Am Sonntag lädt Sam Scheller Menschen zum Festessen ein, für die ein Restaurantbesuch Luxus ist

Manche bringen ihm ein Geschenk, so sehr freuen sie sich über die Einladung in die «Schmitte». Dabei besitzen sie selbst nur sehr wenig.

Am kommenden Sonntag wird in der «Schmitte» jeder Stuhl an jedem Tisch besetzt sein. Ausnahmslos mit geladenen Gästen. Rund 50 Personen werden für diesen Anlass ihr schönstes Kleid, das eleganteste Hemd vom Bügel nehmen. Die Gäste werden keinen Rappen für das mehrgängige Menü bezahlen, mit welchem sie von Sam Scheller und seinem Team bekocht und bewirtet werden. Im Gegenteil: Sie werden mit zwei prall gefüllten Taschen beschenkt, nach Hause gehen. Manche werden Sam Scheller ihrerseits ein Geschenk mitbringen: Blumen, eine selbst gestaltete Karte, selbst gebackene Guetzli oder einen Zopf. Scheller wird sich darüber freuen. Und doch verdreht er, als er davon erzählt, die Augen. «Meine Nerven!», sagt er. «Das wäre doch nicht nötig.»
Denn die Frauen und Männer, unter ihnen auch Mädchen und Buben, die am 19. Dezember Gäste in der «Schmitte» sein werden, besitzen selbst kaum etwas. Und gelangen genau deswegen in den Genuss dieser Einladung in der «Schmitte», die mit «Bedürftigenanlass 2021, Weihnachten das Fest der Liebe und Besinnlichkeit» überschrieben ist.

Die Tradition ist älter
Scheller lädt bereits zum fünften Mal nach Birmenstorf ein. Die Tradition aber ist älter. Sam Scheller hat seine Lehre als Koch in Zürich im Fünf-Sterne-Hotel Marriott absolviert. Seit vielen Jahren laden dort die Sozialwerke von Pfarrer Sieber zu einem Weihnachtsessen ein, das jedes Jahr Hunderte von Obdachlosen, Menschen am Rande der Gesellschaft anzieht. In Anlehnung an diese Tradition hat Scheller in der «Schmitte» seinen eigenen Anlass ins Leben gerufen.
Bereits im ersten Jahr, als er sein Steakhouse eingangs Birmenstorf eröffnet hatte, sei sein Konzept sehr gut angekommen. «Ich wollte etwas zurückgeben», sagt er. Das erste Mal hätten sie im kleinen Kreis gefeiert. «Seither aber sind jedes Jahr alle Plätze besetzt», sagt Scheller. Auch aus Siebers Sozialwerken in Zürich sitzen jedes Mal Menschen in der «Schmitte» mit am Tisch.
Er schrieb zu Beginn 15 Gemeinden an – die administrative Arbeit übernimmt inzwischen Egon Herren, einer seiner Stammgäste. Die Gemeinden sollten helfen, diejenigen Menschen zu finden, die Not leiden und für die ein solcher Anlass eine Ausnahme in ihrem Alltag darstellen kann. Rückmeldungen kamen von den Gemeinden und deren Sozialabteilungen spärlich bis gar nicht. Das bedauert Sam Scheller. Inzwischen werden noch fünf Gemeinden in der Region sowie einige Institutionen angeschrieben.

Sachspenden sind willkommen
Wer das erste Mal komme, sagt Scheller, verhalte sich oft eher zurückhaltend. «Aber mit dem Essen lockert sich auch die Stimmung.» Für ihn sei es besonders schön, wenn die Leute das Essen und den Anlass geniessen könnten. Und noch schöner, wenn sie ihm beim Abschied sagen, dass sie sich bereits auf das nächste Jahr freuen.
Nach dem Essen dürfen alle zwei grosse Taschen abholen, in welche Scheller und sein Team Sachspenden des täglichen Bedarfs gepackt haben – von Pasta bis Pflegeartikel, von Salzstängeli bis Schokolade und von Tomatensauce bis Trockenfleisch. «Sachen, die wir uns in der Regel mühelos leisten können, wofür andere den Franken aber dreimal umdrehen müssen», sagt der Koch. Solche Spenden können am Samstag, 18. Dezember, von 11 bis 14 Uhr im Feuerwehr-Magazin in Birmenstorf abgegeben werden.

Heidi Hess