Eine Milchbüchleinrechnung reicht

Fr, 29. Okt. 2021

Stockwerkeigentümer bezahlte Beiträge nicht, Bezirksgericht Bremgarten sagt: Das ist unzulässig

Am Bezirksgericht Bremgarten wurde darüber verhandelt, ob ein Stockwerkeigentümer die Abrechnungen über zwei Jahre bezahlen muss. Der Beklagte verweigerte dies, weil er ihre Form als fehlerhaft und damit als nichtig empfindet.

Der Beklagte muss den Betrag von 5319 Franken, inklusive Verzugszinsen, zahlen. Dazu kommen weitere Kosten für das Gericht und eine Entschädigung», urteilte Gerichtspräsident Peter Thurnherr. Der Stockwerkeigentümer Müller aus Niederwil (Name geändert) wurde dafür angeklagt. Er weigerte sich, weil er die Abrechnungen der Jahre 2017/18 und 2018/19 als groben Verstoss gegen das Obligationenrecht empfand.
Der Gerichtspräsident kam zum Schluss, dass Müller viel früher hätte klagen müssen. «Die Jahresrechnungen wurden an den Stockwerkeigentümerversammlungen jeweils genehmigt, worauf eine Einsprachefrist von 30 Tagen bestand. Sie haben ihre Klagen aber später eingereicht, weil sie sagen, dass sie Zeit brauchten, um einen Überblick über die Abrechnungen zu gewinnen. Gleichzeitig erklären sie, dass die Fehler offensichtlich sind. Eine Klage nach Ablauf der 30 Tage Einsprachefrist sei nur möglich, wenn die Abrechnung unbrauchbar ist oder zum Beispiel die Rechte der Stockwerkeigentümer mit Füssen getreten werden. «Dann ist sie nichtig. Dies ist hier aber nicht der Fall.» Thurnherr erläuterte den Sinn einer Stockwerkeigentümergemeinschaft. «Sie bezweckt Wohneigentum, mit dem gewisse Kosten gemeinsam getragen werden, was wirtschaftlich sein kann. Um möglichst vielen Leuten ein Stockwerkeigentum zu ermöglichen, wird von der entsprechenden Gemeinschaft eine einfache Milchbüchleinrechnung verlangt, die auch Laien verstehen.» Der Perfektionismus von Müller sei hier nicht verlangt und nicht nötig. «Zudem sind wir hier weit, weit weg von plausiblen Gründen für eine Nichtigkeit.»

Rechnung extern geprüft
Der Stockwerkeigentümer aus Niederwil und das für die Abrechnung zuständige Treuhandbüro aus Fischbach-Göslikon stellten vor dem Urteil ihre Argumente dar. Letztere betreut in der Liegenschaft die Buchhaltung für die Stockwerkeigentümer mit 14 Parteien inklusive vier Hobbyräumen. 2018 hatte das Treuhandbüro seine Abrechnung extern prüfen lassen. Dies insbesondere im Hinblick, ob es mit dem Stockwerkeigentümerreglement und der Verwaltungsordnung übereinstimmt. Der Revisor stellte fest, dass alles sauber umgesetzt ist. Nach einer Infoveranstaltung mit den Stockwerkeigentümern gab es Anpassungen in zwei Punkten.
Auf dieses Jahr wurden weitere Anpassungen vorgenommen. Müller wertete dies an der Gerichtsverhandlung als Schuldeingeständnis des Treuhandbüros. «Wir zeigen jetzt nur noch die Kostenspalte ohne das entsprechende Budget», erklärte die Vertretung des Treuhandbüros. «Wenn an einer der nächsten Versammlungen wieder eine Auflistung der Kosten, Budget und Vorjahreszahlen erwünscht wird, ist das okay. An den ausgewiesenen Kosten wird das aber nichts ändern.»
Müller betonte, dass er diese Abrechnungen nicht nachvollziehen könne. «Neben den Stockwerkeigentum-Reglementen gilt auch das Obligationenrecht.» Er war auch nicht einverstanden, dass die Vorauszahlungen als Erfolg gebucht werden. Das sei ein grosser Fehler, betonte Müller. Er bestand darauf, dass die Berater des Treuhandbüros an der Stockwerkeigentümerversammlung die Anwesenden nicht beraten, sondern zur Annahme der Abrechnung beeinflusst hätten. «Darum muss ich jetzt kämpfen.»

Zu Zahlung bereit
Gerichtspräsident Peter Thurnherr fragte mehrfach, ob Müller denn gar nichts zahlen möchte, bis dieser erklärte: «Ich zahle gerne den Betrag, der mit einer sauberen Abrechnung ausgewiesen wird. Hier gehe ich aber davon aus, dass sie komplett falsch ist. Das bestätigt die neue Abrechnung.» Müller durfte dem Treuhandbüro Fragen stellen, wobei er immer wieder durch Thurnherr angehalten wurde, es nur dann zu tun, wenn sich diese Fragen auf die Anklage bezieht. Als Themen aufgegriffen wurden, wie viele Stockwerkeigentümermandate das Treuhandbüro verwalte und mit wie vielen davon es Probleme hätte. «Es sind 70 bis 75. Wobei wir einzig mit Müller uneinig sind», sagte der Treuhand-Vertreter.
Beim Schlussplädoyer nahm der Anwalt des Treuhandbüros Stellung zu den Gründen für eine Nichtigkeit der beiden Abrechnungen. Müller habe nicht behauptet, dass es dafür Punkte gibt, die diesen Tatbestand erfüllen. Dem widersprach der Anwalt von Müller: «Das Treuhandbüro hatte zum Beispiel Rückstellungen nach Ende des entsprechendes Zweckes nicht aufgelöst. Eine Nichtigkeit ist deshalb gegeben.» Sein Mandant werde den Betrag zahlen, der nach einer korrekten Abrechnung ausgewiesen wird.
Gerichtspräsident Thurnherr sah das anders. Er bestätigte die Forderung über 5319 Franken und verpflichtete Müller, diese inklusive weiterer durch seine Weigerungshaltung verursachten Kosten zu berappen. (wa)

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