Vorhang auf: Rasierklingen nach Corona-Pause
27.08.2021 Kultur, Oberrohrdorf-StaretschwilWerner Bodinek ist seit über 40 Jahren freischaffender Theatermacher. Im Herbst steht er endlich wieder auf der Bühne
Theater lebt vom Publikum. Und das fehlte während der Corona-Zeit. Eine Durststrecke, die Werner Bodinek zusammen mit anderen Kulturschaffenden durchstehen ...
Werner Bodinek ist seit über 40 Jahren freischaffender Theatermacher. Im Herbst steht er endlich wieder auf der Bühne
Theater lebt vom Publikum. Und das fehlte während der Corona-Zeit. Eine Durststrecke, die Werner Bodinek zusammen mit anderen Kulturschaffenden durchstehen musste. Im Oktober steht er das erste Mal wieder auf der Bühne.
Es ist die Eröffnungsproduktion. Nach dem Umbau der alten Reithalle in Aarau startet die Bühne Aarau am 16. Oktober mit «Tanzhalle Reitpalast». 100 Jahre Schweizer Geschichte spiegeln sich in der Revue wider. Jedes Jahrzehnt zwischen 1921 und 2021 wird vielschichtig mit Theater-, Musik und Artistikproduktionen zum Leben erweckt. Als Schauspieler ist Werner Bodinek (72) mit dabei. «Es ist fantastisch bei der Eröffnungsproduktion mit dabei zu sein», sagt er. «Die Reithalle Aarau wird nach dem Umbau eines der schönsten Theaterhäuser der Schweiz sein.» Wer aber denkt, dass Bodinek mit seiner Rolle «Tanzhalle Reitpalast» aktuell ausgelastet ist, täuscht sich. Er ist nicht nur Schauspieler, sondern auch freischaffender Theatermacher. Er nimmt nicht nur Engagements bei Anfragen der Bühne Aarau an, sondern produziert auch selbst Theaterstücke. Bereits laufen parallel die Vorbereitungen für «Ein Vorhang voller Rasierklingen» vom bekannten Schweizer Schriftsteller Hansjörg Schertenleib. Die Aufführungen werden ab dem 1. Juni 2022 auf der Bühne Aargau zu sehen sein. «Schertenleib hat das Theaterstück eigens für uns geschrieben», sagt Bodinek. Der Inhalt – ein tiefgründiges, aktuelles Thema über das Altwerden und dem Spannungsfeld zwischen den Generationen. Bodinek versteht es in seinen Theaterprojekten Tiefgründiges so zu verpacken, dass auch zwischendurch gelacht werden kann. Er wagte den Schritt für die Produktion zusammen mit der freien Produktionsgruppe Norman Spenzer. Und das trotz unsicherer Zukunft. Wegen der anhaltenden Pandemie sei nicht voraussehbar, ob das Publikum wieder vollumfänglich ins Theater komme und so die vorgestreckten Kosten wieder eingespielt werden können.
Eineinhalb Jahre ohne Arbeit
«Wir Kulturschaffende sind alle in einer fürchterlichen Situation», sagt Bodinek. «Wir fühlten uns von den Medien vergessen.» Die Corona-Massnahmen bescherten den Kulturschaffenden schwerwiegende wirtschaftliche Folgen. Ein Lichtblick gibt es. Bundesrat Alain Berset sagte Ende März gegenüber Medien, dass die Kultur für die Gesellschaft und die Wirtschaft eine wichtige Rolle spiele. Auch die kommenden Monate würden schwierig, weil die Unsicherheit gross bliebe. Deshalb werden Kulturschaffende ab November, rückwirkend, Ausfallentschädigungen erhalten, ihre Einbussen werden somit ohne Unterbruch ab dem 20. März 2020 gedeckt sein. Der Bundesrat dehnt diese Unterstützung zudem auf Freischaffende, Personen mit befristeten Arbeitsverträgen und häufig wechselnden Arbeitgebern, aus. «Unbürokratische Unterstützung erhielten wir auch vom Kanton Aargau, von der Stadt Baden und von Veranstaltern», sagt Bodinek. Als Kulturschaffende müsse man gerade in Krisensituationen hoffnungsvoll, offen und flexibel bleiben. «Ich hätte nie gedacht, dass es einmal so kommen wird», sagt er. Er war mitten auf der Tournee mit der Produktion «Der Bummler», als im März, nach einer Vorstellung in Affoltern am Albis, das Aus kam. Zuerst wurden die noch ausstehenden Termine auf Februar/März 22 verschoben und dann komplett abgesagt. «Es war eine einzige Wundertüte», sagt er. «Ich bedaure vor allem auch junge Leute, die hoffnungsvoll vor der Pandemie auf einen Job als Kulturschaffende setzten.» Viele hätten einen zweiten Job annehmen müssen, um sich über Wasser zu halten. Er selbst sei überrascht, dass ohne für sich selbst Werbung zu machen, er nach der Corona-Zwangspause von der Bühne Aarau die Anfrage für die Eröffnungsproduktion und das Angebot zu der Co-Produktion für Juni 2022 erhielt. «Ich nehme heute nur noch Projekte an, die mich inhaltlich reizen», sagt Bodinek. Er werde weiter als freischaffender Theatermacher arbeiten, solange er Freude daran habe und geistig und körperlich fit sei. «Meine Arbeit ist meine Leidenschaft. Vielleicht betreibe ich sie auch ein wenig obsessiv», sagt er. Lieblingsrollen habe er nie gehabt. Monologe gehören genauso zu seinen Rollen wie auch solche in Grossproduktionen. So auch «BlackMagicBullet», das in der alten Reithalle Aarau ein grosser Erfolg war. Getragen werde er als Schauspieler sowohl auf kleinen wie auch grossen Bühnen vom Publikum. Und das sowohl in der deutschsprachigen Schweiz wie auch im Ausland.
Viel Arbeit in Theaterproduktionen
Bodinek steht mitten in den Vorbereitungen für das Stück «Ein Vorhang aus Rasierklingen». Bis es soweit ist, brauche es viel Vorarbeit. «Theater ist nie eine One-Man-Show, sondern immer eine Teamarbeit», sagt er. Bevor er mit einer Arbeit loslegt, lese er vor allem Texte, die für die mögliche Theaterproduktion in Frage kommen. Nachdem die Wahl getroffen ist, geht es an die Organisation. Die Suche nach einer Bühne, die co-produziert, die Auswahl der Schauspieler, die Regie, die Dramaturgie, das richtige Bühnenbild und die Kostüme gehören genauso dazu wie die Musik. Das zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen sei anspruchsvoll. «Man muss selbst tief runtersteigen, alles stets überprüfen und Justierungen vornehmen», sagt Bodinek. Die Fragen wann, wie, was, wo und warum seien zentral bei seiner Arbeit. Nur so könne eine Produktion gelingen und finde vor dem Publikum Gefallen. «Für eine Theaterproduktion braucht es viel Zeit, Fleiss und eine gute Portion Gelassenheit», sagt er. Und das strahlt Bodinek sowohl auf der Bühne wie auch als Theatermacher seit über 40 Jahren aus.
Debora Gattlen