Für Ochse Kaari ist bereits Weihnachten
24.12.2021 Niederwil, FreiamtDer Jungochse darf auf dem Gnadenhof «Villa Kunterbunt» sein Leben weiterhin geniessen
Er ist dem Tod buchstäblich von der Schippe gesprungen. Letzte Woche hätte er geschlachtet werden sollen. Doch Ochse Kaari büxte in letzter Minute aus. Nun gibt es ein Happy End ...
Der Jungochse darf auf dem Gnadenhof «Villa Kunterbunt» sein Leben weiterhin geniessen
Er ist dem Tod buchstäblich von der Schippe gesprungen. Letzte Woche hätte er geschlachtet werden sollen. Doch Ochse Kaari büxte in letzter Minute aus. Nun gibt es ein Happy End für ihn.
Seine grossen braunen Augen und sein unbändiger Lebenswille retteten den Jungochsen vor dem Schlachter. Rosanna Hill, Präsidentin des Tierschutzbund Innerschweiz, sah letzte Woche den Beitrag von Tele M1 über den ausgebüxten Ochsen in Niederwil. Die abschliessenden Worte darin waren, nun kann er sich zehn Tage zu Hause auf dem Mattenhof in Nesselnbach erholen, bevor er erneut zum Schlachter geht. «Ich wusste sofort, das darf nicht sein», sagt sie. «Ich sah seine Augen und wusste, der will noch nicht sterben.» Die Rottenschwilerin machte sich unverzüglich daran, einen Platz für das Black Angus-Rind zu finden. Dabei hatte sie ein Déjà-vu-Erlebnis. Vor 13 Jahren flüchtete in Zufikon der Bulle Leo vor dem Schlachter. Leo rannte bis zur Rottenschwiler Brücke und durchschwamm dort die Reuss. Er war der Auslöser, weshalb Rosanna Hill Präsidentin der Tierschutzorganisation wurde. Leo wurde damals vom Tierschutzbund Innerschweiz auf einem Gnadenhof im Jura platziert. Dort lebt er bis heute glücklich in einer Herde. Das wollte Hill auch dem Ochsen aus Niederwil ermöglichen. Ein Anruf in den Jura erfolgte. Ein Platz war dort vorhanden. Hill überlegte aber weiter. Sie wollte Jungochse Kaari nicht mit einem langen Transport unnötig stressen. Sie fragte bei näher gelegenen Gnadenhöfen nach. Bis auf die «Villa Kunterbunt» in Läufelfingen BL waren alle voll belegt. «Da dieser Transportweg deutlich kürzer ist als der in den Jura, entschied ich mich für die Unterbringung in der ‹Villa Kunterbunt›», sagt sie. Nachdem die Unterbringung gesichert war, hiess es für Hill mit dem Besitzer des Jungochsen Kontakt aufzunehmen.
Flucht rettete sein Leben
Kaari war bereits im Schlachthaus. Instinktiv riss er sich los und machte sich aus dem Staub. Er durchquerte dabei das halbe Dorf, den Schulhausplatz und hinterliess seine Hufabdrücke auf dem heiligen Rasen des FC Niederwil. Seine Flucht endete auf dem Hof eines anderen Bauern. Dort holte ihn sein Besitzer, Andreas Hufschmid, ab. An den Kragen ging es dem Jungochsen an diesem Tag nicht mehr. Sein Fleisch wäre wegen des Adrenalins zäh geworden. Eine Wartefrist von zehn Tagen wurde deshalb angesetzt. «Ich liefere an die Reussthal Metzgerei, weil ich weiss, dass hier auf Fleisch aus der Region und damit auf kurze Schlachtwege gesetzt wird», sagt Hufschmid. Ihm ist es wichtig, dass seine Nutztiere es bei ihm bis zur Schlachtung gut haben. So willigte er auch ein, dass sein Jungochse nicht mehr zu Fleisch verarbeitet wird. Rosanna Hill fragte letzte Woche bei ihm an, ob er den Ochsen an die Tierschutzorganisation verkaufe. «Andreas Hufschmid war sehr nett am Telefon. Ich spürte sofort, dass ihm seine Tiere am Herzen liegen. Er fragte mich, was wir für eine Organisation sind und wohin der Ochse gebracht würde», erzählt Hill. Bevor Hufschmid «Ja» sagen konnte, musste er aber noch mit Thomas Peterhans, Inhaber der Reussthal Metzgerei, verhandeln. Der fand die Idee gut und entliess Hufschmid aus dem Vertrag. «Ich überwies noch am gleichen Tag den Kaufpreis für den Ochsen», sagte Hill. Und damit war der Weg frei für das neue Leben von Kaari. Am Mittwoch um 13.30 Uhr war es soweit. Hufschmid liess es sich nicht nehmen, seinen Ochsen mit Traktor und Hänger ins Baselbiet zu chauffieren.
Kaari geniesst sein neues Leben
Nach 90-minütiger Fahrt war die «Villa Kunterbunt» erreicht. Ruhig liess sich Kaari aus dem Anhänger in seine neue, dick mit Stroh aufgefüllte, Box führen. Hier bleibt er vorerst, bis er sich eingewöhnt hat. Danach darf er mit seinen Artgenossen auf die Weide. Beschnuppern ist bereits möglich. Kaari wurde mit freudigem Muhen willkommen geheissen. Und er scheint sein neu gewonnenes Leben in vollen Zügen zu geniessen. Nach kurzem Erkunden der Box, frass er entspannt das bereitgestellte Heu. Der Jungochse darf sich auf ein langes und glückliches Leben in der «Villa Kunterbunt» freuen. Das wird dank Spenden an den Tierschutzbund Innerschweiz ermöglicht. Ein schöneres Weihnachtsgeschenk gibt es für Kaari definitiv nicht.
Debora Gattlen
Spenden an: Tierschutzbund Innerschweiz, 8919 Rottenschwil, IBAN CH44 8080 8008 6579 3558 7 Raiffeisenbank LLN, 6247 Schötz