bewohnende und Angehörige zu und prägte die ‹Familie Reusspark› mit seiner gewinnenden Art.»
Das Ziel für die Zukunft, so formuliert es Präsidentin Ochsner, laute, diesen «seinen» Leuchtturm zu bewahren und in seinem Sinn und Geist weiterzuentwickeln. «Wir sind Thomas Peterhans sehr dankbar.» (zVg/sb) 

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