Für Mira hüpfen die Hühner Parcours
31.12.2021 BirmenstorfMira Huwiler, die Hühnerflüsterin, zähmt Hähne und Hennen und dressiert sie für den Hindernislauf
Es war Liebe auf den ersten Blick: Mira und die Hühner. Die ersten Hühner waren ein Geschenk, heute sind manche in Pension. Und bei Mira werden sie alle zahm, ...
Mira Huwiler, die Hühnerflüsterin, zähmt Hähne und Hennen und dressiert sie für den Hindernislauf
Es war Liebe auf den ersten Blick: Mira und die Hühner. Die ersten Hühner waren ein Geschenk, heute sind manche in Pension. Und bei Mira werden sie alle zahm, tänzeln auch mal über Hindernisse.
Jacky, hüpf», ermuntert Mira das Huhn mit sanfter Stimme. Jacky zögert, schaut sich den Parcours an, der vor ihr liegt, dann setzt sie an zum Sprung. Vom Dach des Hasenstalls auf die Armlehne des Stuhls und über die Sitzfläche hinweg bis zum Gartenhag, der an die Hausmauer gelehnt ist. Die Henne Jacky führt vor, was Primarschülerin Mira mit ihr täglich übt. Schon seit Jahren. Denn Jacky ist die Älteste im Hühnerstall der Familie Huwiler am Rande von Birmenstorf. Sechs Jahre alt ist sie und sie ist Miras Lieblingshuhn. «Sie hat nie Angst und sie ist frech», sagt Mira und kichert. Keck bis in die Augen. Daran erkennt das Mädchen das braune Huhn in der Hühnerschar. «Selbst unserem Hund stellt sie sich mutig entgegen.» Dabei ist der Hund gross: ein Schweizer Sennenhund – jung, fröhlich und ungestüm.
«Miras Hühnerdressur»
Hund, Katzen, Hühner, Milchkühe und Islandpferde gehören auf dem Hof Hardwinkel zur Familie. Die Hühner allerdings sind die Domäne der Zehnjährigen. Das wird bereits bei der Einfahrt klar, wo am Zaun ein Schild hängt, auf welchem steht: «Miras Hühnerdressur».
Zwar gelten die Tiere als neugierig und lernfähig. Das Absolvieren eines solchen Hindernislaufes ist aber selbst für Hühner alles andere als selbstverständlich. Eher flattert ein Huhn davon, als sich einfangen zu lassen. Erst recht, wenn es aus einem Grossbetrieb kommt und ein Jahr lang Eier im Akkord gelegt hat, wie das bei den meisten Hühnern in Huwilers Stall der Fall war. Huwilers schenken diesen Legehennen, deren Tage gezählt wären, fänden sie nicht bei ihnen Unterschlupf, ein zweites Leben. In Birmenstorf, im Hof Hardwinkel, kommen sie in Pension und damit in Miras Obhut. Hühner, die früher verschreckt davon flatterten, das Weite suchten, bleiben nach wenigen Tagen ruhig in Miras Armen, lassen sich über das seidige Gefieder streichen, beruhigt durch Miras leises Zureden, ihr ständiges Plaudern. Bei Mira werden sie alle zahm.
Der Hühnerwunsch der Töchter
Darüber staunten auch Miras Eltern, Thomas und Michèle Huwiler. Vor Jahren hatten sie den beiden Töchtern ihren Wunsch nach Hühnern erfüllt. Ein weisses, ein braunes, ein schwarzes und ein gesprenkeltes Huhn holten sie bei einem Legebetrieb – letzteres gehört zur Rasse der Sperber. Den Sperber hatte sich damals Mira ausgesucht und nannte das Huhn «Sunne». Warum aber gerade Hühner? Mira wollte Tiere mit Federn. «Und Hühner», schwärmt sie, «sind so lieb.» Auch witzig, sagt sie. Sie würden Spaghetti picken und fressen, als wären es Würmer. Aber nicht nur das. Man könne sie in den Armen halten und sogar dressieren. Das habe sie, als sie kleiner war, bei ihrer Cousine gesehen. Danach war für sie klar: «Ich wollte auch Hühner dressieren». Stunden und Tage verbrachte sie im Stall, baute mit ihrer jüngeren Schwester Hindernisse und brachte die Hühner dazu, vorsichtig über Balken und Dachziegel zu balancieren.
Mutter Michèle Huwiler war zu Beginn eher skeptisch: «Ich wollte eigentlich keine Hühner, fragte mich, was kann man mit einem Huhn machen?» Längst hat sie ihre Meinung geändert. «Die Tiere sind schlau», sagt sie, «und sie sind lustig.» Auch sie habe die Hühner lieb gewonnen. Mühe hat sie heute nur noch mit den Hähnen. Morgens früh, wenn sie um 4 Uhr krähen. Auch deshalb sind zwei Hähne abzugeben: Die Familie Huwiler sucht zwei gute Plätzchen. «Wo ich sie besuchen kann», wirft Mira rasch, mit einem schelmischen Blick auf die Eltern, ein. Die vier Hühner, die einst die ersten Eier im Huwilerschen Hühnerhof gelegt hatten, sind inzwischen gestorben.
Zwölf Hennen und drei Hähne
Verwaist ist der Stall deswegen nicht. An der Hauptstrasse zwischen Birmenstorf und Fislisbach gackert und scharrt es im Hühnerhof nach wie vor: Zwölf Hennen und drei Hähne sind es zurzeit. Alle haben einen Namen und Mira weiss, wen sie auf den Parcours schicken muss, wer besonders talentiert über die Hindernisse hüpft und dem Publikum ein lustiges Spektakel liefert. Auch wenn mehrere weisse und mehrere braune Hühner im Stall sind. Es sind kleine Merkmale am Gefieder, bei den Augen – wie etwa bei Lieblingshuhn Jacky, deren Blick Mira kichernd als «frech» bezeichnet hatte. Vergeblich versucht man selbst, solche Erkennungszeichen zu entdecken. Die einzelnen Hühner lassen sich von ungeübtem Auge kaum unterscheiden. Mehr als braune und weisse Federn lassen sich nicht als Anhaltspunkte ausmachen.
Mira indessen verbringt so viel Zeit im Hühnerstall, folgt den Hühnern auf Schritt und Tritt. Und die Hühner tun es ihr gleich, folgen umgekehrt auch ihr und beobachten neugierig, was das Mädchen macht. Sie lockt sie und redet mit ihnen, schaut genau hin. Kein Wunder, fallen Mira Details auf.
Heidi Hess