Er begegnete den Menschen stets auf Augenhöhe
31.12.2021 Niederwil, FreiamtNach 20 Jahren tritt Gemeindeammann Wädi Koch kürzer und freut sich auf einen neuen Lebensabschnitt ohne Politik
20 Jahre war Wädi Koch im Gemeinderat, seit 2010 ist er Gemeindeammann. Auf den 1. Januar 2022 übergibt er sein Amt an Norbert Ender. Zusammen mit dem ...
Nach 20 Jahren tritt Gemeindeammann Wädi Koch kürzer und freut sich auf einen neuen Lebensabschnitt ohne Politik
20 Jahre war Wädi Koch im Gemeinderat, seit 2010 ist er Gemeindeammann. Auf den 1. Januar 2022 übergibt er sein Amt an Norbert Ender. Zusammen mit dem «Reussbote» blickt der Niederwiler «Amme» zurück auf eine spannende Zeit.
Wädi Koch (63) erscheint auf die Minute genau zum vereinbarten Termin im Gemeindehaus. Im Sitzungszimmer erzählt der Niederwiler «Amme», wie er zur Politik kam, von seinen Höhepunkten und weshalb Niederwil einen so guten Zusammenhalt hat. Er erzählt von der «Vision 3500», von Dorfvereinen und vom guten Einvernehmen im Gemeinderat. Wer ihm zuhört, dem wird es bestimmt nicht langweilig. Koch, der in Niederwil im Restaurant Kreuz aufgewachsen ist und in Jungwacht, Jugi, Musikverein und FC sich ein grosses Netzwerk aufbaute, hatte in jungen Jahren andere Pläne als die, eine politische Karriere zu starten. Den ausgebildeten Lehrer zog es in die Ferne, zum Beispiel nach Pennsylvania (USA) wo er in einem YMCA-Camp Kurse leitete, die Jugendlichen Kanufahren und Pfeilbogenschiessen lehrte. Oder nach Frankreich, um seine Französisch-Kenntnisse zu vertiefen, die er als ausgebildeter Lehrer an der Sekundarschule gut einsetzen konnte. Oder nach Spanien um die Sprache zu lernen: Reisen in Südamerika war der Plan. Um 1986 herum war er für fünf Jahre Reiseleiter, alles andere also, als ein gestrenger junger Mann, der in Beruf und Politik eine Karriere anpeilte. Koch liebte das Leben, die fremden Länder und den Kontakt mit den Menschen. Diese Zeiten haben «Wädi» Koch, wie er von den meisten genannt wird, geprägt. Die Arbeit mit Jugendlichen erlernte er als Leiter der Jungwacht, später in den YMCA-Camps. Das kam ihm wieder als Lehrer und später als Schulleiter zugut.
Vermehrt zu Hause sein
Nach den Reisejahren kam bei Koch der Wunsch auf wieder vermehrt zu Hause zu sein. Es zog ihn, den Ur-Niederwiler, zurück in seine alte Heimat. Zurück ins vertraute Niederwil, zu seiner Familie, zu seinen Freunden und zu seinem Dorf, dem er Jahre später als Gemeindeammann vorstehen wird. Koch war Mitglied der damaligen CVP, obwohl er eher dem linken Flügel angehörte. «Ich war nie ein Parteimensch», sagt Koch rückblickend, «aber ich konnte mir ein gutes Netzwerk zu Gemeinderäten, Grossräten und Regierungsräten aufbauen. Das hat mir und der Gemeinde sehr geholfen.»
Als auf Ende der Amtsperiode 2001 der damalige Gemeindeammann Josef «Füchsli» Hufschmid und Gemeinderätin Gerda Leimgruber nicht mehr kandidierten, wurde Koch von der CVP portiert. Zusammen mit Kurt Studer wurde er in den Gemeinderat gewählt. Thomas Peterhans wurde Ammann, zwei Amtsperioden später trat Peterhans zurück und Wädi Koch übernahm.
Koch hat viele Tugenden, er ist ein geselliger Mensch, trinkt gerne ein Bierchen, organisiert gerne, hört den Menschen gerne zu und begegnet ihnen auf Augenhöhe. Bestes Beispiel dazu ist eine Massnahme, die Koch zusammen mit seinen Ratskollegen umsetzte. An der Gemeindeversammlung sitzt der Gemeinderat nicht mehr auf der Bühne sondern auf gleicher Höhe wie die anwesenden Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.
Gemeindeschreiber wird pensioniert
Als die Niederwiler Koch als ihren Ammann wählten, ging der langjährige Gemeindeschreiber Alois Riner in Pension. Der Gemeinderat wählte Christian Huber als Nachfolger. Koch und Huber, das passte über die Jahre hinweg. Eines der ersten Projekte war die Erarbeitung der «Vision 3500», 3500 bezog sich auf die zu erwartende Einwohnerzahl. Heute zählt Niederwil knapp 2900 Einwohner. Etwa 100 Wohnungen sind noch im Bau, die Einwohnerzahl dürfte dann auf 3100 steigen. Die restlichen 400 Einwohner werden mit Verdichtung erreicht, so Koch. «Wir liegen im Soll, und das, nachdem der Gemeinderat vor zwölf Jahren beschlossen hatte, kein weiteres Bauland mehr einzuzonen, so, wie es sechs Jahre später das Raumplanungsgesetz verlangt.
«Die ‹Vision 3500› gab uns Planungssicherheit in allen Belangen. Wir konnten die Infrastrukltur darauf ausrichten – Schulhäuser, Kläranlage, Wasserversorgung, Strom. Die Vision gab dem Gemeinderat Sicherheit bezüglich Neuzuzüger und Steuereinnahmen. «Wir konnten agieren und mussten nicht reagieren», sagt Koch und ergänzt postwendend, dass der Gemeinderat vor bösen Überraschungen gefeit war.
Mit Niederlagen umgehen
Nicht alles gelang so, wie es der Gemeinderat plante: EW-Verkauf, Geere, Zusammenschluss mit der Feuerwehr Wohlen, Neubau Kindergarten. Schmerzen als Politiker die Niederlagen? Wädi Koch sagt: «Ich wäre ein schlechter Politiker, wenn mich eine Niederlage nicht wurmt. Man steckt viel Herzblut hinein, kämpft für die Vorlage, aber schlussendlich haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger das letzte Wort.» Nach zweimal darüber schlafen war die Niederlage jeweils abgewischt. Koch akzeptiert, dass es auch andere Meinungen gibt, dass Individualinteressen manchmal über dem Interesse der Gemeinde stehen. Auch diese Einschätzung zeigt, dass Koch den Menschen auf Augenhöhe begegnet. Zieht er Bilanz über seinen politischen Leistungsausweis? «Hmm, ich denke über 90 Prozent der Geschäfte kamen durch.» Ein guter Wert, fügt der «noch-Amme» an.
Was treibt einen an, ein politisches Amt über so viele Jahre auszuüben? Der Kontakt mit den Menschen, die Möglichkeit mitzugestalten, positive Impulse zu geben und die Vielfalt an Themen. Zum Beispiel: Bauvorhaben, Sozialwesen, Schule. Koch nennt als weiteres Beispiel die Kläranlage. «Ich hatte keine Ahnung was passiert, nachdem ich den Knopf der WC-Spülung betätige.» Der Gemeindeammann sagt: «Ich ging jeden Montag mit grosser Freude an die Sitzungen, wir hatten es friedlich und gut untereinander. Wohl auch deshalb, weil kein Mitglied des Gemeinderates Individualinteressen hatte.»
Die Zukunft Niederwils sieht gut aus. «Ich übergebe mein Amt an Norbert Ender mit gutem Gewissen. Niederwil hat eine sehr gute Nachfolge gewählt. Die Arbeit im Gemeinderat geht nicht aus. Die Revision der BNO steht an. Weitere Herausforderungen sind das Projekt ‹Wasser 2035›, der Neubau des Kindergartens und die Zukunft der Verwaltung. Umbau oder Neubau, ist hier die Frage.» Über all diese Themen muss sich Wädi Koch nun weniger Gedanken machen. Er hat mehr Zeit für sich und seine Familie. Mehr Zeit für seinen Rebberg in Niederwil, den er zusammen mit Kollegen angelegt hat. Und ein weiteres grosses Wunschziel hat der scheidende Ammann: «Zusammen mit Guido Hufschmid nochmals ein Freilichttheater wie 2001 auf die Beine stellen».
Benedikt Nüssli